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14.07.07 / Elche, Elche über alles / Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild hat das ostpreußische Wappentier zum "Tier des Jahres" gekürt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-07 vom 14. Juli 2007

Elche, Elche über alles
Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild hat das ostpreußische Wappentier zum "Tier des Jahres" gekürt
von Heinz J. Will

An allen Ecken findet man sie nicht, oft muß man stundenlang, manchmal auch tagelang nach ihnen suchen, doch ein Erfolg ist trotz aller Anstrengungen und Mühen nicht garantiert, und auch die größte Ausdauer bei der Spurensuche zeigt nicht das so sehr gewünschte Ergebnis. Das ist wohl jedem Jäger mit Büchse oder Kamera durch eigene Erlebnisse bekannt, der auf die Pirsch geht, um durch Wildbret für das Essen der Sippe zu sorgen, oder der eine gewaltige Elchschaufel als Jagdtrophäe ersehnt oder der solch phantastische und dramatische Fotos mit der Kamera "schießen" möchte, wie es Martin Kakies gelang.

Aber plötzlich steht einer der gesuchten Kolosse dann doch vor dir, aufgetaucht aus dem schieren Nichts, ohne daß du es gemerkt hättest, und schaut dich ruhig, stumm und starr an, so als wollte er dir die nötige Zeit lassen, ihn in deine wirbelnde Gedankenwelt aufzunehmen, seinen Kinnbart zu bemerken und die gewaltigen Geweihschaufeln zu bewundern. Was gerade in seinem ramsnasigen Kopf vor sich geht, kannst du nicht wissen, aber du meinst doch, daß er dich studiert. Gerade willst du die Spitzen seiner riesigen Schaufel zählen, da dreht er sich plötzlich um, schreitet in die Büsche, die hinter ihm zuschlagen wie die Tür seines unendlich weitläufigen Hauses unter einem hohen Himmelszelt. Und dann stehst du da und bemerkst zu spät, daß du vergessen hast, den Auslöser deiner neuen, extra für diesen Augenblick gekauften Digitalkamera mit 10 Millionen Pixel zu drücken. Diesen "Elchtest" wirst du sicherlich nicht vergessen.

Die Elche gab es in Ostpreußen schon, als die Pruzzen noch allein die Wälder durchstreiften und noch keine Ritter des Deutschen Ordens vom Papst den Auftrag hatten, das Christentum in diesem Elchland zu verbreiten. Ins römische Reich waren zwar schon Berichte über ein solches Fabeltier vorgedrungen, doch dieses sollte keine Kniegelenke haben und mußte sich zum Schlafen stehend gegen starke Bäume lehnen. Erst Sebastian Münster hat in seinem Buch "Von den teutschen Landt" im Jahre 1544, also im Gründungsjahr der Königsberger Universität, mit dieser Mär aufgeräumt und eine verläßliche Beschreibung mit Abbildung veröffentlicht. Im 19. und 20. Jahrhundert waren in Deutschland die Standorte Kurische Nehrung und das Elchrevier, speziell der Ibenhorster Forst, für wild lebende Elche bei Jägern und Touristen berühmt. Es war ja auch in einem Badeort wie Schwarzort oder Sandkrug auf der Kurischen Nehrung ein "Mega-Event" - wie mancher solch ein ungewöhnliches Ereignis heute zu nennen beliebt -, wenn ein aus Berlin, München oder auch Düsseldorf angereister "Sommerfrischler" als ersten Badegast einen ausgewachsenen Elch, aus den Fluten steigen sah. Der Elch hat bis heute seine Lebensgewohnheiten beibehalten, auch wenn er nach Kriegsende von Wilderern mit und ohne Uniform fast ausgerottet wurde.

Der Elch hat in Ostpreußen eine starke Ausstrahlung gehabt und dies ist auch heute noch in der Bundesrepublik und darüber hinaus bis in alle Ecken der Erde spürbar. Wenn im Reit- und Pferdesport bei internationalen Turnieren um die ersten Plätze gekämpft wird, sind die Pferde mit der Elchschaufel - die Trakehner - immer dabei und sind somit die beste Werbung für Deutschland im allgemeinen und Ostpreußen im besonderen. Die Elchschaufel ist in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg auch zum allgemeinen Symbol für die Ostpreußen und deren Vereine geworden. Unter Philatelisten sind Elchmotive bliebt, nicht nur aus Schweden und Kanada, sondern auch aus Ostpreußen.

Bei dieser Wertschätzung des Elches konnte es gar nicht ausbleiben, daß er auch als bronzenes Standbild ein Stadtbild schmücken würde. Zuerst war Gumbinnen an der Reihe, wo im Jahre 1912 der von dem Bildhauer L. Vordermayer geschaffene Elch gegenüber dem Hotel Kaiserhof aufgestellt wurde. Der zweite Bronzeelch wurde im Jahre 1928 in Tilsit aufgestellt. Beide Elche wurden zu beliebten Treffpunkten der Bevölkerung, und von den vielen Besuchern dieser Städte wurden die überlebensgroßen Bronzetiere bestaunt. Beiden Elchen erging es wie vielen Ostpreußen selbst, sie wurden bei Kriegsende beschossen, erschossen, verstümmelt, verstoßen, in den Graben geworfen und verschleppt. Sowohl der Tilsiter als auch der Gumbinner Bronzeelch entkamen nur knapp dem Schmelzofen und wurden später in den Königsberger Zoo eingeliefert. Nach über 50 Jahren haben doch viele der jetzigen Einwohner dieser Städte der deutschen Vergangenheit einige positive Aspekte abgewonnen und daraus ist eine echte Bewegung "Wir wollen unseren Elch wiederhaben" entstanden. Diese Initiative hat so viel Schwung und Energie entwickelt, daß beide Elche in ihre Stadt zurückkehren konnten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Rahmen der Patenschaften für Gumbinnen und Goldap in Bielefeld und in Stade aus Erinnerung und Sympathie für die heimatvertriebenen Menschen bronzene Elchdenkmäler aufgestellt.

Der Elch hat auch viele Künstler so sehr beeindruckt, daß sie sich über Jahre mit ihm beschäftigten und manchmal sogar ein ganzes leben lang, wie etwa die Maler Kallmeyer, Friese, Bischoff und Rungius oder die Bildhauer Nebel und Vordermayer. Die durch das Engagement des deutschen Kaisers berühmt gewordene Cadiner Majolikafabrik hat ebenfalls mehrere Elchskulpturen geformt, die heute begehrte und wertvolle Sammlerstücke sind und auf Auktionen Höchstpreise erzielen.

Ich selbst habe mich immer wieder mit dem Elch und seiner Symbolik für Ostpreußen beschäftigt und während des Düsseldorfer Ostpreußentreffens 1994 meinen Elch "PRUZZO" mit der unverwechselbaren Ostpreußenschaufel vorgestellt. Aber auch Dichter und Komponisten wie Brust, Kudnig und Eichen haben ihre Energie in dieses Thema investiert. Allen zusammen ist es gelungen, den Elch, der ja so stark und groß und mächtig ausschaut, jedoch an dem winzigen Insekt Rachenbremse elendig zugrunde gehen kann, als ostpreußisches Charaktertier darzustellen.

Obwohl heute in Bundesrepublik Deutschland keine Elche mehr in freier Wildbahn leben - auch wenn nach neuesten Berichten vereinzelt Elche westlich der Oder gesehen sein sollen - und nur hier und da in Zoos und Wildgehegen zu finden sind, ist die Erinnerung daran geblieben, daß der Elch zum heimischen Wild gehörte, denn zwischen Aalen, Reutlingen und Stuttgart in Württemberg über Berlin, Hamburg, Leipzig in Sachsen oder Fulda in Hessen bis zu vielen Orten in NRW, wie Viersen, Hamm, Dortmund oder Bochum, sind Straßen mit dem Namen "Elchweg", "Elchdamm", "Elchgraben", "Elchbogen" und "Elchtränke" zu finden.

Durch die Schutzgemeinschaft "Deutsches Wild" ist nun dem Elch die Ehre zuteil geworden, ein ganzes Jahr lang als das "Tier des Jahres" durch die deutschen Lande zu streifen. Dies zeugt davon, daß seine herausragende Stellung unter den Hirscharten anerkannt wird.


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