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01.09.07 / Verschwörung gegen Rußland / Ermittler der russischen Polizei sehen Drahtzieher für den Auftragsmord im Westen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

Verschwörung gegen Rußland
Ermittler der russischen Polizei sehen Drahtzieher für den Auftragsmord im Westen
von M. Rosenthal-Kappi

Zehn Monate nach der brutalen Ermordung der Enthüllungsjournalistin Anna Politkowskaja gibt der russische Generalstaatsanwalt Jurij Tschajka erste Ermittlungsergebnisse bekannt. Es heißt, daß zehn Verdächtige verhaftet worden seien, darunter auch Mitarbeiter von FSB und Polizei.

Es überrascht nicht, daß als Hauptverdächtiger und Organisator des Mordes ein 24jähriger gebürtiger Tschetschene festgenommen wurde, dessen Namen man allerdings noch nicht preisgab. Seit einigen Jahren studierte der junge Mann in Moskau an der juristischen Fakultät; er soll einer Moskauer Verbrecherbande angehören und sich als Auftragskiller spezialisiert haben. Mit ihm wurden drei weitere Tschetschenen verhaftet. Überraschend an der Ankündigung des Staatsanwalts ist jedoch, daß erstmals auch ehemalige und gegenwärtige Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes FSB und der Moskauer Polizei mit angeklagt werden, die als Komplizen der Täter Informationen über das Opfer besorgt haben sollen.

Bemerkenswert ist nicht die Tatsache, daß Mitarbeiter der russischen Sicherheitskräfte eines Verbrechens verdächtigt werden, sondern daß die Sicherheitskräfte diese offensichtlich nicht zu decken bereit waren. Es überrascht auch nicht sonderlich, daß Staatsanwalt Tschajka die Ermordung der Journalistin als „Provokation“ einer im Ausland lebenden Person sieht, deren Auslieferung Rußland beantragen werde, sobald genauere Ermittlungsergebnisse vorlägen. Diese Andeutungen gehen in eine andere Richtung als die der bisherigen Recherchen und Ermittlungen von Journalisten, die eine Spur nach Tschetschenien bis hin zum damaligen Präsidenten Ramsan Kadyrow verfolgt und auch Angehörige der kremlnahen Sicherheitsorgane verdächtigt hatten.

Ein Auslieferungsgesuch russischer Behörden würde nur Sinn haben, wenn es sich bei der verdächtigten Person um einen russischen Staatsbürger handelt. Der einzige im Ausland lebende Landsmann, dessen Auslieferung Rußland seit langem anstrebt, ist der im Londoner Exil lebende Ex-Oligarch Boris Beresowskij. Seit geraumer Zeit schon versuchen die russischen Behörden, seiner habhaft zu werden. Da auf legalem Wege nicht an ihn heranzukommen ist, beschuldigen sie ihn immer wieder des Mordes – zuletzt der Ermordung des in London vergifteten Ex-KGB-Agenten Alexander Litwinenko –, um seine Auslieferung fordern zu können. Staatsanwalt Tschajka beklagte in seiner Presseerklärung einmal mehr die Weigerung Großbritanniens, Rußlands Forderung nach Auslieferung nachzukommen.

Die Hintermänner im Westen hätten Rußland demütigen wollen, heißt es in einer Interfax-Meldung. Rußland solle destabilisiert und in eine Krise gestürzt werden, damit man zum alten System der 90er Jahre zurückkehren könne, als das große Geld und Oligarchen die Macht im Lande hatten.

Im politischen Teil der Tageszeitung „Komsomolskaja Prawda“ erschien am selben Tag, an dem der Staatsanwalt die Verhaftungen bekanntgab, ein Artikel darüber, daß Beresowskij erneut zum Sturz Putins aufgerufen haben soll. In einem Interview, das erfunden sein könnte, da dessen Wortlaut nirgends nachzulesen ist, soll Beresowskij gefordert haben, daß westliche Regierungen die Regierungsform des heutigen russischen Präsidenten als verfassungswidrig erklären sollten. Der Westen müsse auf unterschiedliche Art Druck auf Moskau ausüben, als äußerstes Mittel einen Aufstand unterstützen. Ob Beresowskij ein solches Interview tatsächlich gegeben hat, sei dahingestellt. Die Tatsache, daß ein Artikel über die angeblichen Vorstellungen Beresowskijs, die weder im Westen noch im Osten jemand ernst nehmen dürfte, in einer vielgelesenen russischen Zeitung erscheint, und mit Formulierungen wie „ein sich verzehrender Verrückter“ Beresowskij diskreditieren sollen, läßt darauf schließen, daß der Artikel gezielt eingesetzt wurde, um eine bestimmte Meinung in der russischen Öffentlichkeit zu verbreiten. Es zeugt aber auch von einer gewissen Nervosität der Mächtigen, denn der Ex-Oligarch scheint, allen gegenteiligen Zeitungsberichten zum Trotz, immer noch genügend Einfluß in Rußland zu haben, um den Ausgang der bevorstehenden Parlamentswahlen und eventuell der Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr beeinflussen zu können.

Beresowskij unterstützt mit viel Geld von seinem Exil aus Menschenrechtsorganisationen und Oppositionelle. Sollte es ihm gelingen, in Rußland vor den Wahlen ein Bewußtsein für die vielerorts fatale Lage der kleinen Leute zu schaffen, könnte es für die Regierungspartei „Einiges Rußland“ eng werden, vor allem in den Regionen, in denen die Menschen bislang von Rußlands Reichtum nicht profitieren konnten. Obwohl die Präsenz der Putin-Partei allerorts durch übergroße Wahlplakate gegeben ist und Putin übers Fernsehen auch in den entferntesten Winkeln des Landes gegenwärtig ist, findet die Partei nicht überall die Unterstützung, die sie für die Wahl benötigt.

Präsident Putin hingegen genießt großes Ansehen in der Bevölkerung. Die Menschen sehen in ihm den großen starken Herrscher, den sie – vor allem nach den desaströsen Jahren der Perestrojka – zu brauchen glauben. Putin hat Rußland geeint und ihm zu neuem Ansehen in der Welt verholfen.

Ob Putin wieder kandidieren wird, ist offen. Jedoch ist der Präsident bereits angetreten, seine Nachfolge zu regeln. Gouverneure, die der Regierung nicht treu ergeben sind, werden ausgewechselt, damit die „vertikale Machtachse“ erhalten bleibt. Menschenrechtler wie Politkowskaja passen nicht in das Bild vom starken Staat.

Foto: Anna Politkowskaja: Sie starb, weil sie sich zu sehr für Tschetschenien einsetzte.


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