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08.09.07 / Waffenkammer der Kriminellen / In Ex-Jugoslawien sind Millionen Feuerwaffen illegal im Umlauf – Ideale Bedingungen für Händler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

Waffenkammer der Kriminellen
In Ex-Jugoslawien sind Millionen Feuerwaffen illegal im Umlauf – Ideale Bedingungen für Händler
von Wolf Oschlies

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) veröffentlichte im August einen Bericht, wonach in Mazedonien 160000 Feuerwaffen legal geführt werden, 170000 aber illegal. Diese Veröffentlichung war auf der Website des mazedonischen Innenministeriums versteckt, was von der Problematik illegaler Waffen zeugt: Seit Ende 2003, nach dem totalen Mißerfolg der Aktion „Stopp den Waffen“, steht in Mazedonien illegaler Waffenbesitz unter schwerer Strafandrohung. Das stört aber wohl niemanden, und vor vier Jahren rechneten die Behörden mit weit weniger illegalen Waffen, als heute angegeben werden. Dabei ist Mazedonien – wo zirka 420000 Albaner leben, denen „die Knarre am Buckel festgewachsen ist“ (so ein makedonisches Sprichwort) – noch relativ gut dran, denn auf dem restlichen West-Balkan ist die Lage bedrohlicher.

Laut Schätzungen der Vereinten Nationen sind weltweit rund 600 Millionen Klein- und Leichtwaffen (SALW) im Umlauf, die jedes Jahr eine halbe Million Menschenopfer fordern. Regionen wie Ex-Jugoslawien fallen dabei mehrfach ins Gewicht: Hier ist der Waffenkult seit Jahrhunderten Tradition, hier tobte in den 90er Jahren ein blutiger Bürgerkrieg, an dem über zwei Millionen Soldaten und Freischärler beteiligt waren, hier haben Waffen- und Drogenschmuggler (fast) freie Bahn, hier liegt das Kosovo, in dem bewaffnete Anschläge tägliche Norm sind und von dem neue Kriegsgefahr für ganz Südosteuropa ausgeht.

Der Belgrader Waffenexperte Milos Vasic hat errechnet, daß in Ex-Jugoslawien 1988 rund fünf Millionen Waffen im Umlauf waren, davon drei Viertel illegale. Dann kam der Krieg, den die Vereinten Nationen mit einem Waffenembargo verhindern wollten, womit sie aber nur dem balkanischen und internationalen Waffenschmuggel Tür und Tor öffneten. Im Frühsommer 1997 brachen in Albanien gewalttätige Unruhen aus, bei denen Armeedepots geplündert wurden, wodurch nach Ansicht westlicher Experten mindestens 1,5 Millionen Waffen und Milliarden Stück Munition unkontrolliert verschwanden. Im Herbst 2003 waren laut seriösen Schätzungen in Mazedonien, Serbien, Montenegro, Kroatien, Bosnien-Herzegovina, Albanien und dem Kosovo wenigstens 2,3 Millionen Stück illegale Waffen im Umlauf. Allein im Kosovo vermutete man bis zu 700000 Waffen. Im September 2003 versprach UNDP jeder Kosovo-Gemeinde, die über 300 Waffen ablieferte, eine Prämie von 250000 Dollar für Entwicklungsprogramme. Das Geld konnte komplett eingespart werden, denn aus den 26 Gemeinden wurden insgesamt nur 155 rostige Waffen abgeliefert.

Inzwischen ist die Lage oberflächlich ruhiger, aber jeder Blick auf Verbrechens- und Selbstmordstatistiken läßt ahnen, daß die Waffen nicht weniger geworden sind. Nach einem Diktum des russischen Dramatikers Tschechow „muß ein Gewehr, das im ersten Akt an der Wand hängt, im dritten Akt des Dramas losgehen“. Und sie gehen los! Laut deutschen Medienberichten haben sich im August 2007 die Killer des Mafia-Massakers von Duisburg „bei Waffenschmugglern aus Ex-Jugoslawien“ munitioniert. Wie der Zagreber „Globus“ Ende August berichtete, sind allein in Kroatien 52 Großschmuggler mit Waffen tätig, fast durchweg ehemalige hohe Militärs aus Bürgerkriegszeiten. Dazu kommen noch ungezählte „kleine Fische“, weswegen an kroatischen Grenzen beinahe im Wochenrhythmus enorme Mengen illegaler Waffen aufgegriffen werden, die für den Irak und andere Abnehmer bestimmt sind. Dasselbe Bild bietet Bosnien, wo im Krieg „jedes Haus eine Festung“ war und heute durch die Verstrickung des Landes in das international organisierte Verbrechen und dem El-Kaida-Terrorismus – laut seinem Paß ist Bin Laden seit etwa 15 Jahren bosnischer Staatsbürger – der illegale Handel mit Waffen, Drogen und Menschen blüht. Zwar haben internationale Truppen in Bosnien, die seit zwei Jahren von der EU gestellt werden, in Dutzenden Aktionen Tonnen von Waffen und Munition sichergestellt und vernichtet, aber das waren bestenfalls die sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein. Im Kosovo haben UNDP und Kfor-Truppen Ende Mai 2007 in dem Camp „Victoria“ bei Prishtina 7000 beschlagnahmte Waffen zerstört, wußten aber, daß dort 60- bis 100mal mehr Waffen zu finden wären.

Registrierte Waffen werden gemeinhin nicht für Straftaten verwendet. Im Dezember 2006 verlautete jedoch aus Zagreb, daß „schwere und bewaffnete Verbrechen in Kroatien in den letzten fünf Jahren um über 50 Prozent angestiegen sind“. Das brachte Wahrheitsgehalt in die offizielle Angabe, daß in Kroatien „371000 Waffen legal umlaufen und eine große Zahl illegaler Waffen“. Letztere werden von Kennern der Verhältnisse für die wachsenden Gewalttaten in Kroatien verantwortlich gemacht: Das Land hatte im Bürgerkrieg fast eine halbe Million Mann unter Waffen und später blieben die Waffen bei den demobilisierten Männern, die damit auf ihre Mitbürger, Familien oder die eigene Person losgingen.

Ohne Effekt blieb die „Aktion Säbel“, die serbische Behörden im März 2003 nach der Ermordung des Premiers Zoran Djindjic unternahmen. Zwar wurde mit 10000 beschlagnahmten und 24000 freiwillig abgegeben illegalen Waffen ein großer „Fang“ gemacht, aber der hielt nicht lange vor. Laut amtlichen Angaben von März 2007 gibt es in Serbien 1,1 Millionen legale, aber „über drei Millionen illegale Waffen“ – jeder zweite Haushalt in Serbien (knapp acht Millionen Einwohner) ist „bewaffnet“.

Foto: Beschlagnahmt: Mühsam sammelt die Polizei Waffen ein, die aus Armeedepots entwendet wurden.


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