29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.08.07 / Moral ist modeabhängig / Im Bombenkrieg stand der Humanitätsgedanke nicht zur Debatte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007

Moral ist modeabhängig
Im Bombenkrieg stand der Humanitätsgedanke nicht zur Debatte

Aus dem Titel des Buches „Die Moral des Bombenterrors – Alliierte Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg“ könnte man schließen, hier habe der deutsche Autor Lothar Fritze, Philosoph und Politikwissenschaftler am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der Uni Chemnitz, zur selben Zeit dasselbe Thema behandelt wie der britische Philosoph A. C. Grailing in seinem Buch „Die toten Städte – Waren die alliierten Bombenangriffe Kriegsverbrechen“. Beim genaueren Hinsehen aber erweist sich, daß Fritzes Buch viel weiter geht und uns Deutschen auch bedeutend mehr zu sagen hat. Fritze beschränkt sich nicht, wie sein britischer Fachkollege, auf den angloamerikanischen Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung, den Grailing klipp und klar als monströses Verbrechen herausarbeitet, sondern stellt darüber hinaus Fragen nach der Legitimität auch anderer Handlungen der Siegermächte. Sein Motiv: In den Nachkriegsjahren wurde und wird immer wieder politisches Handeln durch Bezugnahme auf die geschichtlichen Erfahrungen gerechtfertigt, etwa indem der seinerzeitige Bundesaußenminister Fischer den militärischen Einsatz Deutschlands auf dem Balkan damit rechtfertigte, man müsse „ein neues Auschwitz“ verhindern. Nicht nur einmal wurden Angriffskriege damit begründet, der gegnerische Staatsmann sei eine Art „neuer Hitler“.

Aus der Untersuchung der Kriegführung der Alliierten ergeben sich brisante Fragen, die Fritze in der behutsamen Art eines Philosophen begründet. Die britische Luftkriegsstrategie, konzipiert bald nach dem Ersten Weltkrieg, ging von Anfang an davon aus, daß im nächsten Krieg derjenige siegt, der in der kürzesten Zeit die größtmögliche Anzahl Frauen und Kinder tötet und damit die gegnerische Kampfmoral bricht. Daß man damit gegen das internationale Kriegsvölkerrecht wie jede Moral verstieß, ließ man unbeachtet. Churchill hatte nie die Absicht, sich von humanitären Grundsätzen leiten zu lassen. Moralische Argumente hielt er für „modeabhängig“, so etwa die Frage, ob man gegen deutsche Städte Giftgas einsetzen solle. Sein Unterstaatssekretär Butler nannte ihn den „größten politischen Abenteurer der Neuzeit“. Der deutschen Seite bescheinigt Fritze, sie habe sich bis 1942 beim Luftkrieg ans Völkerrecht gehalten und erst nach zahlreichen wirkungslosen Appellen an die britische Regierung, sich ans Völkerrecht zu halten, ebenfalls die Grenzen überschritten. Ganz deutlich wurde der verbrecherische Charakter des britisch-amerikanischen Luftkriegs im letzten Kriegsjahr, als feststand, daß Deutschland den Krieg nicht gewinnen könne, die Gegner aber dennoch mit ihren Flächenangriffen gegen die deutsche Zivilbevölkerung fortfuhren, obgleich sie inzwischen Instrumente für punktgenaue Angriffe auf militärische Ziele entwickelt hatten. Den Gipfel erreichte die Barbarei mit den befohlenen Tieffliegerangriffen gegen einzelne Zivilisten auf Straßen und Plätzen.

Wenn denn der Krieg gegen die angeblich zivilisationsfeindliche NS-Ideologie geführt wurde, warum dann nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht die noch brutaleren Luftangriffe auf japanische Städte wie Tokio und Hiroshima und Nagasaki (insgesamt etwa eine halbe Million Tote)?

Heute werde von in- und ausländischen Propagandisten die Kriegserklärung Großbritanniens und Frankreichs gegen Deutschland damit gerechtfertigt, Polen hätte gerettet werden müssen. Warum aber nahm man es dann ohne Reaktion hin, fragt Fritze, daß die Sowjetunion in Polen einmarschierte? Wenn deutsche Intellektuelle Churchill zu den „ganz Großen des 20. Jahrhunderts“ hochstilisieren und ihm bescheinigen, er sei mit seinem „berserkerhaften Kampfeswillen gegen Deutschland von Anfang an im Recht gewesen“ (so Hans-Peter Schwarz), dann fragt Fritze, welche Gefahren man 1939 abwehren wollte, bot doch Deutschland kein grundsätzlich anderes Bild als andere europäische Staaten. Antisemitismus war weit verbreitet. Und die Sterilisation von Erbkranken wurde offen diskutiert und in Skandinavien auch durchgeführt. Totalitär regiert wurde nicht nur Deutschland.

Fritzes Schluß: Wer über den Zweiten Weltkrieg nachdenkt, muß auch die Verbrechen der Sieger benennen, um zu verhindern, daß deren Verhaltensgrundsätze Vorbildcharakter gewinnen für zukünftige Handlungen.    H.-J. von Leesen

Lothar Fritze: „Die Moral des Bombenterrors – Alliierte Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg“, Olzog Verlag, München 2007, geb., 348 Seiten, 29,90 Euro, Best.-Nr. 6312


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren