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08.09.07 / Richard Löwenherz’ Nachruhm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

Richard Löwenherz’ Nachruhm

Als Richard mit gerade einmal 42 Jahren starb, besaß er die ganze Kraft eines Kämpfers, war auf der Höhe seines Ruhmes und hatte soeben seinen größten Gegner Philipp August erfolgreich besiegt. Dieser Tod an einem unbedeutenden Kriegsschauplatz und abseits von Kampfhandlungen, nachdem er vorher während seines Kreuzzuges unzählige Gefahren bestanden hatte, erschien den Zeitgenossen absurd. So schrieb der Chronist Roger von Hoveden, daß eine Ameise den Löwen getötet habe.

Man gewinnt dadurch den Eindruck, daß der Nachruhm des Königs die ungeheure Enttäuschung kompensieren sollte, die dieser Tod hervorrief. Da Richard nie die Alltäglichkeit des Regierens in England kennengelernt hatte und durch diese nicht abgenutzt worden war, hat man ihm alles zugeschrieben, wozu man ihn für fähig hielt. Bereits die zeitgenössischen Berichterstatter zeichneten von ihm das Bild eines außergewöhnlichen Mannes, der in seinem ganzen Wesen überdurchschnittlich war. Dies taten sie sowohl, um eine Art Ausgleich für den „unvollendeten“ Teil seines Lebens zu schaffen als auch um den Gegensatz zu dem ungeliebten Nachfolger König Johann zu verstärken.

Richard Löwenherz bleibt bis heute der populärste englische König, obwohl seine Regierungszeit mit nur zehn Jahren vergleichsweise kurz gewesen ist und er den größten Teil seines Lebens auf dem Kontinent und im Nahen Osten verbrachte. Er wurde zwar in England geboren, aber wahrscheinlich beherrschte er nicht einmal die Sprache des Volkes, welche 200 Jahre später vom englischen Parlament zur einzigen offiziellen Sprache erklärt wurde. Bis dahin sprach die adlige Führungsschicht nur Französisch beziehungsweise Anglo-Normannisch. Richards Popularität hat deswegen etwas Paradoxes: Von Generation zu Generation wurde sie größer und obwohl Richard das regnerische England gehaßt haben soll und Zeitgenossen berichteten, daß er bereit gewesen wäre zur Finanzierung des Kreuzzuges London zu verkaufen, wenn er dafür einen Käufer gefunden hätte, haben die englische Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts sowie das zur selben Zeit entstehende Genre des Historischen Romans Richard Löwenherz zum Ideal des englischen Königs erhoben.   A. B.

Foto: Ein Zeichen der historischen Rückbesinnung der Engländer auf das Mittelalter: Die von Carlo Marochetti (1805–1867) entworfene Bronzestatue Richards I. vor dem Oberhaus


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