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21.07.07 / Bedrohung von innen / Von Pakistan geht auch ohne "Talibanisierung" eine Gefahr für Europa aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-07 vom 21. Juli 2007

Bedrohung von innen
Von Pakistan geht auch ohne "Talibanisierung" eine Gefahr für Europa aus
von R. G. Kerschhofer

Nach der Erstürmung der "Roten Moschee" in Islamabad ist zwar noch einiges ungeklärt. Hinter dem "Kraftakt" der Regierung scheint aber eher Schwäche zu stecken. Es drängt sich der Verdacht auf, daß die Betonung von "Rücksichtnahme auf Frauen und Kinder" bloß kaschieren sollte, daß die Soldaten für den Häuserkampf nicht ausgebildet waren oder vielleicht sogar mit Islamisten sympathisierten.

Mit Sicherheit sagen läßt sich, daß Präsident Muscharraf schon in den letzten Monaten schwere Fehler beging. Man mag einräumen, daß seine Macht in weiten Landesteilen nicht über die Garnisonen hinausreicht. Doch selbst in der Hauptstadt wurde nichts gegen die islamistischen "Tugend-Banden" unternommen, und die Anhäufung von Waffen im Gebäude-Komplex der Moschee ist ohne Mitwisser in der Exekutive undenkbar. Muscharraf profitiert zwar davon, daß es in den letzten Jahren wirtschaftlich bergauf ging. Die Absetzung des obersten Richters hat aber viele verärgert, und sein Einschwenken auf US-Linie hat ihm nicht nur bei Islamisten die Beinamen "Busharraf" und "Amerikas Schoßhund" eingetragen.

Die "Rote Moschee" illustriert ein größeres Problem, nämlich das der islamischen Stiftungen, die neben Moscheen auch religiöse Schulen ("Medressen"), Ambulanzen, Armenküchen und Herbergen betreiben. Wenngleich autonom, unterstehen sie in islamischen Staaten einer behördlichen Kontrolle - die in Pakistan aber nicht funktioniert.

So konnten Extremisten etliche der mehr als 10000, nach manchen Quellen bis zu 17000 Medressen im Land an sich reißen. Bei weitem nicht alle, denn es hängt ganz von der Person des jeweiligen religiösen Führers ab, des "Maulana". Das heißt zugleich, daß es selbst innerhalb der Hauptrichtungen - 80 Prozent Sunniten und 16 Prozent Schiiten - gegensätzliche Gruppierungen und Sekten gibt, die einander oft blutig befehden.

Dazu kommt die ethnische Zersplitterung der 166 Millionen Einwohner: Neben mehreren größeren gibt es etliche kleinere Völkerschaften sowie die aus Indien geflüchteten Muslime. Staatsgrenzen teilen die Gebiete der größten Gruppen, der Pandschabi, Paschtunen, Sindhi und Belutschen, die demnach auch in den jeweils angrenzenden Teilen Indiens, des Iran und Afghanistans anzutreffen sind. Die unzugängliche Grenzregion im Gebiet der Paschtunen - in Afghanistan die größte Volksgruppe - ist Rückzugsgebiet von Taliban und El-Kaida.

Im dünnbesiedelten Gebiet der Belutschen, die nur drei Prozent der Bevölkerung ausmachen, lagert ein beträchtlicher Teil der pakistanischen Bodenschätze. Da die Belutschen von der Zentralregierung arg diskriminiert und überdies von Pandschabi und Paschtunen unterwandert werden, ist seit Jahren eine Unabhängigkeitsbewegung aktiv - und für die Eigenstaatlichkeit gibt es sogar historische Vorbilder.

Der von China gebaute und von China für zivile wie militärische Zwecke genutzte Tiefseehafen von Gwardar liegt in Belutschistan - weshalb sich Anschläge auch gegen Chinesen richten. Pakistan war von Anfang an ein strategischer Partner Chinas und wird von China heute als Tor zum indischen Ozean angesehen. Geplant ist eine Ölleitung von Gwardar nach West-China. Peking, das auch im eigenen Land Minderheiten unterdrückt, wird folglich jede Regierung unterstützen, die den Zerfall Pakistans bekämpft.

Ebenfalls in Belutschistan fanden die pakistanischen Atomversuche statt, und das leitet über zur Atomrüstung. Pakistan verfügt über zwei Reaktorzentren. Erweiterungen und Neuanlagen (mit chinesischer Hilfe) sind in Bau. Auf die indischen Atomversuche Anfang Mai 1998 konnte Pakistan prompt mit ebenfalls sechs Kernexplosionen antworten. Heute dürften mehrere Dutzend Sprengköpfe verfügbar sein. Pakistans Raketen mit Reichweiten von 200 bis 2000 Kilometern sind Weiterentwicklungen auf Basis chinesischer (ursprünglich sowjetischer) und in jüngerer Zeit nordkoreanischer Technologien. Eine Version der "Hatf-" oder "Ghiaur-Serie" für bis zu 4000 Kilometer ist im Teststadium.

Die Atomrüstung wurde von militärischen wie zivilen Regierungen gleichermaßen vorangetrieben. Die pakistanische Bombe ist nicht "islamisch", sondern anti-indisch. Israel ist nicht bedroht, denn keine reguläre Regierung wird einen Atom-Angriff riskieren, bei dem wegen mangelnder Präzision auch der für Muslime heilige Tempelbezirk in Jerusalem, zerstört werden könnte.

Doch wie stünde es mit einem "Taliban-Regime"? Muscharraf, der prägende Jugendjahre in der Türkei verbrachte, hat "kemalistische" Vorstellungen. Auch andere Militärs und Politiker, die ihn ablösen könnten, etwa Benazir Bhutto, sind wie die Bevölkerungsmehrheit den Gemäßigten zuzurechnen. Eine "Talibanisierung" ist zwar in entlegenen Gebieten bereits gegeben oder denkbar, im Land insgesamt aber solange unmöglich, wie die Armee einigermaßen intakt bleibt. Selbst bei totalem Chaos wäre es jedoch praktisch ausgeschlossen, daß "Taliban" Atomraketen einsatzfähig erbeuten oder sie einsatzfähig machen könnten. Und notfalls würden dies die Nachbarn Indien und China verhindern.

So oder so kann aber radioaktives Material aus Pakistan für "schmutzige Bomben" in Umlauf kommen! Das ist eine echte Gefahr - nicht für die USA oder Israel, sondern ausschließlich für Europa, wo eine verfehlte Fremdenpolitik jene Parallelgesellschaften entstehen ließ, die heute ein ideales Biotop für Terroristen sind.

Foto: Ein zerrissenes Land: Pakistan beherbergt ein buntes Völkergemisch.

 

Zeitzeugen

Mohammed Ali Jinnah - Der erste Generalgouverneur und Präsident der Verfassunggebenden Versammlung Pakistans gilt als Gründer des Landes. Dabei hatte Jinnah, der schon kurz nach der Unabhängigkeit 1948 starb, ursprünglich die Einheit Indiens zum Ziel und keinen islamischen Separatstaat. Auch als die Trennung unvermeidlich schien, beharrte der 1876 geborene Politiker weiterhin auf einem Pakistan, dessen Menschen sich im politischen Sinne als Bürger ihres Staates und nicht als Angehörige einer Religionsgemeinschaft sehen sollten.

 

Louis Mountbatten - Der 1900 geborene erste Earl Mountbatten of Burma war der letzte "Vizekönig" von Britisch Indien. Sein Vater, Prinz Ludwig Alexander von Battenberg, hatte im Kriegsjahr 1917 seinen Namen in "Mountbatten" anglisieren lassen. Mountbatten junior organisierte von britischer Seite die Teilung der Kolonie in Indien, Pakistan und Birma. Er wurde 1979 Opfer eines Anschlags von IRA-Terroristen.

 

Zulfikar Ali Bhutto - Nach der Niederlage gegen Indien und dem Verlust Ost-Pakistans (Bangladesch) wurde der 1928 geborene Bhutto 1971 Präsident Pakistans, 1973 Ministerpräsident. 1977 putschte ihn der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Mohammed Zia ul-Haq, aus dem Amt, angeblich wegen Korruption. 1979 ließ Zia ul-Haq ihn trotz internationaler Proteste hinrichten.

 

Mohammed Zia ul-Haq - Von 1977 bis 1988 führte der 1924 geborene Zia ul-Haq Pakistan. Zu immer wieder versprochenen freien Wahlen ließ es der Staatschef nie kommen, höchstens zu dubiosen Scheinabstimmungen. 1988 starb er bei einem Flugzeugabsturz - ob es sich um einen Unfall oder ein Attentat handelte, ist ungeklärt.

 

Benazir Bhutto - Die 1953 geborene Tochter von Zulfikar Bhutto ergriff nach dem Tode Zia ul-Haqs sofort ihre Chance und gewann die ersten freien Wahlen seit über zehn Jahren. Mit Unterbrechung blieb sie bis 1996 Premier und ist damit der erste weibliche Regierungschef eines islamischen Landes überhaupt. 1996 wegen Korruption abgesetzt, lebt Benazir Bhutto heute im Exil im Golf-Emirat Dubai.


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