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01.09.07 / Die Augen zu und durch / Große Koalition in der zweiten Halbzeit ohne jeden Reformeifer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

Die Augen zu und durch
Große Koalition in der zweiten Halbzeit ohne jeden Reformeifer
von Klaus D. Voss

Aufgelaufen zur zweiten Halbzeit – jetzt wird auf Sieg gespielt. Das gilt jedenfalls im Sport. Für die Große Koalition in Berlin hieße das, endlich die drängenden Reformaufgaben anzupacken, die Deutschland und die deutsche Wirtschaft wieder auf die Siegerstraße bringen könnten. Nichts davon wird geschehen, und die Kabinenpause auf Schloß Meseberg war alles andere als ein Aufbruch zu neuen Taten.

Die zentralen Themen unseres Landes blieben an den Rand gesetzt:

• eine Wirtschaftspolitik, die bei allen Bürgern ankommt, jedenfalls verhindern könnte, daß große Teile der Bevölkerung in Existenznot geraten. Die Zahl derer, die neben ihrem Arbeitseinkommen auf Staatshilfe angewiesen sind, wächst dramatisch.

• eine Bildungspolitik, die nicht nur dem Niedergang schulischer Leistung wegen des Disziplinverfalls begegnet. Letztlich ist auch der beklagte Mangel an „geeigneten Fachkräften“ eine Folge der zunehmend miserablen Ausbildungsergebnisse in den Lehreinrichtungen.

• eine Finanzpolitik, die nach den stärksten Steuererhöhungen aller Zeiten endlich ein Konzept zur Sanierung der Staatsfinanzen aufstellt.

Verlegt hat die Regierung ihr Themenschwergewicht aber in die „Schönwetter-Zonen“ – aus ganz naheliegenden Gründen. Sie muß den Anschein bestehen lassen, es gebe in Berlin eine handlungsfähige und handlungswillige Koalition. Tatsächlich wird bereits der Wahlkampf ausgeflaggt – in nur noch vier Monaten, im Januar beginnt das Super-Landtagswahljahr 2008 mit den Entscheidungen in Hamburg, Hessen, Niedersachsen und später dann in Bayern. Gemeinsam getragene Reformen mit tiefen Einschnitten haben da keine Chance mehr.

Statt dessen konnten die Kabinettsmitglieder ins Unverbindliche ausweichen. Kein Tagesordnungspunkt wurde auf Schloß Meseberg so ausführlich behandelt wie das Kavaliersthema „Klimawandel“ – und die Subventionsgeschäfte, die damit gemacht werden können.

Von der neuen sozialen Herausforderung, die Deutschland umtreibt, hatten sich die Koalitionäre nicht bedrängt gefühlt. Beruhigt durch geschönte Zahlen vom Arbeitsmarkt – nur noch 3,8 Millionen registrierte Arbeitslose – wird übersehen, daß mittlerweile fast 7,4 Millionen Menschen vom Hartz-IV-Bezug leben müssen; jeden Monat steigt die Zahl der ALG-II-Empfänger um 100000 bis 150000 Menschen an. Besonders dramatisch ist die Lage bei Arbeitnehmern, die sich auf Billiglöhne einlassen müssen. Bei steigenden Preisen müssen aktuell 900000 Deutsche ihr Einkommen mit Hartz-IV-Zuschüssen aufstocken, vor Jahresfrist waren es noch 480000.

Lediglich schon relativ Gutverdienenden will Bundesfamilienministerin von der Leyen mit einem vereinfachten Kinderzuschlag über die Runden helfen – aber schon ist in der Koalition heftig umstritten, wer über das 570 Millionen Euro teure Wahlgeschenk bestimmen darf – Arbeitsminister Müntefering (SPD) oder von der Leyen (CDU). (Siehe auch die Beiträge auf Seite 5.)


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