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18.08.07 / Darum rechne, wer sich ewig bindet / Gibt es tatsächlich eine Formel für die perfekte Partnerschaft?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007

Darum rechne, wer sich ewig bindet
Gibt es tatsächlich eine Formel für die perfekte Partnerschaft?
von Corinna Weinert

Sie grummelt. Er schweigt. Sie motzt. Er grinst. Schrei mich nicht an! Ich schrei nicht! Ehekrach folgt eigenwilligen Regeln. Oft erkennt er schon an ihren Mundwinkeln, was los ist. Und sie weiß genau, was seine gerunzelte Stirn bedeutet. Was dann unausweichlich folgt, ist allseits bekannt: heftigster Streit.

... und sie lebten glücklich miteinander bis ans Ende ihrer Tage. In Märchen funktioniert das dauerhafte Zusammenleben zweier Liebender immer, in der Realität sieht es – wie die Zahl der Scheidungen bestätigt – leider ganz anders aus. Aber warum scheitert die eine Partnerschaft und die andere nicht?

Die US-Forscher John Gottman und James Murray sind davon überzeugt, daß sie mit Hilfe der Mathematik die Dauer einer Ehe bestimmen können. In einer Langzeitstudie hat das Forscher-Team das Konfliktlösungsverhalten von mehr als 600 Paaren auf Video aufgezeichnet und ausgewertet. Das Filmen ist auch heute noch Grundlage der Vorhersage, die das Forscher-Team hinsichtlich der Dauer einer Ehe trifft: Alles Ehe-Entscheidende, beispielsweise liebevolle Gesten, skeptische Mienen und verräterische Untertöne in der Stimme, filtern die Fachleute aus den Aufnahmen heraus. „Dann übersetzten wir die Schlüsselelemente in Mathematik, die jeder Oberstufenschüler beherrschen kann“, sagt Murray, der das Modell entwickelt hat. Das Ergebnis der Berechnungen läßt Rückschlüsse darauf zu, ob ein Paar glücklich wird oder ob die Beziehung zum Scheitern verurteilt ist. Die Partner bleiben zusammen, wenn ihnen der Computer die magische Ideal-Formel 5 : 1 ausspuckt, soll heißen: Die positiven Signale einer Partnerschaft überwiegen bei weitem die negativen. Je kleiner dagegen die erste und je größer die zweite Ziffer ist, desto schlechter ist es um die Beziehung bestellt. Fällt der Wert gar auf 0,8 : 1, dann ist eine sofortige Eheberatung angesagt. Die Eheformel ist einfach und kompliziert zugleich. Sie lautet für die Frau: a+r1·w(t)+ihw[h(t)]=w(t+1) und für den Mann: b+r2·h(t)+iwh[w(t)]=h(t+1).

Die jeweils ersten Variablen a und b der Eheformel, die Gottman per Fragebogen ermittelt, beschreiben, wie wohl sich jeder ohne seinen Partner fühlt. Ebenso wird die Zufriedenheit der Partner mit ihrer Ehe hinterfragt. Die Zahlen für die Formel liefert dann das 15minütige Streitgespräch, das die Eheleute im Labor durchführen. Ähnlich wie beim Lügendetektortest fließen auch bei der Eheformel Atemfrequenz, Pulsschlag und Schweißproduktion mit in die Berechnung ein. Die Videokamera hält Mienenspiel und Körpersprache fest. Im Streitgespräch ist nicht wichtig, was, sondern wie etwas gesagt wird. Jeden Gesichtsausdruck und jeden Satz bewerteten die Forscher auf einer Emotionsskala von Verachtung (-4) über Jammern (-1) bis hin zur Zuwendung (+4).

Der zweite Teil der Eheformel gibt wieder, wie schnell und stark jeder einzelne Partner auf die Meinung des anderen eingeht. Entscheidend für das Ergebnis ist auch, welches Naturell die Partner jeweils verkörpern, ob sie sprunghaft diskutieren, Konflikten ausweichen oder sich  gegenseitig bestätigen.

Der dritte Teil der Eheformel erfaßt, ob und in welcher Zeit es dem einzelnen gelingt, die Meinung des anderen zu beeinflussen. Alle sechs Sekunden erfolgt eine Aktualisierung der Messungen. Dabei fließen die Werte und Reaktionen der Frau (w) mit einer kurzen Zeitverzögerung in die Formel vom Mann (h) mit ein, und umgekehrt.

Grundsätzlich lassen sich laut Gottman drei Charaktere stabiler Verbindungen unterscheiden. In die erste Gruppe fallen Paare, die einem Streit grundsätzlich aus dem Weg gehen. Falls Mann und Frau unterschiedlicher Meinung sind, „werden sie sich niemals streiten. Sie werden dem anderen zuhören, aber sie werden nicht versuchen, ihn umzustimmen“, so Gottman. Die Partnerschaft solcher „Ausweichler“ ist nach seiner Auffassung möglicherweise emotionsarm und distanziert, jedoch von Dauer. Als zweiten Typ identifizierte Gottman sprunghafte Beziehungen – „wie zwei Anwälte in einem Gerichtssaal: Sie können sich über einen heruntergefallenen Hut streiten“. Auch solche Verbindungen halten trotz ständiger und heftiger Wortgefechte aus seiner Sicht in der Regel lange. Die dritte Gruppe bezeichnet Gottman als „bestätigende“ Paare, die dem Partner zuhören, dessen Meinung respektieren und sich nur gelegentlich streiten. „Sie suchen sich ihre Streitpunkte aus“, meint Gottman. Schwierig werden Beziehungen seiner Erfahrung zu Folge, sobald zwei unterschiedliche Streittypen aufeinander treffen. Finden beispielsweise die Charaktere „Ausweichler“ und „hitziger Diskutierer“ zusammen, sei die Trennung in der Regel programmiert. Die Prognosen der Forscher treffen angeblich bei 94 von 100 Ratsuchenden zu.

Die größten Gefahren für eine Beziehung sind laut Gottman: Einmauern, Feindseligkeit, Geringschätzung und ständiges Kritisieren. Garanten für eine stabile Partnerschaft sind dagegen: Humor, Respekt, ein offenes Ohr und Aufgeschlossenheit dem Partner gegenüber.

Wer es schafft, auch beim Streit ums Geld oder über die Schwiegermutter noch zu lachen, statt die Augen zu verdrehen, hat die besten Chancen, gemeinsam alt zu werden.

Verachtung für den Partner ist im Gegenzug das sicherste Zeichen für den Weg eines Paares zum Scheidungsrichter. Entscheidend ist auch, wie sich Paare ihrer Vergangenheit erinnern. Fast alle Paare, die gerne an die gemeinsam verbrachte Zeit denken und sie spontan befragt auch positiv schildern, erwartet auch eine glückliche Zukunft. 

Ein schlechtes Ergebnis bei der Eheformel muß allerdings nicht zwangsläufig das Aus für die Beziehung bedeuteten. Wer bereit ist, sich zu ändern und an seiner Beziehung zu arbeiten, kann seine Ehe durchaus retten.


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