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08.09.07 / Klischee ersetzt die Analyse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

»Auf ein Wort«
Klischee ersetzt die Analyse
von Jörg Schönbohm

Welcher Sinnspruch dem mittelalterlichen Dichter und Gelehrten Heinrich von Mügeln (um 1319 bis um 1380) zu den jüngsten Ereignissen in und um seine sächsische Heimatstadt wohl eingefallen wäre? Vielleicht hätte er das Geschehen ja in einer seiner Fabeln verarbeitet.

Dem Städtchen Mügeln ist in seiner über 1000jährigen Geschichte selten so viel öffentliche Aufmerksamkeit zuteil geworden wie in den letzten Wochen. In der Nacht zum 19. August kam es auf dem Altstadtfest zu einer Schlägerei zwischen Indern und Deutschen, bei der acht Inder und vier Deutsche verletzt wurden. Die Inder flüchteten sich in ein nahegelegenes Restaurant, verfolgt von einer Gruppe von rund 50 Deutschen, die vor der Tür randalierten und ausländerfeindliche Parolen grölten.

Bis zu den Abendnachrichten des folgenden Tages hatte sich die veröffentliche Meinung bereits gebildet: Ein rechtsradikaler Mob habe in den barbarischen Weiten Ostdeutschlands eine „Hetzjagd“ auf Inder veranstaltet.

Wie in solchen Fällen inzwischen üblich, ersetzt Klischee die Analyse und Empörung eine angemessene Bewertung.

Der in solchen Fällen allgegenwärtige Uwe-Karsten Heye, vormals Regierungssprecher Gerhard Schröders und Medienprofi, meldete sich sofort zu Wort. Er läßt schließlich keine Gelegenheit aus, mit Warnungen vor dem dumpfen, ausländerfeindlichen Osten und angeblichen „No-Go-Areas“ Aufmerksamkeit und öffentliche Zuschüsse auf seinen Verein „Gesicht zeigen“ zu lenken.

Bereits in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 21. August kommentierte Heye den Fall. Er hatte offenbar aus der Ferne die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft binnen 36 Stunden erledigt und wußte somit genau, wovon er sprach.

Inzwischen scheint jedenfalls klar: Die ortsansässigen Inder hatten sich tagsüber mit Ständen an dem Fest beteiligt, anschließend wurde bis in die Nacht hinein zusammen gefeiert.

Das klingt nicht nach einer „No-Go-Area“ Heyescher Beschreibung. Auch der Anlaß des Streites ist noch nicht geklärt.

Nichts gelernt: Als Ostern 2006 der Deutsch-Äthiopier Ermyas M. in Potsdam schwer verletzt wurde, war die „Detektei Heye“ ebenfalls schneller zu Ergebnissen gekommen als Polizei und Staatsanwalt. Daß die öffentliche Empörung die Aufklärung der Tat befördert hat, ist unwahrscheinlich; sie konnte nicht strafrechtlich gesühnt werden.

Diesmal mauserte sich Aufbau-Ost-Minister Tiefensee, bisher medial wenig in Erscheinung getreten, binnen Tagen zum medialen Hochseesurfer: Unvermittelt bezichtigte er seine Kabinettskollegin von der Leyen der Generalschuld durch Unterlassen. Dabei wurden die Mittel für die diversen Programme der Bundesregierung gegen Rechtsradikalismus in den letzten Jahren noch aufgestockt, aber es geht doch nicht nur um Geld. Tiefensee hätte besser weiter geschwiegen.

Doch gottlob meldeten sich auch verständigere Stimmen zu Wort: Der Theologe Richard Schröder etwa, wie Heye und Tiefensee übrigens Sozialdemokrat, bezeichnete den Vorfall in einem Interview mit der „Welt“ als „Ausbruch von Ausländerfeindlichkeit zu vorgerückter Stunde unter Alkohol“. Er wundere sich, „wie schnell der organisierte Rechtsextremismus der Tat verdächtigt wird“.

Richard Schröder verweist auf die eigentlichen Probleme in den jungen Ländern: einerseits eine unterschwellige Ausländerfeindlichkeit, die unorganisiert und deshalb schwer faßbar ist, und andererseits eine besonders hohe Gewaltbereitschaft, die sich häufiger und brutaler entlädt als in den alten Bundesländern.

Der brandenburgische Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg nannte in einem Beitrag im „Tagesspiegel“ den Ruf nach mehr Geld „Aktionismus“. Außerdem: Sobald mehr Geld bereitstehe, „scheinen mir diejenigen bevorzugt zu werden, die zu suggerieren verstehen, eine sogleich sichtbare Wirkung erzielen zu können“. Ob Rautenberg hier an Heye gedacht hat?

Ja, es gibt in Deutschland immer mehr Gewalt, die Täter werden zunehmend jünger und brutaler. Das ist nicht primär eine Frage von politischem Extremismus und deshalb schon gar nicht durch ein NPD-Verbot zu lösen.

Wir müssen die Bezugspersonen der Jugendlichen stärken: Erziehung ist primär Aufgabe der Eltern, denn nur sie können in schwierigen Zeiten persönlichen Halt geben. Lehrer müssen Autoritätspersonen sein, die helfen, die Spielregeln des Zusammenlebens zu vermitteln. Nur so können Jugendliche zu starken Persönlichkeiten heranwachsen, anstatt sich gewalttätigen Banden oder politischen Giftmischern anzuschließen.

Familien zu schwächen, Bindungen und Autoritäten zu zerstören wird die Probleme weiter verschärfen. Verläßlichkeit ist geboten, kein Alarmismus; und erst recht keine Stimmungsmache gegen die Menschen in den jungen Bundesländern.

Heinrich von Mügeln wird sich seine eigenen Gedanken machen, auf seinem Sockel auf dem Mügelner Altmarkt. Neben Minnetexten kommentierten seine Lieder auch die politischen Ereignisse seiner Zeit, so zum Beispiel die Kreuzzüge.

Kaum anzunehmen, daß er sich einiger Verse über den publizistischen Kreuzzug gegen sein Mügeln enthalten hätte.

Foto: Trubel im beschaulichen Ort: Linke demonstrieren in Mügeln gegen Rassismus.


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