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30.06.07 / Vaters Obsession / Sohn versucht, Familien-Alptraum zu ergründen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-07 vom 30. Juni 2007

Vaters Obsession
Sohn versucht, Familien-Alptraum zu ergründen

Das Hotel Angst in Bordighera an der italienischen Riviera, ein mondänes Grandhotel der Jahrhundertwende, in dem sich die sonnenbeschirmte Hautevolee einst die Klinke in die Hand gab, ist heute nur noch eine verfallene Ruine, deren Restaurierung sich der Vater des Erzählers zum Lebensziel gesetzt hatte. Eine Obsession, unter der seine Familie zeitlebens zu leiden hatte.

"Es war hoffnungslos. Dein Vater ließ sich von keinem Argument beirren. Er wehrte die Zweifel und Bedenken deiner Mutter nicht nur ab, sondern wandelte sie um in eine immer energischere Überzeugung. Alles, was gegen das Hotel sprach, sprach dafür ... Für deine Mutter wurden sie zu einem Alptraum, diese sechsten oder siebten Sommerferien in Italien. Deinen Vater gab sie verloren, zumindest für die Dauer eures Bordighera-Aufenthalts."

Nach dem Tod seines Vaters kehrt der Erzähler ein letztes Mal nach Bordighera zurück, beseelt von dem Wunsch, eventuell als Erwachsener endlich nachvollziehen zu können, was seinen Vater zu Lebzeiten an diesem Ort, welcher mittlerweile zu einem Senioren-Kurort geworden ist, und dem verrottendem "Hotel Angst" so fasziniert und gefesselt haben könnte.

"Du spazierst eine Weile durch die engen Gassen. Das alte Bordighera hat sich in all den Jahren kaum verändert, es ist noch immer eine Festung mit dicken Mauern, verstrebten, verwachsenen Bauten, keine separaten Häuser, sondern ein einziges Gehäuse ... Viele dieser Steine sind schon seit sechs, sieben Jahrhunderten an ihrem Platz. Doch es ist ein freundliches, mediterranes Mittelalter ..."

So in Gedanken versunken erlebt der Erzähler die Stadt, in der er während seiner Kindheit so oft Urlaub gemacht hat, noch einmal völlig neu.

Und auch das Gespräch mit dem wohlhabenden Investor Fechner, der mit seinem Vater den Umbau des Hotels besprochen und geplant hatte, gibt ihm das Gefühl, seinen Vater und dessen Wunsch erst jetzt erst nach seinem Tod kennen- und ansatzweise verstehen zu lernen.

"Der Anblick des Gebäudes gibt Fechner nachträglich recht. Es hätte nicht nur einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag gekostet, das Hotel wieder instand zu setzen ... Die terrakottafarbene Schrift auf dem wappenverzierten Giebel mit dem traurigen Dämon ist verwittert und verblaßt, der Name Angst läßt sich noch entziffern, doch die Narben und Risse im Putz sind unübersehbar ... Mehr denn je drängt sich dir der Verdacht auf, daß dein Vater zu keiner Zeit an einen modernen Gästebetrieb dachte, er wollte ein Hotel für die Vergangenheit."

Eine sehr gefühlsbetonte und pittoresque Erzählung, bei welcher der Autor John von Düffel dem Leser das Gefühl gibt, die warme Brise der Riviera auf der Haut zu spüren. Doch lastet auch eine gewisse Schwermut auf den Erzählungen des Sohnes, eine Melancholie aufgrund der Tatsache, nie den Versuch gestartet zu haben, die Ambitionen des Vater richtig zu verstehen, ihnen auf den Grund zu gehen.

Die Hintergrundgeschichte zum Hotel Angst, welcher der Erzähler bei seinen Nachforschungen auf die Spur kommt, ist dabei nicht weniger traurig und verleiht der gesamten Geschichte einen Hauch von Mystik. A. Ney

John von Düffel: "Hotel Angst", dtv, München 2007, 107 Seiten, 7,50 Euro, Best.-Nr. 6230


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