25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.07.07 / Brüskiert der Papst die Protestanten? / "Keine Kirche im eigentlichen Sinne", so das Urteil des Vatikans über die evangelischen Christen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-07 vom 21. Juli 2007

Brüskiert der Papst die Protestanten?
"Keine Kirche im eigentlichen Sinne", so das Urteil des Vatikans über die evangelischen Christen
von Friedrich Aschoff

In dem Papier "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten der Lehre über die Kirche" hat der Vatikan noch einmal klargestellt, daß die katholische Kirche den evangelischen Kirchen keinen Kirchenstatus zuerkennt. Die Äußerung ist bei den deutschen Landeskirchen auf breite Kritik gestoßen.

Das neue Dokument aus Rom hat erwartungsgemäß für große Aufregung gesorgt und Unverständnis hervorgerufen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Wolfgang Huber sprach von einer Brüskierung der Protestanten. Dabei wiederholt das Lehrschreiben nur die längst bekannten Positionen der römisch-katholischen Kirche. Schon im Jahr 2000 habe ich in Rom aus dem Munde von Kardinal Edward Idris Cassedy, dem Vorgänger von Kardinal Walter Kasper und damals zuständigen Mann für die Einheit der Kirchen, bei einer Audienz fast wörtlich die gleiche Botschaft gehört: "Nach römisch-katholischen Verständnis fehlen den Evangelischen einige Merkmale für Kirchesein, vor allem die Apostolische Sukzession im Weihesakrament." Diese Aussage, die später im Lehrschreiben "Dominus Jesus" wiederholt und ausgeführt wurde, hat uns damals erstaunt und enttäuscht. Was nun wiederholt wurde, ist die altbekannte römisch-katholische Position, die - wie Kardinal Lehmann zugibt - "in ihrer Knappheit und Kürze hart erscheint". Wir sollten sie auch als solche Position hören und zur Kenntnis nehmen und vielleicht auch als Anfrage an unser kirchliches Leben ansehen.

Hören wir es darum zuerst einmal als Stimme unserer Schwesterkirche, ohne es zu überzeichnen. Viele evangelische Christen, Gemeindeglieder und Pfarrer, haben in ihrer Kirche das Wirken Gottes real erlebt. Viele können dies gerade an der Feier des Heiligen Abendmahles festmachen. Hier werden nicht selten tiefe Glaubenserfahrungen gemacht. Christus wird als gegenwärtig erlebt - manchmal sogar mit Heilung und Befreiung -, und das ohne die formale Apostolische Sukzession!

Die Reformatoren konnten in dem "Augsburger Bekenntnis" von 1530 noch mit Stolz sagen: Das Heilige Abendmahl wird bei uns mit größerer Andacht gefeiert als bei den Altgläubigen (römisch-katholischen Christen). Können wir das heute auch noch so sagen? Ich empfehle, das Schreiben auch als kritische Anfrage nach unserem eigenen Kirchen- und Amtsverständnis zu hören. Darum frage ich: Welche Bedeutung hat für uns im praktischen Glaubensvollzug das Heilige Abendmahl, die Feier der Eucharistie? Wie gehen wir nach dem Heiligen Abendmahl mit den gesegneten Gaben, Brot und Wein - Christi Leib und Blut - um? Haben wir ein Verlangen nach Christus, der uns im Heiligen Abendmahl unter dem Zeichen von Brot und Wein real begegnet?

Es wäre falsch, jetzt in eine Trotzreaktion zu verfallen. Kardinal Lehmann, der Vorsitzende der (katholischen) Deutschen Bischofskonferenz, verweist ausdrücklich auf den letzten Satz im Schreiben: "Die katholische Kirche erblickt in den anderen christlichen Glaubensgemeinschaften eine wirkliche Anteilnahme am Kirchesein." Ferner weist er darauf hin, daß die Kirche nicht einfach mit römisch-katholischer Kirche gleichgesetzt werden könne. Er spricht von einer "substantiellen Identität" mit der Kirche Jesu Christi. Auch wenn viele evangelische Christen dies als spitzfindig ansehen werden, eröffnet sich hier dennoch eine Möglichkeit des Dialogs auch über das "tiefere Verständnis des Kircheseins einschließlich des Verständnisses des Amtes und besonders der Apostolischen Sukzession". Wir sollten uns diesem theologischen Dialog nicht entziehen, auch wenn keine schnellen Fortschritte zu erwarten sind.

Im ökumenischen Prozeß der geistlichen Bewegungen "Miteinander für Europa" mit den Großveranstaltungen 2004 und 2007 in Stuttgart hat sich seit 1999 sehr viel bewegt. Je mehr sich die über 200 beteiligten Bewegungen und Gemeinschaften näher kennenlernen, um so größer wird ihr Verständnis füreinander und ihre innere Verbundenheit. An der Basis vor Ort und in den Gemeinden leben viele Christen dies längst als Realität. Im täglichen Miteinander des Glaubens gibt es eine tiefere Verbundenheit, als sich viele Kirchenhäupter und Oberhäupter vorstellen können. Man ist sich längst erstaunlich nahe. Wo Christen miteinander und füreinander beten, gemeinsam in der Bibel lesen, Alphakurse halten, wo sie sich gegenseitig unterstützen und trösten, beistehen und helfen, dort wächst schon mitten unter uns das Reich Gottes in der Nachfolge unseres Herrn Jesus Christus. Ist das nicht auch Apostolische Sukzession - in der Kraft des Heiligen Geistes? idea

Der Autor ist Pfarrer und Ehrenvorsitzender der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er ist einer der Initiatoren der ökumenischen Bewegung "Miteinander für Europa", die 2004 und 2007 mit Großveranstaltungen in Stuttgart an die Öffentlichkeit trat.

Foto: Hat der Ökumene eine Absage erteilt: Papst Benedikt XVI., hier mit dem Bischof von Passau


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren