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30.06.07 / "Hallo?" / Unterschied der Geschlechter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-07 vom 30. Juni 2007

"Hallo?"
Unterschied der Geschlechter
von Helga Licher

Mein Mann hat es schon immer geahnt. Frauen telefonieren für ihr Leben gerne und benutzen dabei vorwiegend ein Handy. Er zeigt auf einen Artikel in der Tageszeitung.

"Eine Studie beweist", sagt er, "Frauen telefonieren durchschnittlich zwölf Minuten pro Gespräch, Männer dagegen nur sieben Minuten." Ich muß ihm energisch widersprechen. Ich besitze seit etwa drei Jahren ein sogenanntes "stummes Handy". Das heißt, mein Handy klingelt eigentlich nie. Ich kann auf meinem Handy einen Kalender mit meinen Terminen füttern, ich kann ankommende E-Mails abrufen und mich von meinem Handy morgens wecken lassen, aber es weigert sich konsequent zu klingeln. Warum nur will keiner mit mir sprechen? Wenn ich Bekannte auf der Straße oder im Supermarkt treffe, gibt es tausend Dinge, die unbedingt beredet werden müssen. Ich breche diese Unterhaltungen meistens mit der Bemerkung ab: "Du kannst mich ja anrufen, jetzt habe ich es eilig ..."

Doch leider kommt niemand dieser Aufforderung nach. Mein Mann meint, ich müsse zuerst jemanden anrufen, dann bekäme ich auch einen Rückruf. Gesagt - getan. Wahllos wähle ich eine Nummer aus dem Telefonbuch und unterhalte mich eine Weile mit der netten Dame von der Zeitansage. Als ich nach 30 Minuten auflege, bin ich nicht sicher, ob sie sich meine Handynummer gemerkt hat. Für die Jugend von heute ist nicht nur das neuste Handymodell Pflicht, sondern mindestens genau so wichtig ist der richtige Klingelton. Man hört die verrücktesten Klingelgeräusche. Als ich neulich einen Zahnarztbesuch wahrnehmen mußte, erschrak ich fürchterlich, als bei einer sehr schmerzhaften Wurzelbehandlung plötzlich Hans Albers hinter mir stand und "Good bye, Jonny ..." in mein Ohr sang. Vielleicht lag es an der leichten Narkose, aber ich begriff nur sehr langsam, daß es nur das Handy meines Zahnarztes war, was sich auf diese Weise bemerkbar machte.

Ob ich im Bus sitze oder in der Eisdiele, überall klingeln Handys, nur bei mir nicht. Langsam bekomme ich das Gefühl, ein gesellschaftlicher Außenseiter zu sein. Wer heutzutage ohne Handy am Ohr unterwegs ist, wird definitiv komisch angesehen. Und da ich nicht komisch angesehen werden will, halte ich mir mein Handy manchmal nur so, ohne zu telefonieren, ans Ohr. Nachdem ich jedes Mal in Erklärungsnot kam, wenn mein Mann mich fragte, mit wem ich denn telefoniere, gab ich diese Pseudo-Gespräche auf.

Ich hätte mich ja längst endgültig von meinem Handy getrennt, aber immer wenn ich das Ding in meiner Nachtschrankschublade versenken will, kommt mein Mann mit seinem Notfall-Argument. "Es könnte ja sein, daß du auf der Autobahn eine Panne hast, oder in eine unbeschilderte Baustelle fährst ...", sagt er und stopft das Handy wieder in meine Handtasche.

Doch, Sie werden es nicht glauben, gestern Abend geschah etwas Sensationelles. Ich las gerade einen spannenden Bericht in der Zeitung, da piepte es auf einmal neben mir auf dem Sofa. Völlig überrascht drehte ich mich um und betrachtete erstaunt das blinkende Display meines Handys. Ich konnte es kaum fassen, irgend jemand rief mich an.

Ganz behutsam nahm ich mein Handy ans Ohr und flüsterte erwartungsvoll meinen Namen. Es dauerte eine Weile, dann sagte eine Stimme: "Falsch verbunden ..."


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