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18.08.07 / Vom schönen Schein / Gescheiterter Regisseur versucht in Hollywood zu überleben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007

Vom schönen Schein
Gescheiterter Regisseur versucht in Hollywood zu überleben

„Und was wird aus mir“? Das könnte sich eigentlich jede der Personen aus Doris Dörries gleichnamigen Roman fragen.  Doris Dörrie erzählt die Geschichten dreier junger Deutscher, die in den 1970er Jahren gleich mit ihrem ersten Film einen vollen Erfolg landen – direkt in Hollywood. Johanna und Heidi als hoffnungsvolle Schauspielerinnen, Rainer als kreativer Jungregisseur. Doch die schnellebige Unterhaltungsbranche läßt ihre Helden bald fallen. Johanna und Heidi passen sich den veränderten Verhältnissen an – Johanna geht als Requisiteurin in Deutschland an die Oper, Heidi entdeckt ihr Talent als spirituelle Beraterin und esoterisches Medium und bleibt in den USA. Nur Rainer schafft den Absprung aus dem Filmgeschäft nicht und versucht, in Hollywood nicht unterzugehen. 

Obwohl er keine Aufträge bekommt, seine Ehe längst in die Brüche und seine Frau mit der gemeinsamen Tochter zurück nach Deutschland gegangen ist, er ohne festen Wohnsitz mittlerweile nur noch auf Pump lebt, spielt er einmal im Jahr den erfolgreichen Starregisseur – wenn seine Tochter Allegra ihn besuchen kommt. Sie darf natürlich nicht erfahren, daß er in den jährlich wechselnden pompösen Villen, in denen er sie empfängt, nur einhütet, so lange die Eigentümer irgendwo ihren Luxusurlaub verbringen, und daß die Jaguars, Porsches und BMWs, mit denen er das junge Mädchen beeindruckt, nur gemietet sind.

Die Lage eskaliert, als sich zur Zeit von Allegras Besuch auch Johanna angesagt hat, die nach rund 20 Jahren und einer schweren beruflichen Schlappe aus nostalgischer Sehnsucht Rainer einmal wiedersehen möchte, mit dem sie in ihrer erfolgreichen Zeit in Hollywood zusammengelebt hat. Der gemeinsame Rückblick auf die vergangenen Zeiten hat durch Allegras Anwesenheit kaum Gelegenheit ins Rührselige abzugleiten. Rainer bleibt letztendlich nichts anderes übrig, als Johanna in sein Geheimnis einzuweihen und sie zu bitten, ihn bei seinem Täuschungsmanöver zu unterstützen. Durchaus skeptisch nimmt sich Johanna des zumeist gelangweilten, übel gelaunten und auf den Konsum von Designerprodukten programmierten Teenagers an. Allegra jedoch macht keinen Hehl daraus, daß sie von dieser weiteren Person im Haus keineswegs entzückt ist.

Vollends nimmt das Chaos seinen Lauf, als der Eigentümer der Villa früher als erwartet zurück kommt.

Eine Odyssee mit leerem Geldbeutel, ungedeckter Scheckkarte, und einer bunten Abfolge mehr oder weniger gelungener Improvisationen beginnt, die den Beteiligten jede Menge neuer Erfahrungen und Erkenntnisse beschert – unter anderem auch über die Liebe –, außerdem zu erstaunlichen Entwicklungen führt, in die auch Heidi mit einbezogen wird ...

Doris Dörrie läßt ihre Charaktere plastisch und farbig vor dem Auge des Lesers entstehen, erzählt mit zum Teil resignativer Ironie, lakonisch, aber immer lebendig vom normalen Wahnsinn im amerikanischen und deutschen Film- und Theatergeschäft.

Die Autorin studierte Theaterwissenschaft und Schauspiel in den USA und in München an der Hochschule für Film und Fernsehen, wo sie heute auch lehrt, und arbeitet seit Jahren im Filmgeschäft.

Man spürt, daß sie die Welt, in der ihre Personen handeln, leben, leiden und lieben, aus eigener Anschauung kennt.

Aber auch die allgemeine Tragik und Komik im Verlauf menschlicher Entwicklungsprozesse  zeichnet sie mit treffsicherer Feder, scharfem Profil und einfühlsamer Tiefe. Helen Bauers

Doris Dörrie: „Und was wird aus mir?“, Diogenes, Zürich 2007, geb., 432 Seiten, 22,90 Euro, Best.-Nr. 6308


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