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21.07.07 / "Die Saat ist aufgegangen" / Eine Deutsche aus Düsseldorf baute sich eine Existenz in einem kretischen Dorf auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-07 vom 21. Juli 2007

"Die Saat ist aufgegangen"
Eine Deutsche aus Düsseldorf baute sich eine Existenz in einem kretischen Dorf auf
von Silke Osman

Im Morgengrauen des 17. Mai eines jeden Jahres soll es hier spuken. Dann sollen die Geister der 700 kretischen Freiheitskämpfer, die sich vergeblich gegen die osmanischen Heere durchzusetzen versuchten, um die Ruine der alten Frankenburg ziehen. Man hört die Wellen des Lybischen Meeres gegen die Küste schlagen. Entfernt bellt ein Hund. Die Grillen haben ihr nahezu ohrenbetäubendes Konzert angestimmt, das sich mit dem Rauschen des Windes in den Blättern der Bäume mischt. Der Wind hat aufgefrischt, kommt von den nahen Bergen und zieht durch die Mauerreste, die golden in der Sonne leuchten. Hier und dort kann man noch verzierte Steine erkennen, mit einem für den Laien rätselhaften Muster. Man ahnt, wieviel Mühe es die Venezianer gekostet haben muß, 1371 in dieser Gegend ein solch mächtiges Bauwerk als Schutz gegen Piraten und einheimische Widerstandskämpfer zu errichten.

Von den Geistern allerdings keine Spur, die haben ohnehin nur die ganz Alten gesehen. Wissenschaftler sprechen von Luftspiegelungen. Und auch das Schiff, das seit Tagen in der Bucht vor Anker liegt, hat wenig mit einem Piratenschiff gemein, das die Küste belagert. Es ist ein kleiner Frachter, der auf neue Ladung wartet und die teuren Liegegebühren im Hafen vermeiden will. Einmal in der Woche kommt ein Versorgungsboot und bringt frischen Proviant.

Keine Geister, keine Piraten. Was zieht Touristen in das kleine, abgelegene kretische Dorf Frangokastello? Was hält die Einheimischen dort? Nun, für die letzteren ist es zweifellos die tiefe Liebe zu ihrer Heimat, der Stolz, aus dieser Gegend zu stammen. Einer Gegend, die selbst von anderen Kretern mit Respekt betrachtet wird, gelten die Sfakioten doch als kriegerisch und sehr selbstbewußt.

Die Touristen hingegen schätzen die Möglichkeit der Erholung abseits vom Trubel, der an der Nordküste das Leben bestimmt. Sie vermissen keine Diskotheken oder Bars, ihnen gefallen die kleinen Tavernen und Kafenion (Kaffeestuben).

Der langgezogene Sandstrand ist ideal für Kinder wie Hanna (3) und Julius (6). Sie können dort toben und im flachen Wasser im Schatten der Burg planschen. Trotzdem ist es für Julius das Größte, mit dem Schlauchboot rauszufahren, natürlich in Begleitung von Papa und Jannis. Der will schließlich mal Kapitän werden und nach der Schule eine spezielle Ausbildung in Chania, der Provinzhauptstadt, aufnehmen.

Der 17jährige Jannis ist der Sohn von Gabi und Theo Koukounarakis, die in Frangokastello seit einigen Jahren eine Autovermietung betreiben und Appartements vermieten. 2005 haben sie ihr Eis-Café "Blue Sky" zu einem respektablen Restaurant erweitert. Dort kann man auf der gemütlichen Terrasse mit Blick übers Land und aufs Meer landestypische Gerichte genießen und natürlich auch einen guten heimischen Tropfen.

Während Theo abends in der Küche für das leibliche Wohl der Gäste sorgt, kümmert Gabi sich um den Service. Zuvor allerdings hat sie mit ihrem Mann all die Köstlichkeiten, die auf die Tische kommen, gemeinsam vorbereitet. Gemeinsam wird auch überlegt, was man den Gästen am Abend Besonders anbieten kann. Da gibt es dann so ausgefallene Gerichte wie Hähnchen mit Feigen. "Ein Rezept von meiner Oma", strahlt Theo.

Oder Spaghetti Casa, Nudeln mit in Koblauch eingelegten frischen Tomaten und schwarzen Oliven (ein Muß für alle Knoblauch-Fans), Mittelmeerfisch vom Grill, köstlich gewürzt mit Kräutern, oder Schweinebraten in Honigsoße - der Schlemmerurlaub in angenehmer Atmosphäre ist perfekt.

Wie kommt Gabi Schmitz, die Düsseldorferin, ausgerechnet nach Frangokastello? Ans andere Ende der Welt sozusagen. Die blonde Deutsche mit den strahlend blauen Augen lächelt: "Als Rucksacktouristin vor 23 Jahren. Das Meer und die Berge, das hat mich an Frangokastello besonders fasziniert."

Als sie Theo kennenlernte und sich in ihn verliebte, war es mit der Vernunft aber noch lange nicht vorbei. Die Düsseldorferin, die Sozialarbeit studierte, prüfte genau, auf was sie sich da einlassen wollte, kehrte erst einmal nach Deutschland zurück und kam immer wieder zu Besuch nach Kreta. Sie lernte die Familie kennen und machte sich mit der kretischen Lebensweise vertraut. Heute wird sie von den Dorfbewohnern längst als eine der Ihren anerkannt.

Gemeinsam mit Theo eröffnete  sie die erste Diskothek im Dorf. Das ging aber erst, nachdem Frangokastello 1984 ans Stromnetz angeschlossen worden war. "Ganze Familien kamen damals zu uns. Die Disko wurde ein Treffpunkt zum Kennenlernen. Ich glaube, es sind sogar zwei Ehen entstanden durch uns." zwölf Jahre lang betrieben sie die Diskothek, dann wurde alles verkauft, um das nötige Kapital für den Bau der Appartements zu haben. Das Eiscafé und schließlich das Restaurant machten alles perfekt.

Die drei Kinder aber, Sohn Jannis und die Töchter Anna (21) und Luisa (10), sind der ganze Stolz der Familie. "Die Saat ist aufgegangen", sagt Gabi leise und lächelt.

Anna, die zur Zeit in Thessaloniki Germanistik auf Lehramt studiert, kommt in den Ferien nach Frangokastello, um den Eltern zu helfen. Nach dem Studium möchte sie gern noch ein zweites aufnehmen, am liebsten Zahnmedizin. Eine Zukunft sieht sie allerdings, anders als ihre Mutter vor 23 Jahren, in Frangokastello nicht für sich. "Ich möchte, daß meine Kinder später einmal ohne Schwierigkeiten ins Kino gehen können. Das geht hier nicht auf dem Dorf. Ich liebe Kreta, aber ..." Sie lächelt und zieht bedauernd die Schultern hoch.

 

Frangokastello erreicht man von Deutschland aus am besten mit dem Flugzeug bis Chania. Dort mietet man sich einen Wagen (kann auch von Deutschland aus vorab geschehen und ist meist günstiger) oder nimmt ein Taxi (einfache Fahrt zwischen 70 und 100 Euro). Ganz hartgesottene Touristen fahren mit dem Linienbus Richtung Chora Sfakion, von dort Richtung Rethymnon mit Halt in Frangokastello.

Mit dem Auto fährt man zunächst auf der Schnellstraße Richtung Heraklion, biegt dann in Vrises ab und nimmt den Weg Richtung Sfakia. Durch die wilde Berglandschaft führt ein meist gut asphaltierter Weg in den Süden. Geübten Fahrern werden die teils abenteuerlichen Serpentinen bei der Abfahrt kaum etwas ausmachen. Der atemberaubende Ausblick auf die Küste und das Lybische Meer entschädigt. Nach etwa anderthalb Stunden ist man schließlich in Frangokastello, wo mittlerweile 2000 Gästebetten auf Touristen warten, die abseits vom Trubel Urlaub machen wollen.

 

Mehr Informationen im Internet unter: www.blue-sky-kreta.de 

Fotos: Alles für den Gast: Gabi und Theo in der Küche, selbst bei größter Hitze; Frangokastello auf Kreta: Der kleine Fischerhafen liegt geschützt in einer natürlichen Bucht; im Hintergrund die Ruine der einst mächtigen Burg, die dem Ort den Namen gab.


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