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18.08.07 / Eine Epidemie auf Rädern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007

Eine Epidemie auf Rädern
von Harald Fourier

Ich bin schon vor 20 Jahren mit dem Fahrrad zur Schule gefahren. Das war ein weiter Weg von Tegel bis nach Tiergarten. Damals habe ich mich immer strikt an die Verkehrsvorschriften gehalten.

Inzwischen fahre ich wieder öfter mit dem Rad, doch anders als früher: Heute halte ich mich dabei nicht mehr durchweg an die Straßenverkehrsordnung. Das tut hier nämlich keiner.

Angefangen hat es bei mir damit, daß ich – wie so oft – an einer reinen Fußgängerampel stand, die Rot zeigte. Die einzige Fußgängerin hatte die Straße schon längst überquert, aber die Ampel schaltete einfach nicht auf Grün. Also fuhr ich frech drüber.

Einst hatte ich mich in der gleichen Situation immer gesetzeskonform verhalten und gewartet. Aber dann sind stets andere Fahrradfahrer an mir vorbeigefahren und haben mir diesen „Was-bist-du-nur-für-ein-Idiot?“-Blick zugeworfen. Monatelang. Nie ist einer von den Zweirad-Rüpeln zur Rechenschaft gezogen worden, obwohl das Überqueren einer roten Ampel ein ziemlich heftiges Vergehen ist – auch wenn es „nur“ ein Fahrradfahrer ist.

Überhaupt habe ich nur ein einziges Mal eine Art Mausefalle für regelverachtende Fahrradfahrer gesehen. Da stand die Polizei in der Michelangelo-Straße und überprüfte, ob Licht und Bremsen funktionieren. Sonstige Kontrollen irgendwie, irgendwo, irgendwann? Fehlanzeige.

Im Berliner Straßenverkehr (mit immerhin annähernd 40 Unfällen mit Personenschaden pro Tag) ist in Bezug auf Radfahrer das eingetreten, was die New Yorker „Broken-Windows“-Effekt“ nennen (bedeutet: zerbrochene Fenster): Ist in einem leerstehenden Gebäude erst einmal ein einziges Fenster  zerstört (von einem jugendlichen Steinewerfer zum Beispiel), dann dauert es nicht mehr lange, bis alle anderen auch eingeworfen worden sind. Weil andere Jugendliche sich dann erst recht einen Spaß daraus machen, die restlichen mit Steinen zu zerdeppern. Vor allem, weil es niemanden zu kratzen scheint. Also, so die Schlußfolgerung der New Yorker Polizei, muß bereits der allererste Steinewerfer mit Strafe rechnen. Nur so kann die Ordnung aufrecht erhalten werden. Nur so kann verhindert werden, daß sich die Verluderung der Sitten wie eine Epidemie verbreitet – egal, bei welchem „alltäglichen“ Rechtsverstoß.

Das ist kein Plädoyer für den Polizeistaat. Aber die Straßenverkehrsordnung wird erst wieder eingehalten, wenn Fahrradfahrer nicht mehr wie Heilige Kühe von Konsequenzen verschont bleiben, weil die Polizei nur Falschparker verfolgt. Ich weiß, wovon ich rede.


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