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01.09.07 / Das Geheimnis wurde mit dem Leben bezahlt / Seide, die elegante Schmeichlerin: Anmerkungen zur Geschichte eines begehrten Textils

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

Das Geheimnis wurde mit dem Leben bezahlt
Seide, die elegante Schmeichlerin: Anmerkungen zur Geschichte eines begehrten Textils
von Anne Bahrs

Reine Seide, der seit Jahrtausenden begehrte Rohstoff für elegante Kleidung und darum immer noch teuer, ist auch Favorit der nächsten Modesaison. Kenner wissen schon lange, daß ein Stoff aus dieser Naturfaser im Sommer kühlt und im Winter unseren Körper warm hält. Dem, der sich so gern umhüllen läßt von diesem federleichten, zarten und heute zu erschwinglichem Preis zu erwerbenden Stoff, sei erzählt, daß in China, wo man es bereits vor mehr als 2700 Jahren verstand, die Kokons der Seidenraupen abzuhaspeln, jedem die Todesstrafe sicher war, der das Geheimnis über die Fertigung der so begehrten Seide verriet. Noch heute besitzt China die größte Seidenindustrie der Welt. Eines Tages wird es nur noch domestizierte Seidenspinner geben, die durch nun schon Jahrtausende währende Züchtung der Falter trotz ihrer Flügelspannweite von fünf Zentimeter die Fähigkeit zum Fliegen verloren haben. Die Seidenspinnerin legt nach der Begattung bis zu 500 Eier ab auf den Blättern des weißen Maulbeerbaumes, der heute in Chinas großen Plantagen in strauchartiger Form gezogen wird, längst aber auch in Japan und den warmen Mittelmeerländern, hier vorwiegend in Italien und Südfrankreich. Kleine dunkle Raupen entschlüpfen den winzigen Eiern. Sie ernähren sich mit großem Appetit einzig von den Blättern der Moris alba. Nach etwa drei Wochen und ihrer vierten Häutung beginnen sie, um sich einen dicken Kokon zu spinnen. In ihm vollzieht sich die Metamorphose. Die Puppe sondert einen Stoff ab, der nach zwei bis drei Wochen an einer Stelle die kunstvoll zur achtförmigen Schleife gelegten Fäden, welche die Raupe aus ihren Spinndrüsen preßte, auflöst. Durch diese Öffnung gewinnt der junge Falter die Freiheit.

Das Spiel des Lebens beginnt erneut, wenn nicht der Mensch die zur Seidengewinnung geernteten Kokons unter heißen Wasserdampf setzt, um die Puppen zu töten. 1000 Meter Faden lassen sich aus einem Kokon gewinnen. 20 hauchdünne, aus Fibroin und dem Seidenleim Sericin bestehende Fäden werden gesponnen zu einem webfähigen Garn.

Die Dichte des Gewebes macht die Qualität des Stoffes aus. Erst nach Entfernung des Seidenleims (Entbastung) ist das Textil weich, schmiegsam und von edlem Glanz. Wird sein nur federleichtes Gewicht durch Zusatz von Metall aufgefüllt, entsteht der seines besonderen Fallens und Rauschens wegen begehrte Seidentaft.

Die modern gewordene „gewaschene Seide“ wurde mittels Chemikalien „angeschmirgelt“. Dadurch bekam sie einen weißen Film, der ihre Farbe pastellen erscheinen läßt. Der Stoff fühlt sich „griffig“ an, ist unserer Haut besonders angenehm und fällt schön. Durch diese Behandlung aber büßt die Seide einen Teil ihre vielgepriesenen Reißfestigkeit ein. Gewaschene Seide ist zur Herstellung von Fallschirmen und Bändern für Maschinen nicht geeignet.


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