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 18.08.07 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007


Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

wenn man älter wird, gehen die Gedanken immer öfter und stärker zu jenen Menschen zurück, die einmal unsern Lebensweg gekreuzt haben, vor allem in den schweren Tagen während des Krieges und der Flucht. So ergeht es auch Herrn Karl Matheis, der als junger Verwundeter 1942 in einem Königsberger Lazarett fern seiner Heimat Paustenbach bei Monschau lag und während dieser Zeit und danach von einer Königsberger Familie betreut wurde, der Familie Schröder aus der Henschestraße 23. Der Vater, Richard Schröder, war Fotograf am Stadttheater, er hatte mit seiner Ehefrau drei Kinder: Armin, Renate und Brigitte. Es muß eine sehr herzliche Verbindung gewesen sein, denn Herr Matheis hat später seine Tochter nach der damals achtjährigen Renate benannt. Gemeinsam hat der 21jährige Wehrmachtsangehörige (Division 329, Reg. 552) während oder nach seiner Genesung 1943 das Weihnachtsfest mit der Familie Schröder gefeiert. Auch als die Schröders 1944 in der Henschestraße ausgebombt wurden, riß die Verbindung nicht ab. Herr Matheis erhielt die letzte Post von Brigitte Schröder am 3. Januar 1945 aus Bergau, wohin die Schröders geflohen waren. Später erhielt er noch einmal eine Nachricht von einer Freundin der Familie, Barbara Raabe. Das ist alles, was der Enkel von Karl Matheis, an Informationen von seinem heute 85jährigen Großvater erhalten hat. „Ich und meine Familie wären sehr dankbar, wenn Sie uns bei der Suche nach der Familie Schröder helfen könnten“, schreibt Herr W., was wir nun hiermit veranlaßt haben. Infos an die LO.

Diese Rückbesinnung veranlaßt auch Herrn Armin Jedosch aus Göttingen, sich an uns zu wenden. Er formuliert sie so: „Bei einem bewegten Leben werden erst im Alter gewisse Erinnerungen wach, dies habe ich jetzt an mir feststellen können. Vielfach fehlten einfach Zeit und Muße, sich um Dinge zu kümmern, die eigentlich wichtig gewesen wären.“ Und so läßt ihn seit vielen Monaten eine Erinnerung nicht los, die auch nach Königsberg führt, denn dort hatte er 1943/44 eine liebe Jugendfreundin, die er nie vergessen hat. Ihr Mädchenname war Helga Blumenthal, ein Nachbarskind, das gegenüber der elterlichen Wohnung von Herrn Jedosch auf dem Hinterroßgarten 27 wohnte. Ende 1944 verließ die damals 14jährige Königsberg, aber der Kontakt blieb auch nach Kriegsende und Vertreibung erhalten. Die letzte Nachricht von Helga bekam Armin Jedosch Weihnachten 1953 aus Amberg / Ob. Pfalz. Beigelegt war ein hübsches Foto der nun 23jährigen, das er heute noch besitzt. Dann riß die Verbindung ab, die Herr Jedosch nun wieder knüpfen will. Deshalb seine Suchfrage: Kennt oder kannte jemand Helga Blumenthal? Sicher hat die Gesuchte geheiratet und trägt einen anderen Namen. Vielleicht liest ihre alte Königsberger Freundin Ruth diese Zeilen und kann Auskunft geben. „Meine Freude wäre unbeschreiblich, wenn ich noch einmal zu Helga Kontakt aufnehmen könnte, es ist mir wirklich eine Herzensangelegenheit, von ihrem Schicksal zu erfahren“, so beendet Herr Jedosch sein Schreiben. (Armin Jedosch, Lange Geismarstraße 71 in 73073 Göttingen, Telefon 05 51 / 5 76 24, E-Mail: armin.jedosch@free-net.de)

Im Sommer 1943 besuchte Helge Jan Schmodde das Tannenberg-Denkmal bei Hohenstein, damals ein erst zehnjähriger Bub, für den aber dieses Ereignis unvergessen blieb. Besonderen Eindruck machte auf ihn ein mehrere Quadratmeter großer „Sandkasten“, der das Kampfgebiet der großen Schlacht von 1914 maßstabgetreu zeigte. Herr Schmodde möchte so gerne eine Abbildung dieses Dioramas haben und bittet um Hinweise, wo er sie finden könnte. Nun weiß ich, daß sich einige Leser intensiv mit dem Tannenberg-Denkmal beschäftigen und entsprechendes Material besitzen – sicher kann einer Herrn Schmodde weiterhelfen. (Helge Jan Schmodde, Dachbergstraße 82 b in 65812 Bad Soden, Telefon 0 61 96 / 2 67 07.)

Und nun sind wir bei den „Nuschtkes“ angelangt – ich hatte überlegt, ob ich überhaupt diese Frage veröffentlichen soll, denn sie ist wirklich delikat, wie die Schreiberin, Frau Roswitha Kulikowski, sie selber bezeichnet. Frau Kulikowski nahm in Hannoversch-Münden an einem Rundgang teil, auf dem die Stadtführerin von historischen Figuren erzählte, sogenannten Pelerinen-Männern, die mit ihren Fäkaleimern durch die Stadt gingen, in der es noch keine öffentlichen Toilettenhäuschen, keine Kanalisation gab. Sie ermunterten die Passanten, die ein dringendes Bedürfnis verspürten, zur Benutzung der an einer auf ihren Schultern liegenden Pede hängenden Holzeimer, wobei sie ihre „Kunden“ bei der Verrichtung mit dem weiten Umhang vor den Blicken anderer Passanten schützten. Es gab tatsächlich solche Frauen und Männer Ende des 18. Jahrhunderts in deutschen Städten. So sind sie in Hamburger Museen mit zeitgenössischen Abbildungen belegt und beweisen einen damals durchaus üblichen Vorgang. Diese hygienische Dienstleistung versinnbildlicht ein zivilisationsgeschichtliches Übergangsphänomen: Es ist nicht mehr schicklich, seine Notdurft offen auf der Straße zu verrichten, aber der Vorgang geschieht noch in der Öffentlichkeit und ist noch nicht völlig in die Privatsphäre verdrängt. Nun fragt Frau Kulikowski, ob es solche ambulanten Abtrittsanbieter auch im alten Königsberg gegeben hat. Mir ist darüber nichts bekannt, nehme aber an, daß – wenn es in größeren Städten so üblich war – Königsberg keine Ausnahme machte. Wie sie ihren Dienst anpriesen, will unsere Leserin wissen und legt einige sehr derbe Vorschläge bei. Ich nehme an, daß sie es ähnlich wie in Hamburg taten: „Will Ji wat maken?“ Da zu jener Zeit auch in Königsberg plattdeutsch die Umgangssprache war, kann der Werbespruch gelautet haben: „Wull Ju wat moake?“ Zufrieden, liebe Frau Kulikowski? Vielleicht erhalten Sie ja aus unserm Leserkreis zu diesem ausgefallenen Thema historisch belegte Zuschriften. (Rosemarie Kulikowski. Arnumer Straße 28 in 30966 Hemmingen, O.T. Harkenbleck, Telefon 0 51 01 / 25 30.)

Dann noch etwas in eigener Sache: Mein Gedicht „De Oawebank“ ist jetzt auch in das niedersächsische Platt übertragen worden. „Übersetzt“ will ich nicht sagen, denn es wurde von einer niederdeutschen Version in die andere übertragen. Das ist Ihnen glänzend gelungen, liebe Ingrid Schmidt. Und hat mich zurückversetzt in jene Zeit, als ich – gerade 20jährig – am Wettstreit „Der Goldene Spatz“ der niederdeutschen Autoren in Wuppertal teilnahm. Damals verstanden wir uns alle nahtlos, wenn jeder in seiner Mundart sprach, gleich ob er aus Ostfriesland oder Ostpreußen, dem südlichen Niedersachsen oder dem nördlichsten Schleswig-Holstein kam. Übrigens gibt es von der „Oawebank“ auch eine russische Version. Wie der Übersetzer das geschafft hat – motsd di wundre!

Da bekomme ich eine E-Mail, die mich auf den ersten Blick erfreut, denn sie beweist, daß einige von der Absenderin gestellten und veröffentlichten Suchfragen beachtenswerte Erfolge zu verzeichnen haben, aber dann kippt meine Stimmung. Denn die betreffende Dame moniert, daß es nur zwei „wertvolle Signale“ gegeben hätte und bittet mich, ihre Wünsche noch einmal zu veröffentlichen, denn das sei noch zu wenig! Nun war laut Datum der E-Mail die Veröffentlichung erst 14 Tage her, und ich finde es beachtenswert, daß in dieser kurzen Zeit bereits zwei brauchbare Zuschriften erfolgten. Wir sind eine Wochenzeitschrift, die in der ganzen Welt gelesen wird, ob in Australien oder Kanada, Brasilien oder Schweden, wohin es unsere Landsleute eben verschlagen hat. Trotz modernster Kommunikation: die Wege dauern länger. Hinzu kommt, daß unsere PAZ oft Auge und Ohr der älteren Leserinnen und Leser erst sehr viel später erreicht, wenn sie von Hand zu Hand weitergegeben oder, wie in manchen Heimen, ausgelegt wird. Und manchmal muß eben auch vorgelesen werden, wenn das Augenlicht nachgelassen hat. Aber gerade die Älteren und Ältesten aus unserm Leserkreis sind die wichtigsten Informanten, weil sie Zeitzeugen sind und vielleicht noch die gesuchten Dinge besitzen wie Bücher, Fotos, Chroniken und andere Dokumente. Jetzt im Sommer kommt noch eine andere Verzögerung hinzu: Es ist Reisezeit, und so dauert es manchmal Wochen, bis die inzwischen eingegangenen Postsachen gelesen werden. Vor allem Zeitungen und Zeitschriften – das bekommen wir auch zu spüren.

Da habe ich nämlich in den letzten Folgen auf unser Symposium „Die Flucht“ hingewiesen, das vom 13. bis 16. September im Ostheim, Bad Pyrmont, stattfindet, und stelle nun verblüfft fest, daß sogar Leserinnen und Leser, die zu den Treuesten und Eifrigsten in unserm Familienkreis gehören, von dem viertägigen Symposium nichts wußten. Sie hatten die betreffenden Ausgaben noch nicht oder nur teilweise gelesen. Das wurde mir in Gesprächen bestätigt, am Telefon oder auch bei persönlichen Besuchen. Aber jetzt geht die Ferienzeit langsam zu Ende, und wenn auch Senioren gerne „nachzageln“, weil sie nicht mehr an Urlaubstermine und Schulferien gebunden sind: Der Alltag hat die meisten wieder. Deshalb weise ich auch heute auf das Symposium hin, zu dem alle Leserinnen und Leser eingeladen sind, die sich mit der Problematik, die durch den TV-Zweiteiler „Die Flucht“ gerade bei uns Vertriebenen entstanden ist, beschäftigen wollen. Wir werden den Film  gemeinsam sehen, auch die Dokumentation „Die Flucht der Frauen“ – die viele Betrachter viel stärker angesprochen hat als der Film mit seiner fiktiven Handlung –, werden daran Beteiligte und weitere Referenten zu diesem Thema hören und vor allen Dingen das eigene Erleben und Empfinden in die Diskussionsrunde einbringen – das ist unser Hauptanliegen. In unserer Redaktion wurde diese Idee geboren und das Programm entwickelt, das jetzt vorliegt und allen Interessenten zugesandt wird. (Zuschriften an die PAZ / Das Ostpreußenblatt, Parkallee 84-86, 20144 Hamburg, Fax 040 / 41 40 08 50, E-Mail: redaktion@preussische-allgemeine. de) Eingehende Informationen sind in der letzten Ausgabe der PAZ / Das Ostpreußenblatt (Nr. 32, Seite 19) zu finden.

Was mich übrigens verblüfft hat: Unter den Teilnehmern, die sich bereits nach der Vorankündigung gemeldet haben, überwiegen die männlichen Interessenten. Das erfreut uns besonders, hatten wir doch gedacht, daß sich in erster Linie die Hauptleidtragenden, die Frauen, melden würden. Ein Beweis, wie schwer dieses Thema, das so oft als „Schnee von gestern“ bezeichnet wurde, heute im Bemühen um eine ehrliche Aufarbeitung der jüngeren deutschen Geschichte gewichtet wird.

Eure Ruth Geede


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