25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
01.09.07 / Heimat als Droge / Schlesierin berichtet von Kindheit, Vertreibung und unerfüllten Hoffnungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

Heimat als Droge
Schlesierin berichtet von Kindheit, Vertreibung und unerfüllten Hoffnungen

In „Schlagsahne aus Magermilch“ berichtet Barbara Weinrich von ihrer glücklichen Kindheit in Löwenberg beziehungsweise Görlitz und der Odyssee auf der Flucht 1945 nach Ostbayern.

„Im Sommer 1944 fuhren die Geschwister mit Mutter ins Riesengebirge. Ich bettelte mit dickköpfigem Eifer, sie sollten mich mitnehmen – ohne Erfolg ... Erneut kam ich zu Großmutter nach Löwenberg ... Ich erlebte diesen letzten Sommer in Schlesien sehr bewußt. Noch heute erinnere ich mich an viele Details. In den Jahren nach der Flucht bildete Löwenberg die Kulisse für meine Träume, Geschichten und Märchen, die ich hörte, selber las oder mir ausdachte ... Die schweren Jahre nach der Vertreibung konnte ich nur deswegen so scheinbar leicht ertragen, weil ich immer in diesem Schlesien weiterlebte, ganz gleich, wo ich mich tatsächlich befand; das Wissen um die sichere Rückkehr war die Droge, die mich alles ertragen ließ.“

Wirklich glücklich war die Familie nach der mehrwöchigen Flucht in dem kleinen Dorf in der Oberpfalz jedoch nicht. Immer wieder wurde es unbewußt mit der Heimat verglichen, und auch die Dorfbewohner waren über die vielen im Dorf gestrandeten Vertriebenen alles andere als glücklich.

„Einmal befand ich mich gerade mit einem etwas jüngeren Mädchen bei einem Nachbarbauern zum Spielen, als wieder eine Gruppe Vertriebener vom Milchlaster sprang. Da begann die alte Bäuerin zu jammern: ,Eieieieieiei, wo soll‘n denn die vielen Leit hie? Eieieieiei.‘ ... Je länger dieser primitive Zustand im Dorf andauerte und je mehr der Sommer herannahte, als desto unerträglicher empfand man die ungewohnten Zustände: Überall im Dorf stank es nach Stall, die meisten Misthaufen waren nicht wie in Schlesien sauber eingemauert und mit einem Ablauf für Jauche versehen ... In unmittelbarer Nähe stand das Toilettenhäuschen. Eine Wasserspülung, wie sie sie von Löwenberg und Görlitz gewöhnt waren, gab es nirgends im Dorf. Für Sauberkeit sorgte in einem solchen Abort auch niemand. Bald stellten sich Ausschläge und Entzündungen ein.“

Schwere Jahre standen der Familie noch bevor, und auch als sie 1949 das bayerische Dorf verließen, um sich fürs erste im Raum Hannover bei der Großmutter niederzulassen, blieb immer die Hoffnung, irgendwann in die Heimat zurückzukehren. Eine Hoffnung, welche leider nie erfüllt wurde.

Derart anschaulich und realistisch kann nur schreiben, wer wie die Autorin selbst diese Zeiten der Angst, der Unsicherheit und der Entbehrungen erlebt und durchgemacht hat.

Als Zeitzeugin versteht es Barbara Weinrich, durch interessante Anekdoten und private Erlebnisse immer wieder das Interesse des Leser zu wecken.            A. Ney

Barbara Weinrich: „Schlagsahne aus Magermilch – Vom Überleben in schwieriger Zeit“, Verlag Neue Literatur, Jena 2007, Paperback, 14,90 Euro, Best.-Nr. 6326


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren