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21.07.07 / 141 - Eine Zahl des Schreckens / Treffen der Überlebenden des Internierungslagers Brakupönen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-07 vom 21. Juli 2007

141 - Eine Zahl des Schreckens
Treffen der Überlebenden des Internierungslagers Brakupönen
von Helmut Spies

Die Überlebenden des Internierungslagers der Roten Armee in Brakupönen (Roßlinde, Kreis Gumbinnen), kamen zu einem Treffen zusammen.

Mit Wehmut stellte der Organisator, Manfred Bethke, fest, daß die Teilnehmerzahl sich weiter verringert hat. Ja, das Alter fordert seinen biologischen Tribut, entweder durch den Tod oder durch körperliche Gebrechen, die eine Reise nicht mehr gestatten.

Viel wurde über die Flucht, die Brakupöner Zeit und auch über die Gegenwart diskutiert. Eine Frau berichtete darüber, wie sie als 13jähriges Mädchen von Sowjetsoldaten brutal vergewaltigt wurde, mit den Folgen schwerer körperlicher und seelischer Verletzungen, welche bis heute wirken. Nach dieser schweren Mißhandlung schnitten die Frauen ihr die Zöpfe ab, und so lebte sie äußerlich als Junge weiter. Im Lager arbeitete sie wie ein Mann zusammen mit Jungs und alten Männern als Gespannführer.

Ein 72jähriger Mann sagte: "Und ich war erst elf Jahre alt, mußte ebenfalls schwer arbeiten; denn wer nicht arbeitete, bekam auch nichts zu essen". Ja, so galt das Gesetz des Lagers: "Wer nicht arbeitet, braucht auch nichts zu essen." Gedacht wurde auch der vielen Verstorbenen, die Hunger, Arbeit und Krankheiten nicht überstanden. Etwa zwei Drittel haben somit in Brakupöner Erde ihre letzte Ruhe gefunden. Wie kam es dazu, daß Menschen aus nahezu ganz Ostpreußen in diesem Lager zusammengetrieben wurden? Ein Erklärungsversuch wäre, daß die Besatzer im östlichen Ostpreußen einen bevölkerungsleeren Raum eroberten. Die Bevölkerung war geflohen und geriet erst in den Monaten Februar bis April, also im Süden und Westen der Provinz Ostpreußen in Gefangenschaft der Roten Armee. Somit deportierte man die Menschen, unabhängig von ihrer Heimat, in die Internierungslager, um noch einige Arbeitskräfte zu haben. So waren nicht nur Ostpreußen in den Lagern, sondern auch Berliner, die als Ausgebombte in Ostpreußen weilten.

Die Diskussionen zur Gegenwart bewegten sich um die Politik des Vergessens oder nicht wissen Wollens. Infolge der dreieinhalbjährigen Zwangsarbeit bei Hunger und Entbehrung haben alle Internierungsopfer heute Nachteile bei der Rentenhöhe hinzunehmen. Dabei haben die Vertriebenen nicht nur die Heimat verloren, nein, mit ihrer Arbeit haben sie auch Wiedergutmachung für den furchtbaren Krieg geleistet. Als die Betroffenen im Oktober 1948 in Mittel- und Westdeutschland eintrafen, waren Schule und  Berufsausbildung nachzuholen, außerdem nahm man am Wiederaufbau des zerstörten Deutschland teil. Somit ist der gegenwärtige Wohlstand des Landes auch ein Ergebnis des Fleißes der Betroffenen. Heute scheinen die deutschen Zwangsarbeiter allerdings vergessen zu sein. Nicht einmal das Präsidium des Bundes der Vertriebenen (BdV) nennt die deutschen Zwangsarbeiter in ihrer Entschließung zur Position 2007. Im Jahre 2003 hatte die CDU / CSU-Fraktion des Bundestags wohl einen Gesetzentwurf zur Entschädigung der deutschen Zwangsarbeiter in das Parlament eingebracht, bis heute aber nicht realisiert. Alle ehemaligen deutschen Zwangsarbeiter leben heute mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die kein Gutachter auf das Jugendleben zurückführt. Man muß Nachteile in der Rentenberechnung hinnehmen, die ständig steigenden Lebenshaltungskosten hingegen sind voll zu tragen. Die heutigen Entscheidungsträger leben alle mit der Gnade der späten Geburt, sie haben die Generation der Kriegskinder aus ihrer Wahrnehmung gestrichen.

Eventuell werden Historiker später mit Zahlen jonglieren, wenn sie in irgendwelchen Archiven herausgefunden haben, wie viele Menschen woher nach Brakupönen oder in andere Internierungslager kamen, welche Verpflegung diese erhielten, welchen Verdienst man dort 1948 in Rubel erhielt und wie viele Überlebende im Oktober 1948 noch mit Güterwagen nach Mittel- und Westdeutschland transportiert wurden. Sie vermögen aber nicht mehr die Qualen darzustellen, sie können nicht das Kreischen der Frauen nachempfinden, sie sehen nicht mehr die Toten am Wegesrand.

 

Dr. Helmut Spies (Jahrgang 1932) ist ein Überlebender des Lagers 141.

Foto: Es sind nur noch wenige, die die Wahrheit kennen und aussprechen.


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