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08.09.07 / Spione des Kaisers / Geheimdienstaktivitäten vor dem Ersten Weltkrieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

Spione des Kaisers
Geheimdienstaktivitäten vor dem Ersten Weltkrieg

Jürgen  Schmidts Arbeit über den deutschen militärischen Geheimdienst von 1890 bis 1914 ist das erste und gleichzeitig ein sehr umfassendes Werk über diese Phase des Krieges im Dunkeln in der dem Ersten Weltkrieg vorangehenden Zeitspanne.

Die Veröffentlichung basiert auf der Dissertation Schmidts an der Fernuniversität Hagen im Fachbereich Geschichte, bei der er von Professor Peter Brandt betreut wurde.

Deutschland und zuvor Preußen widmeten sich erst sehr spät geheimdienstlichen Aktivitäten. Seit der Reichsgründung pflegte Frankreich den Revanchegedanken gegen Deutschland, um das Jahr 1890 trat Rußland als zusätzlicher potentieller Kriegsgegner hinzu.

In der Sektion III b des preußischen Großen Generalstabs und bei der „Staatspolizei Centralstelle“ (C St) des königlichen Polizeipräsidenten von Berlin wurde das organisiert, was man heute Auslandsaufklärung und innere Abwehr nennen würde. Reichskanzler Fürst von Bismarck hatte eine sehr kritische Einstellung zum tatsächlichen Nutzen von Spionage und Aufklärung. Der größte und umfangreichste Spionagefall der Vorkriegszeit, Wölkerling, hat dann auch tatsächlich keine erkennbaren Folgen für den im Osten ab 1914 stattfindenden Krieg gehabt.

Schon ernster war da der Verrat eines Mitarbeiters der Blohm & Voss-Werft, der die Baupläne der neuesten deutschen Schlachtkreuzerkonstruktionen an England auslieferte. Aber die Engländer zogen keinen Nutzen aus diesen Plänen.

Damit wird die nächste Frage im großen Spiel des Krieges im Dunklen aufgeworfen. Was nutzt die Spionage, wenn der Wert der Nachrichten falsch eingeschätzt wird?

Dagegen waren es Erkenntnisse des russischen Geheimdienstes, die der Zar dank der Reiseaktivitäten seiner Offiziere erlangt hatte, die Rückschlüsse über die deutschen Möglichkeiten eines Truppenaufmarsches in Ostpreußen zuließen, die sich tatsächlich auf die Kriegsführung auswirkten.

In akribischer Kleinarbeit hatten diese herausgebracht, wie viele Transportzüge die Elbbrücken passieren konnten.

Die umfassende Arbeit von Schmidt enthält auch viele Aufzeichnungen über Aktivitäten zur Überwachung von völlig harmlosen Bürgern. In Posen und im Elsaß gerieten zahlreiche französisch oder polnisch gesinnte – aber loyale – Staatsbürger in das Visier der Schlapphüte.

Sicherlich litt die Effektivität der Spionage und Spionageabwehr auch darunter, daß zu viele Ministerien damit befaßt gewesen sind. Häufig verhinderte auch der lange Nachrichtenweg der einzelnen Ämter die Observierung von spionageverdächtigen Personen. Gelegentlich wurde auch viel Geld für „Nachrichten“ von Aufschneidern und Glücksrittern aus der Staatskasse bezahlt. Die Auswertung der Nachrichten erfolgte durch das Militär, die ausführenden Organe waren der Polizei unterstellt, und schließlich waren auch noch die Auslandsvertretungen beteiligt. Es waren einfach zu viele Köche am Werk. Hans Lody

Jürgen W. Schmidt: „Gegen Rußland und Frankreich – Der deutsche militärische Geheimdienst 1890 bis 1914“, Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde, broschiert, 698 Seiten, 35 Euro, Best.-Nr. 6335


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