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11.08.07 / Skepsis und Hoffnung / Endlich wieder mehr Geburten: Ist das schon die Trendwende?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-07 vom 11. August 2007

Skepsis und Hoffnung
Endlich wieder mehr Geburten: Ist das schon die Trendwende?
von Hans Heckel

Euphorie, Skepsis, vorsichtiger Optimismus: Die Reaktionen auf die Nachricht, daß nach Jahren des Rückgangs im ersten Quartal 2007 in Deutschland endlich wieder mehr Kinder geboren wurden als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, fielen gemischt aus. Tatsache ist, daß der Zuwachs mit 0,4 Prozent kaum meßbar erscheint. Immerhin aber wurde der jahrelange Rückgang zumindest für diesen Zeitraum gestoppt, was an sich schon eine gute Neuigkeit darstellt.

Die anfängliche Euphorie entzündete sich daran, daß zunächst einzelne Großstädte Geburtenzuwächse von über zehn Prozent gemeldet hatten. Doch diese Zahlen täuschen, wie sich bald anhand der bundesweiten Daten herausstellen sollte, über die Gesamtentwicklung hinweg. Gerade junge Frauen zieht es in die Metropolen. Hamburg beispielsweise verbuchte 2006 in allen Altersgruppen außer einer einen negativen Wanderungssaldo. Nur bei den 20- bis 30jährigen war der Saldo der Zuzügler positiv, nur in dieser Gruppe kamen also mehr Menschen in die Hansestadt als von dort wegzogen.

Und der Überschuß bei den 20- bis 30jährigen war derart gewaltig, daß er die negative Entwicklung bei allen anderen Altersgruppen zusammen um mehr als 11000 Personen überkompensierte. Ähnliche Trends verbuchen auch die anderen Großstädte, woraus ihre überdurchschnittlich gute Geburtenentwicklung zu erklären ist, denn mit den 20- bis 30jährigen ziehen gerade jene Frauen in die Zentren, welche die Kinder bekommen.

Dennoch: Auch bundesweit gab es einen leichten Zuwachs. Die große Frage lautet nun, ob der jahrelange Geburtenrückgang nur eine Pause einlegt, oder ob hier die ersten Anzeichen einer Trendwende sichtbar werden. Ralf Ulrich, Bevölkerungswissenschaftler der Uni Bielefeld, ist skeptisch. Die Zunahme sei zu unbedeutend, um bereits von einer Trendumkehr zu sprechen, sagte er im Juli der „Welt“. Der selben Zeitung gegenüber gibt sich die Rostocker Demographin Tusnelda Tivig weit optimistischer. Für sie ist das Tal durchschritten, stehen die Zeichen ab jetzt wieder auf mehr Geburten in Deutschland.

Diese Trendwende prophezeien andere schon seit Jahren. Der Autor Detlef Gürtler rechnete schon 2003 vor, daß bereits 1999 die Frauen des Jahrgangs 1973 bis zu ihrem 25. Lebensjahr rund zehn Prozent mehr Kinder pro 1000 Frauen geboren hätten als die des Jahrgangs 1968 im selben Alter.

Daß die Trendwende, die laut Gürtler bereits um 1995 standgefunden haben soll, sich bislang weder in den absoluten Geburtenzahlen noch in der üblichen Berechnung „Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter“ niederschlägt, hat statistische Ursachen. Zunächst war der Geburtsjahrgang 1968 weit zahlreicher als der von 1973, in der Zeit dazwischen schlug der „Pillenknick“ voll durch. Obwohl pro Frau des Jahrgangs 1973 mehr Kinder geboren wurden, waren es insgesamt dennoch weniger als bei den fünf Jahre älteren.

Die Berechnung nach „Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter von 15 bis 45“ weist eine weitere Fehlerquelle auf: Weil Frauen ihre Kinder immer später bekommen, fällt die so errechnete Rate scheinbar niedriger aus, als sie ist. Gürtler nannte das den „Tempoeffekt“, der um so drastischer ausfällt, wenn plötzlich eine ganze Generation ihren Kinderwunsch um viele Jahre verschiebt, wie in den Neuen Ländern nach 1989 geschehen.

So lag die Geburtenrate dort seit der Vereinigung konstant unter der westdeutschen, ein trügerisches Bild, glaubt man den Wissenschaftlern des Rostocker Max-Planck-Instituts für Demographische Forschung. Sie haben für Frauen des Jahrgangs 1965 im Alter von 39 Jahren eine Geburtenrate von 1,47 Kindern in der westlichen und 1,58 in der östlichen Bundesrepublik errechnet. Da bis Mitte 40 noch einige Kinder hinzukämen, läge die endgültige Rate bei voraussichtlich 1,5 und 1,6. Ähnliche Raten ergäben sich bei allen folgenden Frauenjahrgängen.

Das hieße: Nicht nur ist die bundesweite Rate höher als die bislang angenommenen 1,34 Kinder pro Frau, sie ist auch, entgegen den offiziellen Zahlen, in den Neuen Ländern höher als in den Alten.

Als Ursache für die jüngste Erholung sieht Regierungsberater Hans Bertram Maßnahmen wie das Elterngeld. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen indes, daß solche Maßnahmen nur graduelle Verbesserungen herbeiführen. Australien verzeichnete nach Einführung einer Kinderprämie einen Anstieg der Geburtenrate von 1,77 auf 1,81. Allerdings können Stützungen helfen, einen ohnehin gehegten Kinderwunsch auch umzusetzen.

Foto: Der „Tempoeffekt“ verfälscht das Bild: Es gibt wieder mehr Kinder.

 

Zeitzeugen

Herodes I. – Im Matthäus-Evangelium ist Herodes (73 v. Chr. bis 4 v. Chr.), König von Judäa, Galiläa und Samaria, eine Inkarnation des Bösen. Aus Angst, in Jesus könne ihm ein Rivale heranwachsen, habe er alle Jungen Bethlehems bis zum Alter von zwei Jahren ermorden wollen und zu ihrer Erfassung die fraglichen Kinder zählen lassen. Historiker sehen in Herodes hingegen einen der erfolgreichsten Herrscher der Juden

Mao Zedong – Der Staats- und Parteiführer des kommunistischen China wollte so viele Chinesen wie möglich und löste – trotz seiner Millionen Opfer – eine nie dagewesene Bevölkerungsexplosion aus. Nach Maos Tod 1976 legten seine Nachfolger 1979 das Ruder radikal herum und erließen harsche Gesetze gegen Paare, die mehr als ein Kind bekamen. Aufgrund der nunmehr fortschreitenden Überalterung wird die „Ein-Kind-Politik“ in jüngster Zeit wieder gelockert.

Otto Fürst Bismarck – Auf Betreiben des „Eisernen Kanzlers“ (1815–1890) beschloß der Reichstag 1889 die Einführung einer gesetzlichen Rente. Heute sehen Demographen in der segensreichen Reform einen Auslöser der nun sinkenden Geburtenzahlen, weil eigene Kinder seitdem nicht mehr für die persönliche Altersversorgung unabdingbar sind.

Ursula von der Leyen – Für ihren Einsatz für einen massiven Ausbau der Zahl der Krippenplätze erntete die 1958 geborene Bundesfamilienministerin nicht nur Zuspruch. Kritiker fürchten, daß die CDU-Politikerin Eltern benachteiligen wolle, die ihre Kleinkinder lieber zu Hause behalten. Ablehnende Reaktionen von der Leyens auf die Zahlung eines Betreuungsgeldes an Daheim-Erziehende haben diese Furcht erhärtet.

August der Starke – Der Kurfürst von Sachsen und König von Polen gilt bis heute als Sinnbild von Manneskraft – insbesondere was seine Lenden anging. August (1670–1733) zeugte zwar „nur“ neun legitime Nachfahren. Doch gebaren ihm zudem insgesamt zehn Mätressen eine Unmenge von Sprößlingen. Die in Umlauf gesetzte Zahl von 354 Kindern gilt indes als deutlich übertrieben.


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