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04.08.07 / Akademiker auf Knopfdruck / Der Wille allein, daß statt 36 Prozent bald 40 Prozent eines Altersjahrgangs studieren, macht noch keine Elite

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-07 vom 04. August 2007

Akademiker auf Knopfdruck
Der Wille allein, daß statt 36 Prozent bald 40 Prozent eines Altersjahrgangs studieren, macht noch keine Elite
von George Turner

Die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hat ergeben, daß es wesentlich von der sozialen Herkunft abhängt, wer studiert. Daraus wird die Forderung abgeleitet, daß alle Befähigten die Chance zum Besuch einer weiterführenden Schule wie auch einen Zugang zu den Hochschulen erhalten. Das ist ohne Zweifel richtig. Einmal geht es um die Lebenschancen junger Menschen. Wer befähigt und leistungswillig ist, sollte die Gelegenheit erhalten, dies auch unter Beweis zu stellen. Sind die Eltern selbst Akademiker, wird es kaum des Anstoßes von außen bedürfen, Kindern den Besuch von Gymnasium und Hochschule schmackhaft zu machen - gelegentlich auch den entsprechenden Druck auszuüben. Fehlt Eltern die eigene Erfahrung, muß vor allem die Schule Hilfestellung leisten. Eine Ausschöpfung des Potentials an Begabungen bedarf es auch, wenn Wirtschaftskraft und Wohlstand erhalten bleiben sollen. Der Geburtenrückgang und die damit einhergehende schrumpfende Bevölkerung verlangen, daß möglichst alle Talente aktiviert werden, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Kritisch wird es, wenn das Ziel verfolgt wird, statt bisher 36 Prozent eines Altersjahrgangs demnächst 40 Prozent und mehr zu einem Studium zu führen. Wir haben alle noch die Klagen der Universitäten über die mangelnde Studierfähigkeit eines beachtlichen Teils der Studierenden in den Ohren, ebenso die Horrorzahlen von Studienabbrechern und endgültig beim Examen Gescheiterten. Solche Befunde sind nicht nur den angeblich veralteten Lehrmethoden und dem fehlenden didaktischen Geschick der Lehrenden anzulasten. Von den Studierenden darf zu Recht Fleiß und Zielstrebigkeit gefordert werden. Es kann nicht sein, daß jemand an die Hochschule kommt in der Erwartung, es sei nun Sache der Professoren, das Nötige für den Erfolg zu leisten. Nicht jeder ist für ein Studium geeignet, und deshalb kann auch nicht jedem die Universität offen stehen. In allen anderen Bereichen ist Vergleichbares selbstverständlich. Die Festlegung eines bestimmten Prozentsatzes erscheint willkürlich und mutet an wie die Planungsvorgabe überwundener staatlicher Systeme.

Das Ziel, die Zahlen der Studierenden zu erhöhen, wird auch damit begründet, daß ein Mangel an Akademikern eintreten werde. Das ist in der pauschalen Aussage mindestens irreführend. Wenn es derzeitig zum Beispiel zu wenige Ingenieure gibt, wird das kaum durch höhere Zulassungsquoten ausgeglichen werden können. Studienfächer lassen sich so nicht verplanen beziehungsweise zuweisen.

Zurück zum Zusammenhang von sozialer Herkunft und Anteil an den Studierenden. Die Selektion ist, so die Erhebung, weniger eine Frage des Berufs der Eltern als des Bildungsabschlusses. Von 100 Kindern von Akademikern studieren 83; nur 14 Prozent der Studierenden sind Kinder von Hauptschülern. Man muß ja nicht gleich das Gespenst einer Quotenregelung beschwören. Aber warum läßt man sich von der political correctness verbieten, die Frage zu stellen, ob hier womöglich ein Zusammenhang besteht? Noch einmal: Jeder junge Mensch mit entsprechender Befähigung sollte gefördert werden. Daß Kindern aus bisher „hochschulfernen Schichten“ eine besondere Aufmerksamkeit gelten muß, ergibt sich zwangsläufig. Forderungen in diese Richtung würden noch glaubwürdiger, wenn die Frage nach einem möglichen Zusammenhang von sozialer Schichtung und Befähigung nicht zum Tabu-Thema erklärt wäre. Es wird so gut wie alles empirisch untersucht. Warum nicht auch einmal diese Frage?

Es mag ja sein, daß es politisch nicht opportun ist, danach zu fragen, ob ein Zusammenhang zwischen Schichtenzugehörigkeit und Befähigung für bestimmte Tätigkeiten besteht. Gewiß gibt es auch immer wieder hervorragende Schüler und Studierende, die aus einer Umgebung kommen, die man als bildungsfern bezeichnen kann. Nicht geklärt aber ist, ob womöglich auch fehlende Voraussetzungen für eine weiterführende Ausbildung dazu führen, einer bestimmten Schicht anzugehören, und sich dieses auf die Nachkommen überträgt. In allen Lebensbereichen streitet man nicht darüber, daß jedem Bemühen eine Grenze in der Befähigung gesetzt ist.

Jemand mag den ganzen Tag das Fußballspielen üben - fehlt das Talent, wird er nicht die höchste Spielklasse erreichen. Das wird man ja bezüglich der Eignung für ein Studium noch gelten lassen; der möglichen Abhängigkeit von der Herkunft, und zwar im Sinn der Ausstattung und Begabung aber will man nicht nachgehen. Es kann ja sein, daß manche in diese Richtung gehenden Ansichten sich als Vorurteile erweisen. Um so wichtiger ist es, eine bessere Orientierung zu gewinnen.

Die Fixierung auf die Frage, möglichst viele Jugendliche zu einem Studium zu führen, erweckt den Eindruck, als sei dies der allein selig machende Weg. Selbst wenn eines Tages tatsächlich 40 Prozent eines Alterjahrgangs die Hochschulen besuchen: Es ist die Minderheit. Die Lobby der Studierenden oder diejenigen, die es waren, richtet den Blick zu sehr auf ihresgleichen.

Viele der Hochschulzugangsberechtigten von heute wären dies nicht, wenn es keinen Ausbau der höheren Schulen gegeben hätte. Derzeitig erwerben, wie gesagt, rund 35 Prozent der jungen Menschen die Hochschulreife. Zu der Zeit, als die heute 65jährigen sich in entsprechendem Alter befanden, waren es fünf Prozent. Wenn die Bildungsexpansion früher stattgefunden hätte, wäre manch einer aus jener Generation Abiturient geworden.

Das zeigt, in welch beachtlichem Umfang zuvor sogenannte hochschulferne Schichten bereits an der Expansion von Schulen und Hochschulen teilgenommen haben. Die Frage muß erlaubt sein, ob und wie groß ein noch nicht ausgeschöpftes Potential ist.


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