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14.07.07 / Zurück zum Glaskasten? / Berlins neue Senatsbaudirektorin Lüscher setzt auf die Irrwege der abgelebten "Moderne"

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-07 vom 14. Juli 2007

Zurück zum Glaskasten?
Berlins neue Senatsbaudirektorin Lüscher setzt auf die Irrwege der abgelebten "Moderne"
von Peter Westphal

Vergangene Woche hat das Bundeskabinett grünes Licht gegeben für den Baubeginn zur formalen Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses ab 2010. Zwar muß der Bundestag den Beschluß im September noch bestätigen, doch Widerstand ist von dort nicht zu erwarten.

Anders sieht es da in Detailfragen aus, die vor allem durch den anstehenden Architektenwettbewerb im Spätherbst dieses Jahres beantwortet werden müssen. Denn während festgelegt ist, die Kuppel wieder aufzubauen, die Nord-, Süd- und Westseite des Stadtschoß-Neubaus nach dem Vorbild der von Andreas Schlüter entworfenen Barockfassaden wiederzuerrichten, ist offen, was mit der Ostseite, dem ursprünglichen Renaissanceflügel, geschehen soll. Dessen Wiederherstellung wäre zweifellos ein Glücksfall für Berlin.

Wahrscheinlicher scheint indes die Vision von DDR-Nostalgikern. Dann würde die Außenfront womöglich an den "Palast der Republik" erinnern. Denn laut Ausschreibung soll am 480 Millionen Euro teuren Bau auch die wechselvolle Geschichte des Ortes "ablesbar" sein. Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) verwies diesbezüglich auf den Volkskammersaal, in dem 1990 das erste und letzte frei gewählte DDR-Parlament den Beitritt zur Bundesrepublik beschlossen hatte.

Zu entscheiden sein wird darüber hinaus die Frage, ob einzelne Innenräume des Schlosses wiedergewonnen werden können. Dazu zählt der "Weiße Saal", der Repräsentationsraum schlechthin des einstigen Stadtschlosses. Dieser war nach 1945 bis zur Sprengung durch die Sozialisten 1950 besser erhalten gewesen als das Charlottenburger Schloß.

Verknüpft mit dem Schicksal der wiedererstehenden Stadtschloß-Kubatur ist zudem das der "Langen Brücke". Diese, bekannt auch als Königs- oder Kurfürstenbrücke, verbindet das Nikolaiviertel mit dem Schloßplatz. Da sie zum integralen Bestandteil des Stadtschloß-Ensembles gehörte, läge die historische Rekonstruktion nahe.

Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die Geschichte des von Andreas Schlüter geschaffenen Reiterstandbilds des Großen Kurfürsten. Auf der Brücke thronend hatte dieser, der Kurfürst Friedrich Wilhelm, auf sein eigenes Schloß geblickt. Vor Kriegsende 1945 waren dann sämtliche Figuren der Schloßbrücke auf einen Kahn verladen worden, der - aus Schutz vor Splitterbomben - in der Havel auf Grund gelegt wurde. Dort, im Westteil der Stadt, hatte man das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten geborgen und schließlich vor dem Charlottenburger Schloß aufgestellt. Seiner Repatriierung nach Berlin-Mitte steht allerdings die Absicht des Berliner Senats entgegen. Dieser folgt der technokratischen Position des Wasser- und Schiffahrtsamtes des Bundes, der zufolge Brückenbauten in der Stadt ohne Mittelpfeiler auszukommen haben.

Indem der Senat gegenwärtig Verträge mit Firmen abschließt, um im Januar 2008 an dieser Stelle einen modernen Brückenbau zu errichten, ignoriert er das parlamentarische Votum zur Wiedergewinnung des historischen Schloßensembles. Denn dem Neubauvorhaben zugrunde liegt ein Wettbewerb von 1998/99, als der Bundestagsbeschluß zur Rekonstruktion des Berliner Schlosses noch nicht absehbar war.

Dagegen an kämpft mit einer Unterschriftensammlung der Verein "Forum Stadtbild Berlin" (www.Stadtbild-Berlin.de). Unterstützt wird es von der deutschen Sektion INTBAU e.V. (www.intbau.de), einem globalen Netzwerk, das sich für traditionelle Architektur einsetzt und das versucht, den Auswüchsen ideologischen Städtebaus entgegenzuwirken. Internationaler Schirmherr des Vereins ist Prinz Charles von England.

Dessen Landsmann, der Architekt David Chipperfield, ist indessen Prototyp der ideologischen "Moderne", die ja selbst inzwischen Geschichte ist. Gegen seinen Entwurf für den Eingangsbereich der Museumsinsel, vor dem Neuen Museum, hatte sich ein breites Bürgerbündnis mit dem Antrag auf ein Volksbegehren gewehrt (www.ahme.de) - und einen Teilerfolg erzielt. Denn der gescholtene Architekt mußte seinen ersten Entwurf, von Kritikern als "Schneewittchensarg" verspottet, durch einen zweiten ersetzen.

Für die Bürgerinitiative um Annette Ahme sind damit aber längst nicht alle Fragen beantwortet, im Gegenteil, sie fordert eine echte Bürgerbeteiligung und verlangt deshalb eine Eins-Zu-Eins-Simulation vor Ort. Diese, getragen von Gerüststangen, sei nicht teuer und schnell realisierbar. Dabei verweist sie auf das Vorbild Schweiz.

Und das Alpenland ist gar nicht so weit. Denn seit März dieses Jahres bekleidet das Amt des Berliner Senatsbaudirektors die eidgenössische Architektin Regula Lüscher. Eigentlich heißt sie Lüscher-Grüm. Doch klammheimlich hat sie den zweiten Namen, den ihres Ehemanns, getilgt. Mit diesem zusammen hatte sie ein Architekturbüro geführt.

Ein Blick auf dessen Entwürfe lehrt die Traditionalisten in Berlin das Fürchten. Sie befürchten einen Paradigmenwechsel, weg von der bewährten urbanen Blockrandbebauung des Senatsbaudirektors Hans Stimmann, der vergangenen Herbst in den Ruhestand ging, hin zur modernistischen Innenstadtzerstörung.

Denn unter Lüscher, die sich bemerkenswerterweise einen Berater aus der Schweiz geholt hat, wurde jetzt ein erster Architekturwettbewerb entschieden, für ein Stadthaus am Hausvogteiplatz in Berlin-Mitte. Gewonnen hat ein Schweizer Architektenbüro - und zwar mit einem Entwurf im Stile der von Stimmann bekämpften gesichtslosen Moderne.


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