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21.07.07 / Störfall Atomaufsicht / Behörde überdeckt mit Kritik am Stromriesen eigenes Versagen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-07 vom 21. Juli 2007

Störfall Atomaufsicht
Behörde überdeckt mit Kritik am Stromriesen eigenes Versagen
von Mariano Albrecht

Seit den Zwischenfällen in den von dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall betriebenen Kernkraftwerken in Krümmel und Brunsbüttel scheint plötzlich jede verbaute Schraube, jeder Dübel in den Kraftwerken zum Thema in den Medien zu werden.

Beide Reaktoren mußten per Schnellabschaltung "heruntergefahren" werden, das passiert nur bei sicherheitsrelevanten Störungen. Die Atomaufsichtsbehörde, das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, hatte sogleich den Betreiber Vattenfall unter Beschuß genommen, am Montag mußte der Chef der Atomsparte bei Vattenfall, Bruno Thomauske, seinen Hut nehmen und Konzernsprecher Johannes Altmeppen trat zurück. Mit der Veröffentlichung von ausführlichen Berichten über den Hergang der Störung durch den Energieriesen gerät nun auch das Ministerium in Erklärungsnöte.

Ministerin Gitta Trauernicht (SPD) sah sich eben noch in der Rolle der bedingungslosen Aufklärerin und bemängelte die Informationspolitik des Stromkonzerns. Greenpeace und Grüne fordern die sofortige Stillegung der Kraftwerke. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast gibt sich kampfeslustig, "Es scheint so, daß Vattenfall weder Mitarbeiter noch Sicherheit unter Kontrolle hat. Und offenbar sind die Jungs von Vattenfall einfach nicht geeignet, ein Atomkraftwerk zu führen. Vattenfall muß natürlich die Betriebserlaubnis entzogen werden. Ich frage mich sowieso, was genau das zuständige schleswig-holsteinische Ministerium überhaupt noch prüfen will."

Vielleicht hätte Renate Künast besser gefragt, was denn in der Vergangenheit durch die Atomaufsichtsbehörde geprüft wurde.  Denn wie kann ein Kernkraftwerk in einem angeblich so miserablen Zustand sein, wenn die Aufsichtsbehörde ihrer Kontrollpflicht auch nur in Ansätzen nachkäme.

Stichwort Dübel: Diese wurden für Halterungen an einer Arbeitsbühne in Brunsbüttel verbaut und entsprachen nicht den Vorgaben für Erdbebensicherheit.

Schwere technischen Mängel auch in Krümmel. Während der Schnellabschaltung des Reaktors gelangte über die Lüftungsanlage Rauchgas vom Brandherd außerhalb des Gebäudes in die Schaltwarte, ein Fehler in der Konzeption. Außerdem sprachen Rauchmelder hinter der Frischluftansaugung nicht an.

Eine Prozeßrechneranlage, die Fehlerprotokolle verarbeitet, war durch die vielen gleichzeitigen Störungen nicht mehr in der Lage, alle Daten schnell genug zu erfassen. Alles Mängel, die bei den jährlichen technischen Überprüfungen durch das Trauernicht-Ministerium auffallen sollten.

Bereit im August vergangenen Jahres sprach Trauernicht von Mängeln in Brunsbüttel: "Auf Anfrage des Abgeordneten Klaus Müller im März dieses Jahres haben wir dem Parlament geantwortet, daß es eine Liste offener Punkte gibt und daß diese Liste gemeinsam mit dem Betreiber abzuarbeiten ist."

Kein Zweifel, in beiden Kraftwerken gab es Pannen. Während Vattenfall-Deutschland-Chef Klaus Rauscher verkündet, für sein Unternehmen gehe "Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit", sprechen Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand von Arbeitsverdichtung und Sparzwang.

Es besteht Aufklärungsbedarf nicht nur bei dem Energiekonzern. 

Auch wenn in der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht der Aktionismus ausgebrochen ist, ist die Frage nicht geklärt, wie konnte es abgesehen von den bei Vattenfall aufzuklärenden Ursachen seitens des zuständigen Ministeriums zu einem derartigen Kontrollverlust  kommen?

Auf Anfrage nach der Einhaltung von Kontroll- und Wartungsintervallen und deren Kontrolle durch das Ministerium bekommen wir folgendes mitgeteilt: "Vielleicht kann man Ihnen beim Bundesamt für Strahlenschutz oder direkt in Krümmel weiterhelfen. Gewisse Untersuchungs-Intervalle werden nämlich meiner Kenntnis nach vom Betreiber und / oder Hersteller einzelner Aggregate festgelegt / vorgeschlagen", so der Pressesprecher.

Während man die Informationspolitik von Vattenfall anprangert, wird auch im Ministerium von Gitta Trauernicht gern mal etwas weggelassen. Zwar gibt man zu, daß in Krümmel durch einen entstandenen Überdruck im Reaktor über Sicherheitsventile Dampf aus dem Reaktor abgelassen wurde, verschweigt aber, daß auch der abgelassene Dampf in gewissem Maß radioaktiv belastet ist. Kommunikationsprobleme auch in der Aufsichtsbehörde.

Wie uns das Bundesamt für Strahlenschutz bestätigte, sollten Informationen über Zustand und Kapazität solcher Gerätschaften der zuständigen Aufsichtsbehörde vorliegen.

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, auch wenn der Betreiber nicht von sich aus über derlei Zustände informiert, so ist es zumindest die Pflicht der Aufsichtsbehörde, sich Zugang zu diesen Informationen zu verschaffen und zu handeln - bevor das Kind in den Brunnen fällt.

Foto: Atomtechnologie in der Kritik: Greenpeace-Aktivisten demonstrieren vor dem Kernkraftwerk in Krümmel.


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