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11.08.07 / Kicker ohne lokalen Bezug / Start der Fußball-Bundesliga: Überfremdung der Vereine könnte Nationalmannschaft gefährden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-07 vom 11. August 2007

Kicker ohne lokalen Bezug
Start der Fußball-Bundesliga: Überfremdung der Vereine könnte Nationalmannschaft gefährden
von Hans Lody

Es gibt Menschen, die entrichten Woche für Woche ihren Obolus an der Stadionkasse „ihres Clubs“. Die ganz Eifrigen eilen nach Spielende an den heimischen Herd, um dort die übrigen Spiele der Liga im Fernsehen zu sehen. Spötter meinen, daß derartige Lebensgewohnheiten schon an manchem Scheidungsprozeß schuld gewesen seien. Die ganz fanatischen Fans fahren sogar zu den Auswärtsspielen ihres Vereins. Über diesen Personenkreis hinaus gibt es aber eine große Anzahl von Menschen, die sich dann für den Kampf ums „runde Leder“ begeistern können, wenn die Nationalmannschaft spielt, wie das Jahr 2006 bestätigt hat. Die Entwicklungen der Bundesliga und der Nationalmannschaft waren immer von Abhängigkeiten geprägt.

Am Freitag, dem 10. August, startete die Fußball-Bundesliga in ihre 45. Saison. Durch Auf- und Abstiege haben mittlerweile nicht weniger als 49 Vereine ihre Visitenkarte im Fußballoberhaus abgegeben. Ohne Frage hat die Konzentration der 16 beziehungsweise 18 stärksten Clubs in einer Liga nicht nur dem Profifußball gut getan, sondern auch die Entwicklung der Nationalmannschaft gefördert. Abgesehen von wenigen Ausnahmespielern wie zur Zeit Lehmann oder Ballack, kommen die meisten Nationalspieler aus der Bundesliga. Mit den Jahren hat sich dort das Gewicht zu den Clubs verlagert, die potente Sponsoren hinter sich versammeln oder aber in großen Städten beheimatet sind, die ihren Werbepartnern große öffentliche Resonanz versprechen.

Noch in den 70er Jahren mußten in Deutschland für vereinswechselnde Spieler Ablösesummen bezahlt werden und die Zahl der Ausländer war beschränkt. Das änderte sich 1995 radikal mit der sogenannten Bosmann-Entscheidung und einer zunehmenden Gesetzgebung der Europäischen Gemeinschaft, die den Markt „liberalisieren“ will. Seither beträgt der Ausländeranteil der Bundesliga über 50 Prozent, ohne daß eine Leistungssteigerung der Liga bemerkbar gewesen wäre. 

Ruud Gullit, vom Spitzenclub „Samdoria Genua“, im Gespräch mit der italienischen Zeitung „Gazzetta dello Sport“: „Es zählt nur noch das Geschäft.“ „Kaum noch Transfergelder, dazu explodierende Gehälter“, nörgelt das Fachblatt „Kicker“. Möglich wurde diese Entwicklung durch explodierende Fernseh- und Werbeeinnahmen. Allerdings: „Alles, was wir reinholen, versickert“, seufzte DFB-Ligasekretär Wolfgang Holzhäuser gegenüber der „FAZ“. Der Konkurs-Geier kreist seit der Bosmann-Entscheidung schon über mancher Bundesliga-Arena. Nach dem neuen System ist es nicht mehr wichtig, viele Zuschauer ins Stadion zu locken, sondern es reicht, über genügend Sponsoren zu verfügen. So entstehen Retortenclubs, wenn sich ein „Sponsor“ eine Mannschaft zusammenkauft, da es keinerlei Beschränkungen gibt. Auf der Strecke blieben Bundesligaspieler ohne Vertrag und alte Traditionsvereine. Natürlich werden Sponsoren nicht in Vereine investieren, die ihnen nichts bieten. Aber die Interessen sind ganz anders gelagert. Platt gesagt: Die Bindungswirkung zu Fans, die selbst Geld haben und ausgeben wollen, oder solche, die andere veranlassen können, dies zu tun, sind von Bedeutung. Anders ausgedrückt, der 14jährige, der seine Eltern so lange nervt, bis sie ihm Bettwäsche von Bayern München kaufen, weil er nur damit richtig schlafen kann, ist für den Werbeträger wichtiger als der 50jährige Stadionbesucher, der nach dem Spiel sein Bier trinkt und sonst nichts konsumiert. Wenn die Bindungswirkung abnimmt, weil die Zuschauer sich nicht mehr mit dem Verein identifizieren, sind bei nächster Gelegenheit auch die Sponsoren weg. Der einst sehr populäre Ringersport ist in recht kurzer Zeit daran zugrunde gegangen, daß die Vereine leistungsstarke Ausländer verpflichtet haben, um ihre Konkurrenten zu überbieten. Als dann niemand mehr Interesse zeigte und die Zuschauer wegblieben, war auch das große Geld verschwunden.

Das kann – muß aber nicht so kommen. Die Bundesliga kann sogar ohne erfolgreiche Nationalmannschaft weiter bestehen und Erfolg haben. England beispielsweise verfügt über international erfolgreiche Clubs, aber schneidet bei den Welt- oder Europameisterschaften regelmäßig schwach ab, während Dänemark keine leistungsstarken Vereine hat, aber eine Nationalmannschaft, die durchaus für Überraschungen gut ist.

Als Deutschland 1990 zum letzten Mal Weltmeister wurde, spielten maximal drei Ausländer in jedem Bundesligateam. Heute gibt es Vereine, die sogar ohne deutsche Spieler auskommen. In der Regel sind es aber nicht mehr als vier oder fünf Deutsche, die jede Woche auf dem grünen Rasen auflaufen. Nüchtern betrachtet ist es so, daß 1990 der Bundestrainer neun mal 18 Spieler in der Bundesliga zur Auswahl hatte, um sie in die Nationalmannschaft zu berufen. Heute sind es vier mal 18 also nur noch 72 Kandidaten, die für eine Nominierung in Frage kommen.

Foto: Kampf: Bayerns Lucio (Brasilien, r.) gegen Stuttgarts Silvio Meissner (2.v.l.) und Cacau (Brasilien).


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