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11.08.07 / Störfall Gabriel / Minister verärgert Umweltausschuß – Das neue Sicherheitsmanagment ist ein alter Hut

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-07 vom 11. August 2007

Störfall Gabriel
Minister verärgert Umweltausschuß – Das neue Sicherheitsmanagment ist ein alter Hut
von Klaus D. Voss

Der Streit mit Vattenfall um die Störungen in den Kernkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel war die große Chance für den Bundesumweltminister – tagelang beherrschte Sigmar Gabriel die Schlagzeilen und Fernsehaufmacher. Damit es kräftig aus dem Busch klingt, hatte Gabriel auch neue Begriffe kreiert: „Störfall-Reaktoren“ heißen die beiden Atommeiler jetzt offiziell im Gabriel-Ministerium. Soviel Aufsehen hatte Gabriel in seinem Politiker-Leben noch nicht erzeugt.

Es ging, wie man sich erinnern muß, um einen Brand in einem Transformator außerhalb des Reaktorgebäudes, der ziemlich schnell gelöscht werden konnte, und die äußerst penible Folgeuntersuchung, die jedes Ereignis in einer Atomanlage nach sich zieht.

Die ersten Amtsmonate des Umweltministers waren eher mäßig interessant gewesen. Beim Thema Kernkraft hatte er für die wenig erfreuliche Kehrseite des Atomausstiegs herhalten müssen: Die Regierung garantiert die Einlagerung des Atommülls auch gegen den Protest der Demonstranten in Gorleben. Beim Medienrenner Klimaschutz hatte Gabriel Kanzlerin Angela Merkel den Vortritt lassen müssen. Zugleich lieferte die Debatte um den Klimawandel täglich neue Argumente, weiter auf die Kernenergie zu setzen. Dann aber kam mit den Betriebsstörungen in den Kernkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel der große Auftritt. Die anfangs nicht gerade ambitionierte Öffentlichkeitsarbeit Vattenfalls konnte dem Minister nichts entgegensetzen.

Unmut löste Gabriel allerdings aus, als er letzte Woche den Umweltausschuß des Bundestages aus den Ferien holen ließ, um vor dieser Bühne seine Erkenntnisse über die Abläufe in Krümmel und Brokdorf zu referieren. Nicht allein, daß der 130 Seiten starke Zwischenbericht Vattenfalls aus dem Internet viel aufschlußreicher war als die vielen persönlichen Einschätzungen oder taktischen Unklarheiten des Ministers („eine abschließende Bewertung ist derzeit noch nicht möglich“). Gabriel servierte dem Ausschuß zuviel Altbekanntes: Das moderne Sicherheitsmanagement, das er jetzt allen Kernkraftwerken zwingend vorschreiben will, ist ein alter Hut. Seit Januar 2006 geht er mit dem Thema umher, nun will er immerhin in zwölf Monaten einen Knopf daran machen.

Mit der Darstellungsehrlichkeit des Bundesumweltministers ist das so eine Sache. Er will angeblich durchsetzen, daß deutsche Kernkraftanlagen internationalen Sicherheitsstandards entsprechen müssen, und benutzt dazu den schwammigen Begriff „Sicherheitskultur“. Den Fachleuten im Umweltausschuß konnte er damit nichts vormachen; die wissen, daß deutsche und französische Kernreaktoren den Sicherheitsstandard gesetzt haben und Vorbild in aller Welt sind – erst recht für die Anlagen in Osteuropa. Für die Ausschuß-Urlauber war Gabriel der Störfall.

Wo der Gabriel auftritt, spielt die Musik lauter. Der Mann scheint sich vor allem vorgenommen zu haben, weitere Aussetzer in seiner Karriere auf jeden Fall zu vermeiden. Nur gut zwei Jahre waren ihm als Ministerpräsident in Hannover vergönnt, dann war er 2003 aus dem Amt gerutscht. Die gute Mutter SPD versorgte ihn sofort mit dem Aufgaben eines „Beauftragten für Popkultur und Popdiskurs“.

„Siggi sucht den Superstar“ witzelten Parteifreunde, die ihm die Niederlage im Schröderland Niedersachsen anrechneten. So etwas zehrt an „100 Kilo Selbstbewußtsein“; jedenfalls konnte er sich als Pop-Chef noch auf einen persönlichen Mitarbeiter in der SPD-Zentrale stützen. Als Fraktionsführer in einem Landtag muß man sich schon umtun, um auf Bundesebene nicht übersehen zu werden.

Knapp drei Jahre hatte „Siggi Popp“ zu darben, bis ihn die SPD als Bundesumweltminister ins Kabinett Merkel schob. Umweltfragen waren für den damals 46jährigen Berufspolitiker völlig neu – was soll’s? Er hatte drei Jahre Zeit, den großen Auftritt zu trainieren.

Wer sagt denn, daß Parteikarrieren geradeaus laufen müssen. Als junger Mann organisierte Gabriel in den 70er „Die Falken“ seiner Heimatstadt Goslar, also die Sozialistische Jugend Deutschlands. Eine Organisation, die für viele Sozialdemokraten erschreckend weit links stand. Seit dem Umstieg aus dem radikalen Lager zur SPD 1977 folgte Gabriels Lebensbahn dann doch vertrautem sozialdemokratischen Muster: Abitur, immerhin Wehrdienst, Lehramtsstudium mit den Fächern Deutsch, Politik und Soziologie in Göttingen. Dann stand Sigmar Gabriel als Lehrer an der Förderkelle Erwachsenenbildung – so eine Anstellung gibt genug Freiraum, den politischen Aufstieg zu betreiben. Erst mußte er die kommunalpolitischen Hürden in Goslar nehmen, dann rückte er 1990 in den niedersächsischen Landtag auf – bis zum Fraktionschef (1998). Schließlich, als Nachrücker auf Gerhard Schröder (wurde Bundeskanzler) und Gerhard Glogowski (stürzte über die Freibier-Korruptionsaffäre) wurde Gabriel Regierungschef in Hannover – aber ohne nachhaltigen Erfolg. Die erste Wahl, der er sich stellen mußte, ging daneben.

Wer sagt denn, daß eine Karriere immer schnurgeradeaus laufen muß? In Berlin lehnte sich Sigmar Gabriel mal an die Konservativen im Seeheimer Kreis an, mal an die jungen Neoreformer – Nähe oder Abstand zu Kanzler Gerhard Schröder hielt er nach Tageslage. Mit Schröder-Kritik im letzten Moment hatte er sich dann für das Kabinett Merkel empfohlen.

Wenn es gilt, die Show zu machen, ist Gabriel schnell im Bild. Natürlich hatte sich der Umweltminister als Klima-Patron für Knut erwärmen können, das verwaiste Eisbären-Baby aus Berlin. Die Zoo-Verwaltung läßt mit sich über Patenschaften reden: Federvieh und Mäuse gibt es ab 100 Euro, kleine Eisbären mit Star-Aufschlag kosten allerdings 10000 Euro – pro Jahr, versteht sich. Patenonkel bleibt man sein Leben lang, und Gabriel muß Knut die Treue halten. Auch wenn so ein Eisbär 30, bei bester Pflege auch schon mal 40 Jahre wird – aber auch ein Zoo muß leben. Zum Glück für Sigmar Gabriel (derzeit 17168 Euro brutto im Monat) hatten die Kassenprüfer seines Umweltministeriums die Bären-Bussi und deren Folgen als Amtshandlung eingestuft – und den Vertrag mit dem Berliner Zoo in die laufenden Kosten des Hauses eingestellt.

Foto: Inzwischen sind beide groß rausgekommen: Eisbär Knut und sein Patenonkel Gabriel


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