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30.06.07 / Über das Sterben in Afghanistan

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-07 vom 30. Juni 2007

Über das Sterben in Afghanistan
von Gerd H. Komossa

Der würdevolle Abschied der Bundeswehr von ihren in Afghanistan gefallenen Kameraden in der großen Halle auf dem militärischen Teil des Flugplatzes Köln-Wahn hat wieder einmal die Frage aufgeworfen nach dem Sinn des Sterbens des Soldaten. Verteidigungsminister Jung war betroffen.

Den alten Soldaten, von denen es immer weniger gibt, hat das militärische Zeremoniell besonders berührt. Und viele von ihnen dachten und erinnerten sich dabei an den Tod ihrer Kameraden im Zweiten Weltkrieg.

Es war am 9. Mai 1945 um 3 Uhr morgens. Die deutschen Verbände, die bis Mitternacht bei Schiefenhorst ostwärts Danzig dem angreifenden Feind Widerstand geleistet hatten, zogen sich gemäß den Kapitulationsvereinbahrungen auf die rückwärtigen Weichseldämme zurück. Da griff in der Dunkelheit noch einmal ein sowjetischer Schlachtfliegerverband an und feuerte auf die marschierende Kolonne. Als der Spuk vorbei war und wir uns zum Weitermarsch ordneten, sahen wir unseren letzten Gefallenen. Er lag auf dem Rücken, der Bombensplitter hatte ihm den Leib aufgerissen. Es zeigte sich noch einmal das ganze grausame Bild des Krieges. Und es stellte sich uns die Frage nach dem Sinn des Sterbens des Soldaten nach Beendigung des Krieges, als doch die Waffen schweigen sollten. Damals fiel es auch unserem Truppengeistlichen schwer, über den Sinn dieses Sterbens nach Kriegsende die passenden Worte des Trostes zu finden.

Der alte Soldat denkt heute ähnlich wie damals im Jahre 1945 nach über den Sinn des Sterbens des Soldaten. Er sucht nach einer Antwort und sie will ihm nur schwer über die Lippen kommen. Ja, für Deutschland am Hindukusch, so muß der Minister es erklären. Und auch er ringt um die richtige Antwort auf eine schwierige Frage. Der alte Soldat hat damals nach dem Ende des Krieges den Sinn des Sterbens nicht verstehen können. Der Waffenstillstand war doch in Kraft getreten, und da machte das Sterben des Soldaten für sein Land doch keinen Sinn mehr.

Nun fällt es auch heute dem alten Soldaten schwer, dem Jüngeren den Soldatentod zu erklären, mitten im Frieden in einem fremden und fernen Land. Es wäre aber zu einfach und zu kurz gedacht, wenn nun gefordert würde, die Soldaten abzuziehen aus diesem fernen Land und zurückzuführen in ihre Heimat. Das wäre zu leicht gefordert und politisch nicht bedacht und auch nicht durchzuhalten. Zu bedenken bleibt, daß die Bundeswehr in Afghanistan als Teil der Nato im Verein mit den Truppen von rund 20 Nationen steht.

Zu bedenken ist, daß der Einsatz in Afghanistan nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2002 erfolgte, der die ganze zivilisierte Welt erschütterte und als von den Verbündeten der Nato-Fall erklärt wurde. So wäre es politisch zur Zeit nicht vertretbar, wenn die Bundesregierung unseren Soldaten in Afghanistan im Alleingang den Rückmarsch befehlen würde. Aber das kann nicht bedeuten, daß der Einsatz dort über unbegrenzte Zeit aufrechtzuerhalten wäre. Nein, politisches Handeln muß darauf ausgerichtet sein, den militärischen Einsatz in Afghanistan - so bald dies möglich ist - zu beenden. Die Devise also kann nicht sein, Abzug sofort. Vielmehr muß alles politische Handeln darauf ausgerichtet sein, den militärischen Einsatz zu beenden, so bald sich dafür die Möglichkeit ergibt. Dann aber sofort.

So schwer auch diese Feststellung dem Politiker wie dem Soldaten fällt, beide können die Zwänge des Bündnisses nicht ignorieren. Doch sei dem früheren Soldaten bei allem Zwang zur Zurückhaltung in politischen Fragen hier erlaubt zu mahnen, alles zu tun, was politisch möglich ist, um den Einsatz unserer Soldaten am Hindukusch zu beenden.

Doch vielleicht gehört dazu auch die Ermahnung der afghanischen Führung, mehr zu tun für den Frieden im Land, als die Entwicklung gelassen abzuwarten.

Vielleicht denkt der Soldat über diese Fragen ja doch anders als andere, die zwar große Verantwortung tragen, aber in ihrem Leben nie in die Mündung einer geladenen Maschinenpistole blicken mußten? Die - Gott sei es gedankt - zum Beispiel nicht unter feindlichem Beschuß ihr zerfetztes Bein bei Jassij 1944 abbinden mußten und seit dieser Zeit, seit 69 Jahren, nur mit einem Bein leben müssen.


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