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01.09.07 / Nähe zum Gegner – Lafontaine und die NPD

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

»Moment mal!«
Nähe zum Gegner – Lafontaine und die NPD
von Klaus Rainer Röhl

In der „Bild“-Zeitung wird auf der Seite 2, wo täglich deutsche Innenpolitik für Millionen Leser gemacht wird, der Linken-Führer Oskar Lafontaine als Populist angegriffen und sogar mit der NDP und dem gestorbenen Rechtspolitiker Schönhuber („Ich war dabei“ – bei der Waffen-SS nämlich) verglichen. Die Übereinstimmung ist groß. Sagt Lafontaine „Der Staat ist verpflichtet zu verhindern, daß Familienväter und

-mütter arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen“, so druckt „Bild“ gleich darunter die Forderung der NPD: „Jeder Deutsche hat das Recht auf Arbeit. Arbeitsplätze sind zuerst an Deutsche zu vergeben.“ Lesen Sie mal, wie sich ihre Sprüche gleichen, titelt „Bild“ dazu. Und weiter Lafontaine: „Die Bundeswehr darf nicht weiter für Militärinterventionen im Ausland eingesetzt werden ... Militärbündnisse wie die Nato wollen wir überwinden.“ Dazu die NPD: „Deutsche Streitkräfte dürfen nicht Mittel internationaler Großmachtpolitik sein. Daher fordern wir den Austritt aus der Nato.“

Was beabsichtigt Deutschlands größte Tageszeitung mit dem Vergleich? In der „Bild“-Zeitung, dafür sorgt deren Chef Diekmann für ein sechsstelliges Jahresgehalt, geschieht nichts zufällig. Weder auf Seite 1, wo die Katastrophen und die Nackten ihren Platz haben, noch auf der politisch brisanten Seite 2. Wie haben wir uns also den Angriff auf Lafontaine und die ausführlichen Zitate aus NPD-Reden für Millionen Leser zu erklären? Die Erklärung ist einfach: Die „Bild“-Zeitung hat, was laut Inschrift im Parteibuch der KPD Aufgabe jedes guten Kommunisten sein sollte, aber nie war, „das Ohr an der Masse“. Und sie hat die selbstgestellte Aufgabe, diese Masse zu erziehen.

Eine große Anzahl der Deutschen, rund ein Drittel, mit steigender Tendenz auch im Westen, ist unzufrieden mit der Politik. Mit der Politik der Regierungsparteien, vor allem aber mit der SPD. Die Volksparteien bröckeln. Was tun?

Sollen wir nun für Lafontaine sein? Oder gar für die NPD? Nein. Das sind ja gerade die gefürchteten „Populisten“, die Rattenfänger oder Volksverführer. Wie Lafontaine, der Linken-Flüsterer, der der führungsschwachen SPD jeden Tag mehr zusetzt. Jedenfalls trägt er sehr zu ihrer allmählichen Auflösung als Volkspartei bei. Aber auch rechts sind die Rattenfänger am Werk, die der CDU das Wasser abgraben könnten, selbst der CSU, die allmählich schon vor den Wahlen steht und kein Prozent an eine Splitterpartei abgeben darf. Es geht aufwärts mit uns, doch wir fragen nicht, wann. 35 Prozent der Deutschen geht es gut. Abgeordnete des Bundes oder der Länderparlamente gehören übrigens auch dazu. Sie haben halbwegs sichere Arbeitsplätze und fahren schöne neue, schadstoffreie Autos, treiben Sport und essen gesund und fahren im Urlaub in interessante Länder, wo die Bekannten noch nicht alle waren. Ihre Söhne und Töchter gehen auf eine „gute Schule“, essen nur selten bei McDonalds und nach dem Abitur gehen sie „selbstverständlich“ ins Ausland, um Sprachen zu lernen. Die 35 Prozent fühlen sich wohl, meist rundum wohl, wenn nicht, nehmen sie einen wirklich „guten Psychiater“. Die Frau oder Lebenspartnerin arbeitet in einem „intelligenten“ Beruf, ist in Grenzen emanzipiert, fand Alice Schwarzer früher aber grauslich, die heutige, alt und milde gewordene Alice – bemerkenswert. Tolle Karriere.

Sie sind, wie man so schön sagt, an Menschen interessiert, nie national, sondern eben global, ausländerfeindlich nie, sie sehen auch nur nette, freundliche Ausländer, den „wirklich guten“ türkischen Gemüsemann an der Ecke oder den portugiesischen oder japanischen Kollegen im Tennisclub. Alles locker. Auch in der Politik. Kein Publikum für Lafontaine. Dieser Populist! Rechte kennen sie nur vom Fernsehen her, mögen sie schon aus ästhetischen Gründen nicht. Unter rechts verstehen sie auch Vertriebene auf ihren Jahrestreffen. Ihre Meinung darüber sagt ihnen der Fernsehkommentator. Sie sprechen nur nach.

Mindestens 35 Prozent aller Deutschen geht es schlecht, mit steigender Tendenz. Sie sind arbeitslos oder Rentner oder haben nur einen wackeligen Job und keine richtigen Aussichten und kein Geld mehr in Reserve. Sie sehen für sich und die Zukunft schwarz, tiefschwarz. Nicht nur in der früheren DDR, auch im Westen.

Sind diese Mitbürger eigentlich dumm? Und deshalb in Gefahr, auf Populisten und Rattenfänger hereinzufallen? Im Gegenteil. Sie sind ohne Illusionen und deshalb hellhörig. Sie sind zwar manchmal verzweifelt und am Abend manchmal schon betrunken. Aber sie sehen, was geschieht, nicht nur mit ihnen. Mit dem ganzen Volk. Dumm und gleichgültig sind eher die gut oder halbwegs gut Verdienenden, sie lassen sich leichter verführen vom schönen Schein der Worte und Kontoauszüge. Zur Maxime ihres Handelns machen sie, was ihnen nützt. Die Nutznießer der Drittel-Gesellschaft sind kurzsichtig. Erst wenn sie auf den Bauch fallen, werden sie wehleidig. Sie sind, vom Standpunkt des Gemeinwohls betrachtet, denkfaul und dumm.

Die da unten sind aufmerksamer, mißtrauischer, klüger. Sie leben bewußter. Weil sie dauernd aufpassen müssen, bei jedem Einkauf und jedem Schluck Kaffee, den sie trinken und jedem Lichtschalter, den sie anknipsen. Sie leben von 967 Euro Rente (statistischer Durchschnitt) bei 500 Euro Miete und Strom und anderen Nebenkosten. Sie leben von Schulden oder von dem bißchen Vermögen, das sie früher hatten, oder von ihren Eltern oder ihrer Frau. Aber sie leben von Tag zu Tag schlechter. Ihre Kinder und Enkelkinder auch. Viele aber leben nur von Hartz IV.

Lesen wir dazu noch einmal die Zitate aus der „Bild“-Zeitung. Originalton Lafontaine: „Hartz IV muß weg. Das ist Armut per Gesetz!“ NPD-Chef Udo Voigt: „Hartz IV ist Armut per Gesetz!“ Wie sich der Ton doch gleicht, mokiert sich das Massenblatt.

Die da unten werden immer mehr. Die Mitte bröckelt ab. Sie haben jeden Tag mehr Wut im Bauch und glauben immer weniger dem Fernsehen, dem Radio und den Zeitungen. Und diese Wut ist gefährlich. Gefährlich nicht nur für das System der Sozialen Marktwirtschaft, des ausgewogenen Wohlstands. Auch für seine Voraussetzung: Die funktionierende Demokratie, in der jeder für das Gemeinwohl arbeitet. Die Deutschen da unten in der Gesellschaft glauben einfach nicht mehr daran, daß das obere Drittel noch nach dem „Kategorischen Imperativ“ des großen Königsbergers Kant handelt. Daß die Behörden unbestechlich sind. Daß Ärzte noch gemäß dem Eid des Hypokrates arbeiten, Beamte nach der Devise des Preußenkönigs „Ich dien‘“. Sie glauben nicht so recht, daß Angela Merkel und Wolfgang Bosbach konservativ und national denken und handeln. Oder SPD-Chef Beck die soziale Gerechtigkeit will. Sie hören viel reden von Europa, vom Gemeinwohl, von „Werten“. Wofür sollen sie und ihre Kinder arbeiten, lange Wege und harte Einsparungen in Kauf nehmen, wenn es keine Werte mehr geben darf, und leider auch keine Nation, keine Identität mit dem eigenen Volk. Statt dessen dürfen sie – schon ein Schützenfest gilt als rassistisch – zusammen mit ihren soeben aus Anatolien und Marokko zugezogenen Muslimen mit deutschem Paß ein multikulturelles Stadtteilfest besuchen, während die Nachbarvölker lautstark ihr Land feiern, in Paris ebenso wie in Warschau. Sollen sie ihre Identität auf den Wohlstand gründen und den „Verfassungspatriotismus“ statt auf Deutschland? Der Wohlstand ist – für sie – weg. Das Zutrauen auch.

Sie glauben an nichts mehr. Und das ist schlecht. Diese Gruppe von Menschen sprechen die beiden von „Bild“ genannten Extrem-Parteien gezielt an. Wir leben schon in Erwartung der nächsten Wahl, im Januar in Bayern, und kurz vor den Wahlen kommt es auch auf minimale Prozentpunkte an. Und auf Treu und Glauben. Daß die CSU deutschfreundlich und sozial ist. Wackelt das Vertrauen, dann ist das ganze System in Gefahr, zu der die „Bild“-Zeitung ebenso gehört wie die linke „taz“. Dann ist der Schaden da. Kurz vor den Wahlen werden also auch Angela Merkels Berater ihr Herz entdecken für die deutschen Eingeborenen, für die Leitkultur, für die Mütter, die arbeiten, und für die, die zu Hause bleiben wollen, für die deutsche Sprache, für Tugenden wie Ordnung und Sparsamkeit und Unbestechlichkeit, über die Lafontaine 1989 gespottet hat, daß es „Sekundär-Tugenden“ seien, mit denen man auch ein KZ führen könne.

Wenn die Bundestagswahl kommt, wird man sogar sein Herz für die Vertriebenen entdecken. Und das Zentrum gegen Vertreibungen gegen den Willen der SPD und Polens bauen. Ja? Wahrscheinlich einen Monat vor der Bundestagswahl. Achten wir nicht auf die Worte, nur auf die Taten. Es gilt das eingelöste Wort.

„Nähe zum Gegner – Über die Zusammenarbeit von Nationalsozialisten und Kommunisten beim Berliner BVG-Streik von 1932“ lautet der Titel der Doktorarbeit, mit der Dr. Klaus Rainer Röhl bei Prof. Ernst Nolte promoviert hat. Frankfurt / M. 1992 (Campus Verlag)

Foto: „Populisten“ mit ähnlichen Forderungen: Franz Schönhuber (l., † 2005) und Oskar Lafontaine


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