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14.07.07 / Tödliche Liebe / Ein alter Hamilton-Krimi neu entdeckt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-07 vom 14. Juli 2007

Tödliche Liebe
Ein alter Hamilton-Krimi neu entdeckt

Biertrinker und Melancholiker sollten unbedingt zu diesem Buch greifen. Sie werden begeistert sein. Geben wir es zu: Der Blick des Rezensenten fiel zunächst auf das Titelbild. Dort findet sich eine Dame mit Handschuhen, die fast bis zum Ellbogen reichen. Trotz der "Park Avenue"-Fotos der CSU-Rebellin Pauli wissen wir, daß dies durchaus erotisch und lasziv wirken kann. Der Name des Autors Patrick Hamilton und der Titel "Hangover Square" sagten dem Rezensenten zunächst nichts. Doch der Klappentext verrät, daß Hamilton der Verfasser der Theaterstücke "Gaslicht" (verfilmt mit den Darstellern Charles Boyer, Ingrid Bergman und Joseph Cotten) und "Cocktail für eine Leiche" (Regie Alfred Hitchcock) ist.

Wer war Patrick Hamilton? Stöbert man ein wenig im Netz herum, so erfährt man, daß er am 17. März 1904 geboren wurde und am

23. September 1962 verstarb. Schon sein Vater war dem Alkohol zugetan. Patrick sollte in die gleiche Kerbe schlagen und starb an Leberzirrhose und Nierenversagen. Einer der talentiertesten Schriftsteller Großbritanniens hatte sich von früh an zu Tode gesoffen. In "Hangover Square" wird ebenfalls eine Menge getrunken. Der traurige Protagonist George Harvey Bone kippt vorzugsweise Bier in sich hinein - von morgens bis abends. Eigentlich ist er ein Ritter von der sehr traurigen Gestalt. Er ist in die Möchtegern-Schauspielerin Netta Longdon vernarrt, die zwar unübersehbar attraktiv, aber auch böse ist. Außer ihrem guten Aussehen hat sie nichts, was einen Mann reizen könnte. Sie hat kein Talent, sie ist nicht loyal, sie geht mit Männern nur aus Berechnung ins Bett. Bone hingegen kuschelt lediglich mit einer Hotelkatze.

Die Liebe ist rational nicht zu ergründen. Und das ist auch gut so. Wie gesagt, derjenige, der kein Gespür für Trübsinn, ein gelegentliches Gläschen und die Abgründe der menschlichen Seele hat, sollte besser die Finger von diesem Buch lassen. Der Roman spielt am Vorabend des Zweiten Weltkriegs im London des Jahres 1939. Immer mehr wird die beruflich erfolglose Netta zur Obsession des "Helden", der sich von ihr nach Strich und Faden ausnehmen läßt. Sie betrügt ihn und treibt ihn dazu, zu trinken, weil er liebt. Zwischendurch macht es in seinem Kopf "Klick", dann ist Bone weggetreten und wird vollends zum tumben Tor. Mordphantasien gewinnen zusehends die Oberhand, und es ist klar, daß diese Geschichte für Netta und ihren Verehrer nicht gut ausgehen wird. Wie übrigens die politische Geschichte im Hintergrund auch nicht. Bone ist der einzige, der nicht für Hitler schwärmt, während das Urteilsvermögen der schönen Schauspielerin und ihrer Kumpane deutlich eingeschränkter ist. Die finden die Faschisten schick.

Doch die Politik spielt hier nur eine (nicht unwichtige) Nebenrolle. Wir verfolgen gebannt den Weg ins Verderben, den Bone beschreitet. Leser, die vor allem auf äußere Handlung erpicht sind, werden enttäuscht werden. Denn so viel passiert nach außen hin nicht. Der Hauptakteur läßt sich scheinbar ziellos treiben. Außer Trinken, Zeitung lesen, Spazierengehen und Trübsal blasen macht er eigentlich nichts. Außer lieben und schmachten. Er hat keinen Ehrgeiz und will nichts erreichen im Leben. Er vertrödelt seine Zeit, denn er "wollte nichts, außer Netta". Diese Verbohrtheit und Vernarrtheit läßt sich nicht kurieren. George Harvey Bone ist unheilbar liebeskrank. Und wir, die Leser, sind dankbar, daß wir an seinem Schicksal teilhaben dürfen. A. Lange

Patrick Hamilton: "Hangover Square", Suhrkamp, Frankfurt / M. 2007, 381 Seiten, 12 Euro, Best.-Nr. 6252


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