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08.09.07 / Wenn Pidgin-Englisch mehr zerstört als nutzt / EADS ist ein Beispiel dafür, daß mangelnde Sprachkenntnisse und Mentalitätsunverständnis der deutsch-französischen Wirtschaft schaden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

Wenn Pidgin-Englisch mehr zerstört als nutzt
EADS ist ein Beispiel dafür, daß mangelnde Sprachkenntnisse und Mentalitätsunverständnis der deutsch-französischen Wirtschaft schaden
von Jean-Paul Picaper

Die beschlossene Reform von EADS hat bei weitem nicht alle Divergenzen im deutsch-französischen Airbus- und Rüstungskonzern behoben. Da hat man sich erstmal darum bemüht, die persönlichen Reibungsflächen zu reduzieren, indem vor allem der Abstand zwischen Louis Gallois, dem bestätigten Konzernchef, und dem neu ernannten Airbus-Chef Tom Enders erweitert wurde. Die Franzosen hätten gerne die Führung der Flugzeugabteilung Airbus für sich behalten. Dann wäre EADS, das Mutterhaus, Enders in den Schoß gefallen. Gallois weigerte sich, „von dem Deutschen befehligt zu werden“. Die Herren vertragen sich nicht, sie sind in ihrem tiefsten Inneren anders gestrickt. So begrub man die deutsch-französische Doppelführung. Warum fällt denn Deutschen und Franzosen die Verständigung so schwer?

Das Grundübel besteht darin, daß man Leute zusammenarbeiten läßt, die die Sprache des Partners nicht beherrschen. Mit der Sprache, der „Seele eines Volkes“, hängen Kulturtraditionen, Verhaltensweisen und überhaupt die Wahrnehmung der Welt um uns herum zusammen. Ohne Kenntnis der Partnersprache müssen sich Industriemanager in einem armseligen Pidgin-Englisch miteinander unterhalten, das die Franzosen überdies meist weniger gut als die Deutschen beherrschen.

Der erste Reformschritt bei EADS hätte darin bestehen sollen, daß man für die Führungsposten Leute ausgewählt hätte, die die Sprache des Partners fließend sprechen. Die Schirmherrin des Zusammenschlusses der französischen Aerospatiale-Matra und der deutschen Dasa, aus dem EADS im Jahre 2000 entstand, war die inzwischen verstorbene Brigitte Sauzay, die französische Beraterin von Gerhard Schröder, die davor Dolmetscherin der deutsch-französischen Spitzentreffen gewesen war. Hätte denn ihr Beispiel nicht Schule machen sollen? Es ist offensichtlich schwierig, in Frankreich kompetente Ingenieure, Manager, Fachleute zu finden, die einigermaßen Deutsch können und keine Elsässer sind. Die in den letzten Jahren zunehmende Abneigung auf beiden Seiten des Rheins, Deutsch oder Französisch als erste Fremdsprache in den Schulen zu pflegen, wird nicht zu einer Verbesserung dieses bedauerlichen Zustandes beitragen. In Baden-Württemberg lief kürzlich eine Kampagne von Eltern gegen Französisch als erste Fremdsprache in bestimmten Gymnasien. Diese Leute meinen, daß ihre Sprößlinge mehr Chancen haben würden, wenn sie Englisch beherrschen. Dabei: Ob Deutsche und Franzosen es wollen oder nicht, der Zwang zur deutsch-französischen Kooperation wird ihnen von der Globalisierung aufgedrückt.

Der Fall EADS lehrt uns, daß die Idee eines deutsch-französischen „partnerschaftlichen Wettbewerbs“ nicht vom Tisch ist. Das muß etwas anderes als die übliche Konkurrenz zu Staaten wie den USA oder China sein. Es soll ein Wettbewerb um Exzellenz in der Verfolgung gemeinsamer Ziele sein. Aber eine profunde Ignoranz des Denkens des Partners behindert nach wie vor die industrielle Verschmelzung. Was weiß Louis Gallois von Deutschland? Hat er in der deutschen Industrie ein Praktikum gemacht?

Könnten die Deutschen Französisch parlieren und die Franzosen Deutsch einigermaßen radebrechen, so würde man sich vielleicht über die tieferen, elementaren Wurzeln der Mißverständnisse unterhalten können. Gespenster aus längst vergangenen Zeiten verderben zu oft noch die Laune. Rührt ein gewisses Mißtrauen der französischen Wirtschaftselite gegenüber den deutschen Industrieunternehmen und Banken nicht daher, daß viele von ihnen in vergangenen Zeiten den wilhelminischen Imperialismus und das Dritte Reich nach Kräften unterstützt haben? Der Anstand verbietet es, das offen zu sagen. Aber es spukt unbewußt im Hinterkopf. Dabei haben es französische Unternehmen in früheren Zeiten kaum anders getan. Die Franzosen können ihrerseits den in Deutschland häufig erhobenen Vorwurf des „Colbertismus“ gegen ihren Wirtschaftsstil kaum noch ertragen. Längst nicht alle von ihnen wissen heute, wer dieser Minister Colbert (1619–1683) war, der für seinen König einen Wirtschaftsaufschwung von Staats wegen organisierte. Auf Ministerialebene in Berlin wie in deutschen Unternehmen wird dennoch immer wieder die „französische Staatswirtschaft“ angeprangert. Verwechselt man dort Frankreich mit der DDR? Es mangelt westlich des Rheins doch nicht an Privatunternehmen. Auf sie baut jetzt die neue Regierung.

Die linke Opposition denunziert deren Einfluß auf den Staat und auf die Medien. Also genau das Gegenteil vom deutschen Vorwurf. Eine französische Regionalzeitung warf dieser Tage Tom Enders vor, er wiederhole gebetsmühlenartig folgenden Vorwurf: „Bräuchten wir noch einen Beweis, daß Staaten in der Leitung eines Unternehmens nichts zu tun haben, so haben die Ereignisse der letzten zweieinhalb Jahre bei EADS diesen Beweis erbracht.“ Können denn Privatmanager Wunder wirken? Sind sie im Besitz der Zauberformel? Bisher gibt es auch dafür keinen Beweis. Auch das müßte mitunter berücksichtigt werden. Dagegen hat sich die freie Wirtschaft, auch in Deutschland, in den letzten Jahrzehnten in den Beziehungen zu Rußland und China, oft verschätzt. Keiner kann leugnen, daß angesichts der neuen weltweiten Herausforderungen politischer Weitblick die unternehmerischen Aktivitäten und die Währungspolitik flankieren muß. Außenwirtschaft und Außenpolitik sind miteinander eng verzahnt.

Warum scheiterte die termingerechte Auslieferung des erwiesenermaßen flugtauglichen A380? Weil Probleme der elektrischen Ausrüstung des Flugzeugs auf deutscher Seite auftauchten, wohl deswegen, weil man sich über eine gemeinsame elektronische Software nicht verständigt hatte. Dieses zwölf Milliarden Euro teure, im Jahre 2000 angefangene Projekt wurde um zwei Jahre verschoben, was die Wut der Kunden auslöste und den Konzern in eine beispiellose Krise brachte. Es grenzt ans Absurde, daß sechs europäische Niederlassungen geschlossen und 10000 Mitarbeiter entlassen werden, weil man den Bestellungen nicht nachkommen kann … Absurd ist weiter, daß der Rumpf des A350 erweitert werden mußte, weil man die Wünsche der Kunden ignoriert hatte. Daher wird der erweiterte A350 XWB erst 2013 in Dienst gestellt werden, fünf Jahre nach dem Konkurrenzmodell von Boeing, dem 787 Dreamliner. Offensichtlich litt EADS an einem Kommunikationsproblem sowohl innerhalb des Unternehmens als auch nach außen. Liegt es an der Sprache, an der Unkenntnis der Mentalität und der Arbeitsweise des Partners? Der Konzern muß seine Kommunikationsdefizite überbrücken.


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