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08.09.07 / Rächt sich das Finanzamt? / Abgeordnete fühlen sich von Behörde schikaniert, weil sie Beschwerden über Beförderungspraxis nachgehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

Rächt sich das Finanzamt?
Abgeordnete fühlen sich von Behörde schikaniert, weil sie Beschwerden über Beförderungspraxis nachgehen
von Patrick O’Brian

Rainer-Michael Lehmann sieht sich einem besonders pikanten Fall von Filz gegenüber. Der FDP-Parlamentarier im Berliner Abgeordnetenhaus wirft dem Finanzamt der deutschen Hauptstadt vor, gezielt gegen Mitglieder des Landes-Petitionsausschusses vorzugehen, um sie mundtot zu machen. Seine Geschichte ist so spannend wie ein Krimi.

„Vor dreieinhalb Jahren hat alles angefangen“, berichtet der Pankower Abgeordnete. Er ist Mitglied im Petitionsausschuß. Dort erreichte ihn eine Klage dreier Mitarbeiter der Berliner Finanzverwaltung. Die Beamten sahen sich bei Beförderungen unberechtigt übergangen und bei Beurteilungen willkürlich zurückgesetzt. „Das Auswahlverfahren wurde an ihnen vorbei durchgeführt“, faßt FDP-Politiker Lehmann die Mobbing-Vorwürfe der Betroffenen zusammen.

Rainer-Michael Lehmann und die beiden Abgeordneten Ralf Hillenberg (SPD) und Ulrich Brinsa (CDU) gingen der Sache nach. Bis zu dieser Stelle ist es die Geschichte drei vielleicht frustrierter Beamter, deren Karrierewünsche sich nicht verwirklicht haben. Also nichts Besonderes.

Dann fuhr Lehmann in den Urlaub – „zum Glück nur nach Schwerin“. Denn während seiner Abwesenheit ließ das Finanzamt sein Konto sperren. Begründung: Seine quartalsweise im voraus zu entrichtende Einkommensteuer sei noch nicht eingegangen.

Selbst wenn Lehmann kurzfristig in Rückstand geraten sein sollte, was er bestreitet, so ist eine Kontosperrung ein unüblicher Vorgang. Normalerweise schreibt die Behörde den Betroffenen erst an und bittet um Begleichung der (im voraus zu begleichenden) Steuerschuld.

Lehmann mußte seinen Urlaub abbrechen und in seiner Berliner Bankfiliale die peinliche Sache klären. Der Steuerberater seines Kollegen Hillenberg bekam zur selben Zeit ebenfalls Besuch vom Finanzamt. Die Beamten führten eine Sonderprüfung durch. Auch der Abgeordnete Brinsa, nebenberuflich Unternehmensberater, mußte plötzlich „mehrere Sonderprüfungen“ über sich ergehen lassen. Alles nur Zufall?

Schließlich erhielt selbst Rechtsanwalt Thomas Kaligin  Post von der Behörde – wegen einer Prüfung. Der Experte für Steuerrecht vertritt die Beamten, die sich über das amtsinterne Mobbing beschwert hatten. Schon wieder Zufall?

„Erst haben wir gar nichts voneinander gewußt“, erinnert sich Kaligin, der noch immer vor Gericht gegen diese Steuerprüfungen bei sich klagt. „Das hat sich so hochgeschaukelt.“ Irgendwann haben alle vier Beteiligten aber feststellen müssen, daß die Finanzbehörde hinter ihnen allen her ist.

Rainer-Michael Lehmann vermutet dahinter eine mysteriöse Viererbande, die die Berliner Finanzverwaltung beherrscht. Zu dieser amtsinternen Seilschaft gehörten: der Ex-Chef der Oberfinanzdirektion und jetzige Personalchef, der Leiter der Steuerabteilung, der Leiter des Finanzamts Körperschaften 1 und der Referent von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD).

Lehmann redet jetzt Klartext: „Wir fordern, daß unser Steuergeheimnis aufgehoben wird, um zu klären: Wer hat es angewiesen? Wer hat es unterschrieben?“ Eine Sondersitzung des Ältestenrates hat noch keine Klärung gebracht. Ein Untersuchungsausschuß, könnte schon bald Licht in die Sache bringen. Der aber wäre keine gute Nachricht für Klaus Wowereit und Sarrazin, den stärksten Mann im Senat. Die erste Zeit nach der letzten Wahl ist nicht  gut gelaufen für die Opposition. Die politischen Machtverhältnisse in Berlin sind so eindeutig links, daß den Bürgerlichen langsam der Mut ausgeht. Und an ein schwarz-gelb-grünes Bündnis glaubt niemand so recht, Friedbert Pflüger (vielleicht) ausgenommen. „Und der Senat hat nichts gemacht, also konnten wir wenig dagegensetzen“, murmelt Lehmann etwas geknickt, wenn er über die politische Großwetterlage spricht.

Aber mit diesem Skandal in der Finanzverwaltung könnte sich das ein Stück weit ändern, derlei Filz tut keiner Regierung gut. Berlins Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) soll die Einschaltung des Staatsanwaltes gefordert haben, „falls sich Anzeichen dafür finden, daß diese Prüfungen gezielt bei den Abgeordneten stattfinden sollten“. Rainer-Michael Lehmann hat genau daran nicht den geringsten Zweifel.


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