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04.08.07 / Der mit dem »Führer« sprach / Vor 120 Jahren wurde Hermann Rauschning geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-07 vom 04. August 2007

Der mit dem »Führer« sprach
Vor 120 Jahren wurde Hermann Rauschning geboren
von Rüdiger Ruhnau

Der vor 120 Jahren in Thorn an der Weichsel geborene Hermann Rauschning sorgte während seines Emigrantendaseins für mehr weltweites Aufsehen, als in seiner kurzen Amtszeit an der Spitze der Freien Stadt Danzig. Rauschning, Sohn eines Offiziers, erhielt seine erste Ausbildung im preußischen Kadettenkorps. Er schlug aber nicht die militärische Laufbahn ein, sondern studierte Musikgeschichte und Germanistik, promovierte in Berlin und lebte nach einer Kriegsverwundung in Posen, wo er das freie Volksbildungswesen der deutschen Volksgruppe organisierte und die „Deutschen Blätter in Polen“ leitete. 1926 siedelte er sich im Freistaat an, erwarb einen Bauernhof im Landkreis Großes Werder und wurde Vorsitzender des Berufsverbandes der Danziger Landwirte. Bevor er Mitglied der NSDAP wurde, gehörte er den Deutschnationalen an. Rauschning kannte den uralten Gegensatz zwischen Deutschen und Polen, über ihre politischen Kämpfe hatte er ein bemerkenswertes, auf gründlichem Studium beruhendes Buch geschrieben: „Die Entdeutschung Westpreußens und Posens“ (Berlin 1930). Als bestechender Redner, der in Wahlversammlungen große Werbekraft ausübte, stellte ihn die Nationalsozialistische Partei für die Wahl zum Danziger Volkstag 1933 auf.

Als die Versailler Friedensmacher den neutralisierten Kleinstaat, die „Freie Stadt Danzig“ ins Leben riefen, stellten sie ein Konfliktpotential her, das natürlich keinen der drei Hauptbeteiligten zufrieden stellte. Die Weimarer Republik hatte die Grenzziehung im Osten nicht für endgültig angesehen, geschweige denn die Danziger Bevölkerung, die entgegen dem von US-Präsident Wilson proklamierten Selbstbestimmungsrecht, niemals gefragt worden ist. Und Polen? Die sarmatische Republik hatte schon gierig ihre Hände nach dem Bollwerk des Deutschtums im Osten ausgestreckt. Zähneknirschend mußte Warschau es hinnehmen, daß die Weichselmündung in Danziger Hand blieb. Immerhin hatte man den Polen beträchtliche Rechte im Hafen der Ostseemetropole eingeräumt. Die Wiederherstellung des polnischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg war der Niederlage der beiden benachbarten Großmächte, Deutschland und Rußland, zu verdanken. Trotzdem blieb das Trauma der Aufteilung zwischen Ost und West den Polen immer gegenwärtig. Die Regierung des deutschnationalen Senatspräsidenten Dr. Ziehm hatte mehrfach versucht, den zunehmenden Einfluß der NSDAP unter Gauleiter Albert Förster zu stoppen. Als Ziehm eine Anzahl grundlegender Forderungen der NSDAP-Fraktion ablehnte, suchte Förster in Berchtesgaden Hitler auf, um dessen Ansichten über einen Sturz der Ziehm-Regierung zu erfahren. Bei diesem Besuch auf dem Obersalzberg begleiteten ihn der SA-Führer Linsmeyer und der landwirtschaftliche Gau-Fachberater Parteigenosse Dr. Rauschning, der für das Amt des Senatspräsidenten vorgesehen war. In der Folgezeit entwickelten sich Förster und Rauschning zu Rivalen um die Gunst Hitlers.

Der komplizierte internationale Status der Freien Stadt zwang die verantwortlichen Kräfte Danzigs, jeden Anschein eines diktatorischen Regiments tunlichst zu vermeiden. Denn immer stand die Möglichkeit einer polnischen Intervention drohend im Raum. In seiner Regierungserklärung vom 23. Juni 1933 sagte der neugewählte Senatspräsident Rauschning, er wolle in der Außenpolitik neue Wege einschlagen und unter Umgehung des Völkerbundes das Verhältnis zu Polen durch unmittelbare Verhandlungen zu bessern versuchen. In seiner Eigenschaft als Regierungschef trachtete er danach, die Staatsinteressen über die Anliegen seiner Partei zu stellen. Letztendlich bestimmte aber Berlin, wie die Danziger Regierung vorzugehen hatte. Der 46jährige Dr. Rauschning mit seinem professoralen Habitus war nicht bereit, sich dem 15 Jahre jüngeren Parteifunktionär unterzuordnen. Doch gerade dieses verlangte der Gauleiter. Er betonte, daß niemand, der ein Staatsamt bekleidet, vergessen darf, wem er dieses Amt verdankt.

Hermann Rauschning, der als überlegener Kopf von hoher Bildung geschildert wird, war ein viel zu ehrgeiziger und selbständiger Geist, um nicht zu versuchen, die Senatspolitik nach eigenen Ideen zu leiten. Er bemühte sich, nach den Grundsätzen der Danziger Verfassung zu regieren. In den Fragen der Minderheitenpolitik, des Devisenausgleichs und in der Behandlung der Oppositionsparteien kam es zu schweren Auseinandersetzungen, die persönlichen Gegensätze spitzten sich bis zur Unerträglichkeit zu. Der Streit wurde bis vor Hitler getragen, der sich für seinen Gauleiter entschied. Rauschning resignierte; er trat einen Krankheitsurlaub an. Im November 1934 legte er sein Amt endgültig nieder und zog sich auf seinen Bauernhof zurück. Zu den Volkstagswahlen 1935 verschickte er ein Flugblatt, das die Methoden des Gauleiters als „verbrecherisch“ bezeichnete. Der zurückgetretene Senatspräsident entwickelte sich nun zu einem erbitterten Gegner des Nationalsozialismus. Rauschning fürchtete um sein Leben. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion verließ er 1936 fluchtartig seinen Hof im Freistaat, mit einem Fahrzeug der polnischen Vertretung in Danzig.

Mit der Flucht nach Polen hatte Dr. Hermann Rauschning bei den Danzigern alle Sympathien verspielt. In einem Brief an den Danziger Hohen Kommissar des Völkerbundes, den Schweizer C. J. Burckhardt, schilderte Rauschning verzweifelt seine „unglückliche Lage“ und forderte Burckhardt auf, ihm zu helfen oder die „einzige ehrenhafte Haltung einzunehmen, Danzig unter Protest zu verlassen“. Rauschning floh weiter in die Schweiz, dort veröffentlichte er das Buch „Die Revolution des Nihilismus“. Weltweites Aufsehen erregte aber sein 1939 in Paris erschienenes Werk „Hitler m’a dit“ („Gespräche mit Hitler“). Das Buch erschien in einer Auflage von 350000 Stück. Rauschning schildert darin seine angeblichen Unterhaltungen mit Adolf Hitler. Daß Briten und Franzosen die Anregung zu dem Buch gaben und sein Erscheinen finanzierten, wundert nicht, gilt es doch als einer der Schlüsselbeweise für frühe Kriegspläne und Weltherrschaftspläne Hitlers. 1983 konnte ein in der Schweiz lebender Geschichtslehrer allerdings nachweisen, daß die „Gespräche mit Hitler“ reine Erfindungen waren, sie hatten nie unter vier Augen stattgefunden.

Später wanderte Hermann Rauschning in die USA aus, lebte dort als Farmer und nahm die US-Staatsangehörigkeit an. Nach dem Kriege versuchte er, mit den Gremien der Danziger in Westdeutschland Kontakt aufzunehmen. Er befürwortete, wie mancher Deutschnationale, ein Zusammengehen mit den Russen und beklagte die einseitige Politik der Bundesrepublik Deutschland im Schlepptau der USA. „Es liegt an uns, das Verlorene wiederzugewinnen“, schrieb er in einem Brief am 28. Mai 1965, „auch wenn man sich darüber klar sein muß, daß wiedergewinnen nicht heißen kann, das Alte wiederherstellen zu wollen.“ In Portland im US-Staat Oregon endete 1982 das ruhelose Leben eines Mannes, dem das Wort „Heimsuchung“ etwas wie Gnade bedeutete.

Wurde als Autor seiner angeblichen „Gespräche mit Hitler“ über die Grenzen der Geschichtswissenschaft bekannt: Danzigs Senatspräsident 1933/34 Hermann Rauschning. Foto: pa


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