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23.06.07 / Ein Turnier der besonderen Art / Auf der sonnigen Seite der Dolomiten begeistern alljährlich Ritterspiele

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Ein Turnier der besonderen Art
Auf der sonnigen Seite der Dolomiten begeistern alljährlich Ritterspiele
von Helga Schnehagen

Das Hochplateau (1000 Meter) vor dem Schlernmassiv (2563 Meter) "auf der sonnigen Seite der Dolomiten" wie es im Prospekt heißt, wurde bereits vor 100 Jahren vom Tourismus entdeckt. Dennoch, die Bürgermeister von Völs, Seis und Kastelruth wollten mehr für ihre Orte tun. Als sie vor 25 Jahren am Stammtisch darüber diskutierten, wie sie das Gebiet nordöstlich von Bozen durch ein zugkräftiges Volksfest bekannter machen könnten, hatten sie eine Schnapsidee: den Oswald-von-Wolkenstein-Ritt - benannt nach dem berühmten einäugigen Minnesänger von der Trostburg bei Waidbruck.

Inzwischen ist das dreitägige Volksfest, das dieses Jahr vom 1. bis 3. Juni 2007 stattfand, ein Klassiker unter Südtirols Festen mit Stallgeruch. Über 25000 Zuschauer bilden Jahr für Jahr den Troß der 36 Mannschaften, die einen ganzen Tag lang all ihre Reitkunst aufbieten, um zu der atemberaubenden Kulisse die Inszenierung zu liefern.

Schnauben, Hufedonnern, dann ein Pferdekopf, dem blitzschnell der Rest des Körpers aus der Biegung folgt. Der Reiter stellt sich in die Bügel, zielt auf den Ring, fängt die Stange dahinter wieder auf. Das Ringstechen um Kastelruths Kirchberg ist der Auftakt dieses Turniers der ganz besonderen Art. In Viererteams sind vier Reitstrecken zu vier Orten zurückzulegen, an denen jeweils ein Reiterspiel zu absolvieren ist: nach dem Ringstechen das Labyrinth in Seis, der Hindernis-Parcours am idyllischen Völser Weiher und der Slalom vor Schloß Prösels.

Gestartet wird auf der Trostburg, eineinhalb Reitstunden von Kastelruth entfernt. Der Weg zum Stammsitz der Wolkensteiner, derem berühmten Sohn Oswald das Spektakel gewidmet ist, lohnt auch zu Fuß. Allein der Rittersaal des mustergültig restaurierten Adelssitzes zählt zu den prunkvollsten Festräumen Südtirols.

Nur noch der letzte Rest einer einst blühenden Burg ist die Seiser Ruine Hauenstein. Auf ihr verbrachte Oswald, dieses Urviech des 15. Jahrhunderts, mit Frau und sieben Kindern singend und dichtend, liebend und leidend die letzten Jahre seines streitbaren Ritterlebens, sofern er nicht unterwegs war. Die Reiter zu ihren Füßen konzentrieren sich derweil auf ihren nächsten Einsatz. Weit spritzt der Kies, wenn sich Viererreihe für Viererreihe im vollen Galopp in die Kurve legt - mit hölzerner Querstange vor der Brust. Der rasante Start ist Präzisionsarbeit, genauso wie der Ritt durchs Labyrinth.

In Völs, Station Nummer drei, richten sich alle Blicke auf den gewaltigen grauen Buckel des Schlern, der zum Greifen nah monumental in den strahlend blauen Himmel ragt. Seit 2003 darf sich Völs offiziell als "Kurort am Naturpark" bezeichnen. Seine Tradition als Wellness-Ort ist 100 Jahre älter. Bereits 1903 wurde hier mit Genehmigung der k.k. Statthalterei Innsbruck eine für jene Zeit sehr moderne und fortschrittlich eingerichtete Heubadestation eröffnet. Das Hotel "Heubad" existiert noch heute, die wohltuenden Almkräuterbäder auch. Als historisch kann ebenso der über 70 Quadratkilometer große Naturpark Schlern gelten, ist er doch der älteste unter den sieben Südtirols.

Vor Schloß Prösels mischen sich liebliche Burgfräulein und stattliche Burgherren, Gaukler und Feuerschlucker unter den Troß und versetzen dem Wettkampf dann doch noch - seinem Namen zu Ehren - einen samt- und seidigen Schuß Mittelalter-Spektakel. Der Ort könnte kaum besser gewählt sein. Schloß Prösels gehört zu den bezauberndsten Burgen Südtirols. Nur wenige Schritte entfernt winden sich die Pferdekörper rasant durch den Stangenwald. Genauso akrobatisch wie ihre zweibeinigen Skifahrer-Kollegen. Wen wundert's. Wir sind mitten in den Alpen. Genauer im Vorfeld der Dolomiten, den "schönsten Bergen der Welt", will man dem Südtiroler Reinhold Messner glauben. Und der muß es wissen.

Eine jüngere, spielerischere Variante des Rittes ist der Eppaner Burgenritt, der eine Woche zuvor über Pfingsten in der Großgemeinde Eppan seine neunte Auflage feierte.

Unter den rund 180 Burgen, Schlössern und Ansitzen der Gegend ist Schloß Hocheppan die geschichtsträchtigste und künstlerisch bedeutungsvollste Anlage. Allein die Burgkapelle zählt mit ihren romanischen Fresken zu den bedeutendsten Kunstschätzen im Lande. Ihre Besichtigung sollte man nicht versäumen. Andere Burgen laden zur Einkehr. Bei Schlutzkrapfen oder Speck, Paradeisersuppe oder Kalbsschulternahtl, Strudel, Marillen- oder Zwetschgenknödeln kann es dann schon passieren, daß man die Reiter aus den Augen verliert und es sich inmitten der Wein- und Obstgärten einfach nur gutgehen läßt. Wer sich überzeugen möchte, ... Infos: www.burgenritt.com


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