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08.09.07 / Im Namen der Ehre / Der Sürücü-Mord wird neu verhandelt, doch die Angeklagten sind weg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

Im Namen der Ehre
Der Sürücü-Mord wird neu verhandelt, doch die Angeklagten sind weg
von Mariano Albrecht

Ein offensichtlich überfordertes Gericht und schlampige Ermittlungen haben den Bundesgerichtshof veranlaßt, das Skandalurteil für den Mörder von Hatun Sürücü zu kassieren. Der Haupttäter, der 18jährige Ayhan Sürücü, hatte gestanden im vergangenen Jahr seine 23jährige Schwester Hatun durch Schüsse in Kopf und Oberkörper getötet zu haben. Doch die mutmaßlichen Mittäter, seine Brüder Alpaslan und Mutlu, wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die Rolle der Eltern wurde ganz ausgeklammert. Die mutmaßliche Mittäterschaft der Brüder soll nun in einem neuen Prozeß verhandelt werden. Neun Jahre und drei Monate Jugendhaft für den 18jährigen, der seine Schwester wegen ihrer westlichen Lebensweise vermutlich im Auftrag der Familie hingerichtet hatte. Nun muß die deutsche Justiz der verdächtigen Brüder des Verurteilten habhaft werden, doch die haben sich in die Türkei abgesetzt. Vater Sürücü ist mittlerweile verstorben. Ein Revisionsprozeß ohne Angeklagte.

Für viele Türken war klar, daß der Mord gemeinschaftlich durch die gesamte Familie geplant wurde, es sei Tradition, daß für die sogenannte Wiederherstellung der Familienehre der jüngste Sohn ein Opfer bringen müsse, mit 28 sei er ja wieder frei und könne das Leben genießen. Im Gerichtssaal zeigte Ayhan Sürücü demonstrativ die goldenen Armbanduhr, die ihm sein Vater nach der Tat geschenkt hatte. Eine übliche Geste für den, der die beschmutzte Ehre der Familie wiederherstellt. Die Aussagen seiner damaligen Freundin, Ayhan selbst habe über die mörderischen Pläne der Familie gesprochen, demnach habe einer der Brüder die Tatwaffe besorgt und der andere soll während des Mordes Schmiere gestanden haben, reichten dem Richter für einen Schuldspruch nicht aus.

Der 28 Jahre alte Mutlu ist deutscher Staatsbürger, sein Bruder besitzt die türkische Staatangehörigkeit. Als er im Frühjahr dieses Jahres wieder nach Deutschland einreisen wollte, verwehrte man im dies, seine Aufenthaltserlaubnis war nach sechsmonatiger Abwesenheit abgelaufen. Wie wahrscheinlich ist ein neuer Prozeß, in dem die Angeklagten fehlen?

Der Hamburger Rechtsanwalt Vehbi Ördek hält eine Auslieferung der Sürücü-Brüder für möglich, dies hänge jedoch davon ab, wie glaubhaft die deutschen Ermittlungsbehörden einen Tatverdacht oder eine Schuld der Verdächtigen nachweisen. „Zwischen der Türkei und Deutschland besteht ein Rechtshilfeabkommen. Werden die beiden mit einem internationalen Haftbefehl gesucht, müßte die Türkei die Männer ausliefern, da es sich bei Mord um ein Kapitalverbrechen handelt.“ Normalerweise liefert der türkische Staat wie andere Staaten auch, keine Landsleute aus. Ördek meint jedoch, daß in Anbetracht der EU-Beitrittsbemühungen der Türkei eine reale Chance bestünde, der beiden habhaft zu werden. Auch der Sachverhalt, daß es sich um einen sogenannten Ehrenmord handelt, könnte eine Rolle spielen. Seit der Reform des türkischen Strafrechts gelten in der Türkei Blutrache und Ehrenmord als besonders schweres Delikt. Das der türkischstämmige deutsche Staatsbürger Mutlu Sürücü erneut die türkische Staatbürgerschaft annimmt, um sich der möglichen Auslieferung und der deutschen Justiz zu entziehen, hält die Istanbuler Strafrechtsexpertin Arzu Gökbulut für unwahrscheinlich. Nach ihrer Ansicht würde die Staatbürgerschaft der beiden keine Rolle spielen, wenn das Opfer die  türkische Staatbürgerschaft gehabt hätte, dann wären beide Tatverdächtigen in jedem Fall vor ein türkisches Gericht gekommen. So aber ist diese Variante wahrscheinlicher – es könnte zu zwei Verfahren kommen.

 Man würde den deutschen Staatsbürger ausliefern und den türkischen Bruder nach türkischem Recht verurteilen.

Arzu Gökbulut meint, daß bei einem Prozeß in der Türkei eine Bestrafung wahrscheinlicher als in Deutschland sei, die Strafe wesentlich härter ausfallen könnte. Da bei sogenannten Ehrenmorden eine besondere Schwere der Tat vorliegt käme auch eine vorzeitige Haftentlassung nicht in Frage. Ob die beiden Brüder überhaupt vor Gericht kommen, hängt nun in erster Linie davon ab, wie die deutsche Justiz ihr Anliegen der Türkei vorträgt, mit halbfertigen Ermittlungen und unklaren Beweisen dürfte auch bei türkischen Gerichten wenig zu erreichen sein.

Ein Umstand könnte der deutschen Justiz helfen. Obwohl das türkische Gesetz keine ethnischen Unterschiede kennt, könnte die Tatsache, daß Alpaslan und Mutlu Sürücü Kurden sind, bei so manchem Staatsanwalt den subjektiven Entscheidungsspielraum beeinflussen.

Bei allen Möglichkeiten ist eines jedoch klar, bis es zu einem erneuten Prozeß kommt, können Monate, wenn nicht Jahre vergehen.

Foto: Täter auf freiem Fuß? Alpaslan Sürücü (r.), einer der beiden freigesprochenen Brüder der Familie Sürücü, wird von einem Familienangehörigen aus der Untersuchungshaft abgeholt und von Journalisten gefilmt.


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