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21.07.07 / Nie mehr allein sein / Senioren-WG oder Mehrgenerationenhaus - Gemeinschaftliches Wohnen im Alter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-07 vom 21. Juli 2007

Nie mehr allein sein
Senioren-WG oder Mehrgenerationenhaus - Gemeinschaftliches Wohnen im Alter
von Anja Schäfers

Die meisten Menschen möchten im Alter so lange wie möglich selbstbestimmt leben. Sie wollen weder frühzeitig in ein Heim ziehen noch allmählich zu Hause vereinsamen.

"Dann ziehe ich später eben in eine Senioren-WG", hört man immer öfter in der Generation 50 plus. "Unter diesem Begriff versteht allerdings jeder etwas anderes", sagt Sylvia Görnert-Stuckmann, Autorin des Ratgebers "Umzug in die dritte Lebensphase".

Beim Thema gemeinschaftliches Wohnen denken die wenigsten älteren Menschen an die Wohngemeinschaft aus Studententagen.

"Den meisten ist wichtig, daß sie noch eine kleine abgeschlossene Wohnung mit Küche und Bad haben", berichtet Görnert-Stuckmann. Darüber hinaus soll es aber auch Gemeinschaftsräume geben, in denen man mit seinen Mitbewohnern zusammensein und aktiv werden kann.

Solche Gemeinschaften kann man in einer großen Wohnung, einem Haus oder auch in einer Siedlung verwirklichen. "Zu einer kleineren WG tun sich meist Verwandte zusammen, etwa Bruder und Schwester", sagt die Autorin.

Auf die Idee, sich ein Haus zu teilen, können zum Beispiel auch befreundete Paare kommen. Gemäß dem Motto: Wir werden miteinander alt und legen unsere Fähigkeiten zusammen.

Häufig möchten Ältere mit jüngeren Menschen zusammen wohnen. Auch in diesem Fall sind viele Formen und Gruppengrößen denkbar. Sie reichen vom Großvater, der mit seinem Enkel zusammenzieht, bis zu großen generationsübergreifenden Wohnprojekten. Anregungen und konkrete Hilfestellungen gibt es bei vielen Beratungsstellen und Vereinen in ganz Deutschland.

"Der allgemeine Wunsch vom Zusammenleben mit anderen reicht in der Praxis nicht aus", sagt Görnert-Stuckmann. Bevor man sich mit Verwandten, Freunden oder Fremden zusammentun will, sollte man die eigenen Lebensgewohnheiten prüfen. Dazu gehört zum Beispiel, wie viel Ruhe, Ordnung oder feste Rituale man möchte. Ganz wichtig sind auch die Erwartungen an die Gemeinschaft. Suche ich eine Ersatzfamilie und brauche ich viel Hilfe? Oder möchte ich eher wenig Kontakt und gemeinsame Unternehmungen?

Als nächstes müsse man schauen, wie die eigenen Ziele und Wünsche mit denen anderer zusammenpassen. "Viele privat organisierte Projekte scheitern an alltäglichen Problemen", berichtet die Autorin. Dann zerstreite sich etwa der ordentliche Typ mit dem chaotischen Menschen oder die Mischung aus Nähe und Distanz stimme nicht.

Vor dem Zusammenziehen sollten sich die Beteiligten daher über gemeinsame Regeln verständigen. "Wichtig ist, daß alle Mitglieder der Gruppe gleichberechtigt sind", sagt Görnert-Stuckmann. Dies sollte man schon beim Abschluß des Miet- oder Kaufvertrags berücksichtigen und Gleiches gelte im Alltag der Gemeinschaft.

Je größer ein Wohnprojekt angelegt ist, desto langfristiger und gründlicher muß man sich vorbereiten. "Deshalb sollte man sich rechtzeitig über die verschiedenen Möglichkeiten informieren und für sich entscheiden, welche in Frage kommen", sagt Ingeborg Dahlmann vom Forum Gemeinschaftliches Wohnen. Anschließend müsse man Gleichgesinnte suchen und an der gemeinsamen Entwicklung und Umsetzung arbeiten.

"In der Gründungsphase ist die Beratung durch Profis sinnvoll", sagt Dahlmann. Denn mit ihrer Erfahrung läßt sich zum Beispiel die geeignete Organisationsform finden. In Frage kommen etwa Verein, Genossenschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Berater können außerdem Tips zur Finanzierung geben sowie für den Bau oder Umbau der Wohnungen oder Häuser.

Auch nach dem Einzug in die WG oder das Wohnprojekt geht der Gruppenprozeß weiter. "Den Satz ,Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende' gibt es nur im Märchen", sagt Dahlmann. Zum einen muß sich die Gruppe im Alltag kontinuierlich treffen und aktuelle Probleme besprechen. Andererseits können etwa Krankheiten oder zunehmende Gebrechlichkeit das Zusammenleben erschweren.

Eine Gruppe muß sich darüber verständigen, inwieweit man sich gegenseitig unterstützen möchte. Dabei gelte weiterhin der Grundsatz, daß alle Mitbewohner gleich sind. Dies bedeute, daß alle noch geben und nehmen können. Während der eine zum Beispiel für den gehbehinderten Hausgenossen den Einkauf erledige, helfe dieser ihm bei der Verwaltung des Geldes. "Je enger die Leute miteinander verwoben sind, desto weniger externe Hilfen werden nötig", berichtet Görnert-Stuckmann.

Auch über die Grenzen der Gemeinschaft sollte man offen miteinander sprechen. Wie will man zum Beispiel mit einem an Demenz erkrankten Mitbewohner umgehen? Wie lange kann die Gruppe ihn tragen? "Da hier jeder eine andere Toleranzgrenze hat, muß man den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen", sagt die Autorin. Viele Hausgemeinschaften haben auch festgelegt, daß die körperliche Pflege einzelner Mitbewohner professionellen Pflegediensten vorbehalten ist.

 

Das Forum Gemeinschaftliches Wohnen macht generationsübergreifende Wohnformen bekannt und hilft bei deren Verwirklichung. Der Verein unterhält ein Netz von regionalen Kontaktstellen: www.fgw-ev.de. Die Plattform www.Neue-Wohnformen.de bietet zahlreiche Informationen, Links und Buchtips zum Thema Wohnen im Alter. Über 100 Wohnprojekte stellen sich in einer Kontaktbörse vor: www.neue-wohnformen.de. Mehrere Mitgliedsverbände der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen beschäftigen sich mit dem Thema Wohnen: www.bagso.de

Foto: Gemeinsam stark: Diese Senioren-WG in Leipzig beherbergt Menschen zwischen 63 und 73 Jahren.


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