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21.07.07 / Rußland macht die Tür zu / Mit Aufkündigung des KSE-Vertrages verliert der Westen wichtige Kontrollrechte, aber der Kreml rüstet auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-07 vom 21. Juli 2007

Rußland macht die Tür zu
Mit Aufkündigung des KSE-Vertrages verliert der Westen wichtige Kontrollrechte, aber der Kreml rüstet auf
von Klaus D. Voss

Die Nato-Staaten gaben sich überrascht und betroffen, aber sie hatten das Unheil kommen sehen - nicht erst seit April. Mit dem "blauen Brief" aus Moskau ist der KSE-Abrüstungsvertrag außer Kraft gesetzt. Die Nato-Führung beklagt weniger, daß es Rußland gelungen ist, eine Debatte - etwa in Deutschland - mit der Angst vor einem neuen Rüstungswettlauf zu zünden. Das Bündnis verliert entscheidende Kontrollmöglichkeiten bei russischen Rüstungsprojekten.

Die Aussetzung des KSE-Vertrages, der das Gleichgewicht bei konventionellen Waffen in Europa regeln soll, war von russischer Seite mehrfach angedroht worden, allerdings mit stark variierenden Begründungen. Zunächst hatte Rußland den Vertrag zur Disposition gestellt, weil die baltischen Nato-Staaten und die Slowakei ihm nicht beitreten wollten. Dann, im Frühjahr auf dem Münchner Sicherheitskongreß, hatte Staatspräsident Wladimir Putin die amerikanischen Pläne, einen Raketenabwehrschild mit Stützpunkten in Polen und Tschechien zu errichten, in den Mittelpunkt gestellt.

Der KSE-Vertrag von 1990 war das Endergebnis jahrzehntelanger, aber erfolgloser Abrüstungsverhandlungen in den Zeiten des Kalten Krieges. Erst nach dem Fall der Mauer hatten sich der Westen und damals noch die Sowjetunion unter Michail Gorbatschow auf Obergrenzen bei fünf entscheidenden Waffengattungen geeinigt: schwere Panzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, schwere Artillerie, Kampfflugzeuge und Angriffshubschrauber.

1999 sollte der KSE-Vertrag an die neuen Verhältnisse angepaßt werden - dazu gehörten auch die Aufgliederung der Sowjetunion in Nachfolgestaaten sowie die Nato-Osterweiterung. Dazu kam es aber nicht. Moskau hatte das Vertragswerk zwar mit fünf Jahren Verspätung ratifiziert, die Nato-Staaten aber nicht. Das zweite KSE-Abkommen liegt auf Eis, bis Rußland seine Truppen aus Georgien und Moldawien abgezogen hat, so die Forderung des Westens.

Seit dem 11. September 2001 war der KSE-Vertrag in der weiter gültigen Fassung von 1990 im Westen nur noch bedingt von Bedeutung. Unter den Herausforderungen durch islamistische Terroristen hatte sich die Militärdoktrin schlagartig geändert - jetzt will die Nato ihre Verteidigungskraft in hochmobilen, weltweit einsetzbaren Kampfgruppen konzentrieren. Die 20000 schweren Kampfpanzer der alten Landarmee zum Beispiel, die nach dem KSE-Vertrag gestattet wären, sind da nur noch ein Klotz am Bein.

Ganz anders die Lage in Rußland: Die geopolitische Lage hat sich seit 2001 eher verschärft. Moskau braucht nach wie vor starke Streitkräfte in herkömmlicher Bewaffnung, um seine langen Grenzen und seine Einflußzonen zu sichern.

Und Rußland muß zugleich seine extrem rückständigen Streitkräfte dringend modernisieren - um mit modernen Armeen Schritt halten zu können. Der Kreml hat nach Einschätzungen aus dem Westen das ehrgeizigste Rüstungsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg aufgelegt, finanziert mit den Milliarden aus dem Gas- und Ölgeschäft. Rußland selbst gibt an, daß sich die Rüstungsausgaben zwischen den Jahren 2000 und 2006 vervierfacht haben.

Zu den neuen Rüstungsprojekten gehört auch das neue Satelliten-Navigationssystem Glonass, unerläßlich für den Einsatz von konventionellen Präzisionswaffen, sowie die bereits getesteten Kurz- und Langstreckenraketen vom Typ Iskander-M und RS-24.

Und das alles ohne Einblicke der Nato: Denn mit dem Moratorium des KSE-Vertrages setzt Moskau auch die letzte noch praktizierte Vereinbarung außer Kraft - den seit 1990 geltenden Anspruch auf gegenseitige Information über Waffensysteme und die Inspektionsrechte bei den Streitkräften: Rußland macht dem Westen die Tür jetzt endgültig zu.


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