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04.08.07 / Er starb für seinen Glauben auf dem Rost / Trotz seiner Popularität hier im Lande wurde der heilige Laurentius nie Reichspatron

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-07 vom 04. August 2007

Er starb für seinen Glauben auf dem Rost
Trotz seiner Popularität hier im Lande wurde der heilige Laurentius nie Reichspatron
von Manfred Müller

Gräßlich diese Hinrichtungsart: Ein Mensch wird auf einem glühenden Rost langsam zu Tode gemartert. Der christlichen Überlieferung nach soll der römische Diakon Laurentius 258 n. Chr. auf diese Weise den Märtyrertod erlitten haben. Laurentius war in der christlichen Gemeinde Roms als Archidiakon zusammen mit weiteren Diakonen zuständig für die Armen und Kranken. Als Kaiser Valerian Papst Sixtus II. zum Tode verurteilt hatte, bat Sixtus den Archidiakon, den Kirchenbesitz sofort zu veräußern und das Geld den Armen und Kranken zu geben. Der Kaiser wollte sich den bescheidenen Kirchenschatz aneignen und kam zu spät. Laurentius: „Die Armen sind der wahre Schatz der Kirche!“ Da Laurentius seinen christlichen Glauben nicht verleugnen wollte, befahl der wütende Kaiser die Marterung bis zum Tode.

Sein späterer christenfreundlicher Nachfolger Konstantin ließ 330 über dem Grab des Laurentius vor den Mauern von Rom die berühmte Basilika San Lorenzo errichten. Die Laurentiusverehrung breitete sich schnell in der ganzen Christenheit aus und nahm volkstümliche Formen an. Auf Grund seines Martyriums wurde Laurentius im Laufe der Jahrhunderte von unzähligen Menschen verehrt, die beruflich mit Feuer zu tun hatten, wie Köchen, Bäk-

kern, Köhlern und Büglerinnen. Bei den Feuerwehrleuten drängte Sankt Florian den heiligen Laurentius etwas in den Hintergrund. Laurentius ist auch Patron der Armen, der Bibliothekare (weil er die Kirchenbücher der römischen Gemeinde führte), er hilft nach frommer Überzeugung den Bauern und den Winzern (richtige Dosierung der Sonnenglut). Viele unserer Vorfahren glaubten, als Feuerpatron schütze er auch vor Fiebergluten, Brandwunden und Rückenschmerzen. In Bittgängen und Wallfahrten wurde Laurentius auch noch nach der Reformation in katholisch gebliebenen Gegenden unseres Vaterlandes als mächtiger himmlischer Fürsprecher angerufen.

Mindestens ebenso wichtig wie diese Brauchtumsentwicklung ist das Hineinwirken des himmlischen Helfers Laurentius in die Politik des Heiligen Reiches. Der spätere Kaiser Otto der Große zog im Jahre 955 am Festtag dieses Heiligen, dem 10. August, in der Frühe auf dem Lechfeld bei Augsburg in die Entscheidungsschlacht gegen die heidnischen Ungarn, die weite Teile des Abendlandes verwüstet hatten. Otto legte ein Gelübde ab in gläubigem Vertrauen auf die fürbittende Kraft des Sieghelfers Laurentius. Wenn er, König Otto, die Schlacht überlebe und den Sieg davontrage, wolle er zu Ehren des heiligen Laurentius in Merseburg ein Bistum zur Missionierung der Slawen errichten. Otto siegte und errichtete im Rahmen seiner Ostpolitik das versprochene Bistum. Die Kunde von Ottos Sieg steigerte in deutschen Landen die Volkstümlichkeit des heiligen Laurentius. Zahlreiche Patrozinien und die Verwendung als Tauf-, Familien- und Ortsname (Laurentius / Lorenz) zeugen davon.

Otto II. teilte nicht die große Wertschätzung seines Vaters für diesen Heiligen. Er folgte einem machtpolitischen Kalkül und den Einflüsterungen des ehrgeizigen Bischofs Giselher von Merseburg und betrieb 981 die Aufhebung des Bistums Merseburg und die Aufteilung unter den Nachbardiözesen. Bischof Giselher stieg dabei zum Erzbischof von Magdeburg auf. Dem heiligen Laurentius blieb in Merseburg nur noch ein Kloster als Verehrungsstätte.

Otto III. wollte die Zurücksetzung des heiligen Laurentius rückgängig machen, aber des jungen Kaisers früher Tod verhinderte dies. Was Otto III. nur wollte realisierte dessen Nachfolger Heinrich II., der ähnlich wie Otto der Große Laurentius besonders verehrte. Als Heinrichs Gemahlin Kunigunde am Laurentiustag 1002 in Paderborn zur Königin gekrönt wurde, legte das Herrscherpaar ein entsprechendes Gelübde ab, nachdem der Königin angeblich Kaiserin Theophanu, die Gemahlin Ottos II., im Traum erschienen war und die Wiederherstellung des Bistums Merseburg noch zu Lebzeiten Giselhers verlangt hatte. Von Gewissensbissen gequält, weil er bis dahin noch nichts in der Sache unternommen hatte, befahl der König und spätere Kaiser dem schwerkranken Magdeburger Erzbischof Giselher, dessen Seelenheil er gefährdet sah, in sein ursprüngliches Bistum Merseburg zurückzukehren, dessen Wiedererrichtung Heinrich gegen alle Widerstände durchsetzte.

Den Rang eines Reichspatrons hat Laurentius weder unter den Ottonen noch unter einem anderen deutschen Kaisergeschlecht erhalten. Aber als eines von vielen Zeichen seiner Volkstümlichkeit kann gelten, daß ein Naturschauspiel nach ihm benannt worden ist. In Sommernächten um den 10. August herum kann man am Himmel prächtige Sternschnuppen beobachten. Der Volksmund nennt sie „Laurentiustränen“. Eine Wetterregel lautet: „Sankt Lorenz kommt in finstrer Nacht / Ganz sicher mit Sternschnuppenpracht.“ Die Wortprägung „Laurentiustränen“ ist eine poetische Verklärung, die den Feuerflammen des Märtyrertodes etwas von ihrem Schrecken genommen hat.

 

Zu größeren Verwicklungen der internationalen Politik kam es in der Frage, wer die kostbare Reliquie des Laurentiushauptes besitzen durfte. Die Abtei St. Vitus im heutigen Mönchengladbach hütete diese Reliquie, die ihr, so die Überlieferung, Karl der Große geschenkt haben soll. König Philipp II. von Spanien gelobte am Laurentiustag des Jahres 1557 vor der Schlacht bei St. Quentin, im Falle des Sieges dem heiligen Laurentius, der in Spanien wegen seiner Herkunft aus Aragon überaus stark verehrt wurde, ein besonderes Heiligtum zu errichten. So entstand das Kloster San Lorenzo, genannt EI Escorial, dessen Grundriß die Form eines Rostes hat. Philipp II. und seine Nachfolger bemühten sich in der Zeit von 1570 bis 1628 vergeblich, das Haupt des heiligen Laurentius für diese Klosterkirche zu erlangen. Um in den Besitz dieser Reliquie zu gelangen, setzten die spanischen Herrscher ihre verwandtschaftlichen Beziehungen und alle Mittel der Diplomatie ein bis hin zu massiven Drohungen gegen Abt und Mönche von St. Vitus. In den Streit griffen höchste weltliche und geistliche Persönlichkeiten ein. Papst Clemens VIII. drohte dem Abt die Exkommunikation an. Doch dieser stand unter dem Schutz des Herzogs von Jülich, der dem Abt kluge taktische Ratschläge gab und die Abtei darin bestärkte, das Laurentiushaupt nicht herauszugeben.

Gaspare Diziani: „Das Martyrium des Heiligen Laurentius“ Foto: pa


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