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18.08.07 / Einfach vergessen / Der Freiherr Knigge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007

Einfach vergessen
Der Freiherr Knigge

Manchmal verselbständigen sich Erfindungen und Werke eines Menschen so sehr, daß er selber nachher hinter seinem Geniestreich verschwindet. So erging es auch dem Freiherrn Adolph Knigge. Über ihn selbst und seine anderen durchaus anspruchsvollen Werke ist kaum etwas bekannt: Knigge steht heute nur noch für gutes Benehmen. Dieses Defizit will Ingo Hermann auflösen. In „Knigge – Eine Biographie“ stellt er den eigensinnigen Freiherrn aus verarmtem Adel vor, der nie die Ansprüche seines Vaters an ihn erfüllte, dafür aber von seiner Mutter verhätschelt wurde. Dank seiner Mutter mit einem beachtlichen Selbstbewußtsein ausgestattet, dient sich der früh verwaiste Knigge bei Hofe an. Doch der 1752 geborene Freiherr erlebt die Endphase absolutistischer Höfe und stolpert somit über so manche Fettnäpfchen, die das Ego seiner Arbeitgeber verletzen. So kommt Knigge auch an seine Ehefrau Henriette. Denn da die Kasseler Landgräfin Knigges Humor, der manchmal auf ihre Kosten ging, nicht teilen kann, zwingt sie ihm nach einem Scherz des Freiherrn die Dame auf.

Über die Ehe weiß der Autor nur mit Sicherheit zu sagen, daß ihr die Tochter Philippine entstammte, aber inwieweit sich die Eheleute zugetan waren, ist schwer zu sagen. Knigge selbst klagte häufig über sein zänkisches, unzufriedenes Weib, die Tochter und Zeitzeugen hingegen loben Henriettes Opferbereitschaft ihrem Mann gegenüber.

Nach Kassel versucht der landlose Gutsherr – seine Güter sind verpfändet – am Hofe Friedrich des Großen unterzukommen, doch Friedrich II. weicht aus. „Es ist nicht mehr als gerecht, daß ich als Vater meiner Untertanen den Menschen mit Talent und Genie, die ich unter ihnen finde, den Vorzug vor Fremden gebe.“ Auch Weimar und andere Höfe bieten dem jungen Mann keine Anstellung. Nachdem er überall abgewiesen wurde, obwohl er sich ziemlich aufgedrängt hat, und auch sein schon fast fanatisches Engagement bei den Freimaurern nur zu Enttäuschungen geführt hat, schließlich hat Knigge zu wenig Vermögen, um voll anerkannt zu werden, versucht er sich als freier Autor. Zu Henriettes Freude verdient ihr Mann jetzt endlich einmal Geld und so sind sie nicht nur auf ihr Erbe angewiesen. Inzwischen ist Knigge allerdings schon 27 Jahre alt und hat genügend Erfahrungen gemacht, um seine Erlebnisse bei Hofe in gesellschaftskritischen Werken zu verarbeiten. Knigge hat Erfolg, auch wenn Goethe ihn nicht als Schriftsteller-Kollegen betrachtet. Auch in Erziehungsfragen meldet sich der hauptberufliche Rezensent zu Wort, wobei er sich in der Realität bei seiner Tochter Philippine ausprobiert, an der er seine Theorie nicht immer eins zu eins umsetzen kann.

Mit nur 44 Jahren stirbt der lange Zeit schon kränkelnde Freiherr, der bereits zu Lebzeiten nie die Achtung und Anerkennung erhielt, die er seiner Meinung nach verdient hat.            Rebecca Bellano

Ingo Hermann: „Knigge – Eine Biographie“, Propyläen, Berlin 2007, geb., 368 Seiten, 24 Euro, Best.-Nr. 6307


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