28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.07.07 / Makedonien als "Mehrwert" für die EU / PAZ-Autor Wolf Oschlies im Gespräch mit Staatspräsident Branko Crvenkovski und Außenminister Antonio Milososki

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-07 vom 14. Juli 2007

Makedonien als "Mehrwert" für die EU
PAZ-Autor Wolf Oschlies im Gespräch mit Staatspräsident Branko Crvenkovski und Außenminister Antonio Milososki

PAZ: Herr Präsident, Makedonien hat mit dem Ohrid-Abkommen von 2001 akute Minderheitenprobleme aus der Welt geschafft. Wie hat sich die Lage seither entwickelt?

Crvenkovski: Makedonien war 2001 mit der Gefahr eines interethnischen Kriegs konfrontiert, aber es hat sich damals als atypisches Beispiel für den Balkan gezeigt. Anderswo - etwa in Bosnien, Kroatien oder im Kosovo - wurde erst Krieg geführt, dann verhandelt. Wir haben uns gleich an den Verhandlungstisch gesetzt, einen politischen Vertrag ausgehandelt und so den drohenden Krieg verhindert. Durch diesen Vertrag haben wir neue Werte in unserer Verfassung und politischen Ordnung verankert, nämlich allen das Gefühl der Gleichheit und Gleichberechtigung vermittelt, unabhängig von ihrer ethnischen oder konfessionellen Zugehörigkeit. Und wir bewiesen, daß so etwas möglich und durchführbar ist. In den vergangenen sechs Jahren hat es in Makedonien keine Spannungen oder Zwischenfälle im Verhältnis zu den ethnischen Minderheiten gegeben.

PAZ: Ihr Vorgänger Boris Trajkovski (am 26. Februar 2004 bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen) sagte in seinem letzten Interview, daß ab dem Moment der offiziellen Bewerbung Makedoniens um eine EU-Mitgliedschaft es von den Makedonen allein abhängen werde, ob sie sich dafür reif und fähig erweisen werden. Haben sie sich erwiesen?

Crvenkovski: Wenn man von heute zurückblickt, dann hat sich diese Aussage des früheren Präsidenten Trajkovski als zu optimistisch herausgestellt. Die Dinge haben sich inzwischen verändert, und von uns Makedonen hängt nicht mehr alles allein ab. Die neuerliche Verfassungsdebatte innerhalb der EU hat eine Situation geschaffen, daß nämlich zahlreiche EU-Mitglieder skeptisch auf eine neuerliche EU-Erweiterung blicken. Was uns aufs höchste besorgt macht, ist die Möglichkeit - und die besteht auch für andere Länder des West-Balkans -, daß wir zwar alle Bedingungen für einen EU-Beitritt erfüllen, aber dennoch keine Erlaubnis zum Beitritt bekommen werden

PAZ: Könnte das makedonische Prinzip, die Wahrung des inneren Friedens als Voraussetzung für äußere Sicherheit zu behandeln, Makedoniens EU-Bewerbung Gewicht verleihen? Als Beispiel für balkanische Problemlösung?

Crvenkovski: Das ist völlig richtig! Die EU steht heute vor einer neuen Herausforderung, die derjenigen gleicht, die vor 50 Jahren bestand, also in den Anfängen der europäischen Integration. Die Gegenwart hat völlig neue globale Verhältnisse in der Welt geschaffen, was auch eine Herausforderung für die EU darstellt. Wenn die EU im globalen Rahmen mit den USA, der Russischen Föderation, China konkurrieren möchte, dann muß sie im eigenen Inneren neue Mechanismen der Beschlußfassung und der Umsetzung von Beschlüssen schaffen, vor allem, was Sicherheit und Außenpolitik angeht. Darin besteht die Herausforderung, und ich kann nur hoffen, daß die heutigen EU-Politiker genügend Entschlossenheit und Visionen haben, um damit zurechtzukommen. Was nun den West-Balkan betrifft, so kann die EU nicht dagegen sein, daß alle Länder dieser Region ihren Platz in der Integration finden. Die vergangenen 15 Jahre, vor allem die Kriege in Ex-Jugoslawien, haben doch offenkundig gemacht, daß es im Interesse der EU selber liegt, präventiv zu wirken.

PAZ: Herr Minister Milososki, Ihre politische Konzeption zielt auf eine möglichst enge Zusammenarbeit mit Deutschland ab. Was verbindet Sie persönlich mit unserem Land?

Milososki: Mich verbinden viele Freundschaften, gute Kontakte und ein politologisches Studium in Bonn, das mir bei meiner Karriere daheim sehr zugute kam. Fast fünf Jahre war ich mit meiner Frau hier und habe mich wie zu Hause und unter Freunden gefühlt. Das ist ein Kapital, das mich motiviert, die Beziehungen zu Deutschland mit erster Priorität zu behandeln. Dazu rät schon die Wirtschaft, denn Deutschland ist einer unserer wichtigsten Außenhandelspartner, und weil Politik und Wirtschaft Hand in Hand gehen, müssen wir das nutzen, um unser gegenseitiges Verhältnis weiter zu vertiefen.

PAZ: Im April 2001 wurde Makedonien von der EU mit dem ersten balkanischen Vertrag für Assoziierung und Stabilisierung ausgezeichnet. Inzwischen haben wir 2007. Hat es nach dieser ersten weitere "Auszeichnungen" gegeben?

Milososki: Gewiß doch! Wir bekamen den offiziellen Kandidatenstatus für den EU-Beitritt. Wie ich immer symbolisch sage, sind wir mit der EU "verlobt" und warten auf einen Termin für den Beginn konkreter Beitrittsverhandlungen - oder (um im Bild zu bleiben) auf einen "Hochzeitstermin". Das fassen wir nicht als Geschenk auf! Wir glauben an uns und halten uns für fähig, alle damit verbundenen Verpflichtungen erfüllen zu können, und erwarten dafür eine Bestätigung.

PAZ: Direkter Nachbar Makedoniens ist das Kosovo, um dessen finalen Status derzeit größere politische Aktivitäten laufen. Im Gespräch sind zahlreiche Alternativen. Ist Makedonien auf alle Eventualitäten vorbereitet?

Milososki: Wir beteiligen uns nicht an der Debatte um den finalen Status des Kosovo. Unsere prinzipielle Position ist, das jedweder finale Status besser als die gegenwärtige Lage sein wird. Der momentane Status quo bringt immer neue Risiken, während eine Statusentscheidung jedem Beteiligten die Verpflichtung auferlegt, zu mehr Sicherheit in der Region beizutragen. Makedonien müht sich, ein freundschaftliches Klima und ein normales Verhältnis zu Prishtina zu schaffen, ohne dabei seine guten Beziehungen zu Belgrad zu vernachlässigen.

PAZ: Ist es für Sie ein Problem, daß die kosovarischen Politiker behaupten, die Grenze zu Makedonien sei noch nicht endgültig markiert?

Milososki: Das ist ein Problem für diejenigen, die so etwas behaupten. Jetzt ist Kosovo am Zug, und seine Politiker müssen beweisen, daß sie für Demokratie und für die Übernahme internationaler Verpflichtungen reif sind. Diese Verpflichtungen müssen sie dann erfüllen, um zu beweisen, daß ihre Gemeinschaft oder Entität fähig ist, im Einklang mit internationalen Prinzipien und Normen zu leben. Ich meine, für das angesprochene Grenzproblem werden wir eine Lösung finden und sie optimal umsetzen.

PAZ: Wie erklären Sie sich das Paradoxon, daß Griechenland gleichzeitig der größte Investor in Makedonien und das größte Hindernis für dessen internationale Anerkennung unter seinem eigenen Staatsnamen ist? Das betrifft den Streit um den Namen "Former Yugoslav Republic of Macedonia" (FYROM). Für einen Streit wie für die Liebe sind doch zwei nötig, aber wo ist eigentlich der zweite Teilnehmer an diesem Streit?

Milososki: Es ist wirklich ein Paradoxon: Einerseits hervorragende ökonomische Beziehungen zu Griechenland, andererseits dessen irrationale Gegnerschaft gegen unseren legalen Namen Makedonien, unter welchem wir bereits von 116 Staaten in der Welt anerkannt sind. Da haben die Griechen ein Problem geschaffen, das sie selber ausräumen müssen. Langsam finden sie zu einem Realitätssinn, glauben sich aber immer noch zur Gesichtswahrung verpflichtet. Wir möchten ihnen gern entgegenkommen, jedoch nicht um den Preis unserer nationalen Identität.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren