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08.09.07 / »(Für) Gott und mein Recht« / Englands König Richard Löwenherz wurde vor 850 Jahren in der Nähe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

»(Für) Gott und mein Recht«
Englands König Richard Löwenherz wurde vor 850 Jahren in der Nähe von Oxford geboren
von Anne Bruch

Kaum ein anderer englischer Herrscher hat die Vorstellung von einem gerechten und ritterhaften König geprägt wie Richard I. von England. Bereits mit nur 20 Jahren hatte er sich schon seinen Beinamen verdient, der ihn so treffend charakterisierte: Er war „Coeur de Lion“, das Löwenherz, und der „prächtige und generöse Held“ seiner Zeit. Auch der zeitgenössische Troubadour Bertrand de Born verglich ihn mit einem Löwen, nicht nur wegen seiner tapferen Taten, sondern weil er edelmütig die Schwachen schonte und gegenüber Hochmut ohne Mitleid war. Sowohl die Chronisten seiner Zeit als auch die späteren populären, durch zahlreiche literarische und filmische Bearbeitung beeinflußten Vorstellungen, die ihrerseits auf Überlieferungen des 13. Jahrhunderts zurückgreifen konnten, haben unser Bild eines idealtypischen mittelalterlichen Königs geprägt. So war Richard Löwenherz in den historischen Beschreibungen gerecht, tapfer, mutig und milde – perfekte Eigenschaften, die das Rittertum in sich vereinigte. Diese Vorstellung von Richard als Held und Kreuzfahrer wurde überdies durch den scharfen Kontrast zu seinem unberechenbaren und oft gewalttätigen Bruder Johann ergänzt.

Doch die Forschung hat dieses Bild längst relativiert. Zwar wird er weiterhin als unerschrockener Kämpfer auf dem Schlachtfeld dargestellt, aber er war keineswegs der umsichtige Staatsmann mit einer langfristigen Herrschaftskonzeption für England. So hat Richard I. in seiner insgesamt zehnjährigen Regierungszeit gerade einmal ganze sechs Monate in England verbracht. Daß es nicht zu größeren Revolten während seiner Abwesenheit kam, lag zum einen an dem schon gut funktionierenden englischen Herrschaftsapparat und zum anderen an der umsichtigen Auswahl von loyalen Beamten, die in dieser Zeit die Verwaltung übernahmen.

Richard, als dritter Sohn Heinrichs II. von England und Eleonore von Aquitanien am 8. September 1157 in der Nähe von Oxford geboren, war nie als englischer Thronerbe vorgesehen gewesen. Als seine Eltern sich trennten, verblieb er bei seiner Mutter und wurde 1168 mit dem Herzogtum Aquitanien bedacht. Erzogen nach den mittelalterlichen höfischen Regeln, hob er sich jedoch bald durch besondere militärische und ritterliche Fähigkeiten hervor.

Das Verhältnis zwischen Heinrich II., der einer der mächtigsten Männer seiner Zeit war, und seinen Söhnen war nie besonders gut gewesen. Dies führte dann auch zu mehreren Aufständen der Söhne gegen ihren Vater, an deren Spitze sich Richard stellte. Nachdem zwei der älteren Brüder gestorben waren, setzte Richard Löwenherz die politische Verschwörung gegenüber Heinrich fort. Mit Hilfe seines jüngeren Bruders Johann Ohneland und des französischen Königs Philipp II. August gelang es Richard schließlich 1189, seinen Vater endgültig zu schlagen. Heinrich mußte Richard als alleinigen Erben und Thronfolger anerkennen. Nach dem Tod des Vaters im Juli 1189 wurde Richard am 3. September 1189 in Westminster als König von England gekrönt. Interessant ist dabei, daß während noch der Vater, Heinrich II., seinen Regierungsantritt durch einen allgemeinen Akklamationsakt der Barone hatte absegnen lassen, bei Richards Nachfolge nichts mehr auf diesen zeremoniellen Wahlgedanken verweist. Das dynastische Prinzip hatte sich durchgesetzt und England war endgültig zu einem reinen Erbkönigreich geworden. Richard I. war darüber hinaus nun durch seine französischen und englischen Besitzungen der mächtigste Herrscher Europas nach Kaiser Barbarossa.

Bereits im Jahr 1190 verließ er sein Land, um – gemeinsam mit Kaiser Friedrich Barbarossa und dem französischen König Philipp August – am dritten Kreuzzug (1189–1192) gegen Sultan Saladin teilzunehmen. Trotz beachtlicher Erfolge konnte das Ziel dieses Kreuzzuges, die Rückeroberung Jerusalems, nicht verwirklicht werden. Darüber hinaus endete das Unternehmen für Richard auch noch mit einer persönlichen Katastrophe, da er auf dem Rückweg nach England durch einen Schiffbruch bei Aquileia gezwungen wurde, an Land zu gehen, und dabei in die Hände seines persönlichen Todfeindes Herzog Leopold von Österreich fiel, der ihn seinerseits wiederum an seinen politischen Gegner, den römisch-deutschen Kaiser Heinrich VI., auslieferte. Dieser ließ seinen wertvollen Gefangenen auf der Burg Trifels bei Annweiler in der Pfalz festsetzen und erpreßte von ihm ein gewaltiges Lösegeld von zuletzt insgesamt 150000 Mark Silber sowie die Zusicherung, das Königreich England vom Reich gegen eine jährlichen Zins von 5000 Pfund zum Lehen zu nehmen.

Die Lage Richards war insofern besonders prekär, als in England sein eigener Bruder Johann gegen ihn konspirierte und im hochverräterischen Zusammenwirken mit dem französischen König seine Entlassung aus der Haft zu verhindern versuchte.

Daß Richard überhaupt wieder freikam, lag keineswegs an der bekannten Legende, der Sänger Blondel sei auf der Suche nach Löwenherz von Burg zu Burg gezogen, um ein Lied zu singen, welches nur ihm und dem König bekannt gewesen sei, sondern an der politischen Klugheit Kaiser Heinrichs, der mit der Freilassung Richards den französischen König zu einem Bündnis mit der Stauferpartei treiben wollte. Fernerhin war die Bereitschaft der englischen Untertanen, das Lösegeld aufzubringen, sehr groß und Richard konnte sich auf die Loyalität des Beamtenapparates, an dessen Spitze Hubert Walter, Erzbischof von Canterbury, stand, verlassen. Dieser hatte schon in der Zeit der Abwesenheit des Königs die Interessen der Krone mit großer Umsicht und Tatkraft wahrgenommen.

So hatte bereits im Jahre 1193/94 Hubert Walter mit Hilfe der Londoner Bürgerschaft und des Niederadels ein Komplott Johanns niedergeschlagen, und auch nun erwies sich Hubert den politischen Intrigen Johanns gewachsen, der nach Frankreich flüchten mußte. König Richard belohnte jedoch die Treue und Opferbereitschaft seines Landes auf seine Weise, indem er – kaum nach England zurückgekehrt – neue Geldsummen von seinen Untertanen eintrieb und wieder das Land verließ, um auf dem Kontinent erneut den Kampf gegen den rebellischen Adel und das französische Königtum aufzunehmen. Dies machte ihn in England wenig populär, so daß etwa der Autor der „Gesta Henrici Secundi“ kritisch vermerkt, Richard sei „schlecht zu allen, schlechter zu seinen Freunden und am schlechtesten zu sich selbst“.

Nach seiner Rückkehr im Jahre 1198 auf das französische Festland ereilte ihn dort dann auch sein Schicksal, das durch seinen Lebensstil bereits bestimmt zu sein schien. Bei der Belagerung der Burg Chalûs während einer Auseinandersetzung mit dem aufständischen Adel in Aquitanien wurde er von einem Pfeil in die Schulter getroffen. Durch Wundbrand infiziert, starb Richard am 6. April 1199 in den Armen seiner Mutter, nachdem er zuvor noch seinen jüngeren Bruder Johann zu seinem Nachfolger designiert hatte.

Seine letzte Ruhestätte fand Richard an der Seite seines Vaters Heinrich II. in der Abtei Fontevraud im Anjou. Sein Motto, welches er 1198 gewählt hatte, ist bis heute der Wahlspruch der englischen Monarchie geblieben „Dieu et mon Droit“ – (Für) Gott und mein Recht.


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