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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007
Wenn die Worte fehlen Plötzlich nicht mehr sprechen zu können, ist die schreckliche Erfahrung, die jeder zweite Schlaganfallpatient und jeder fünfte Patient mit Schädelhirntrauma machen muß. Seine Gedanken und Gefühle nicht mehr ausdrücken zu können, nicht mehr fähig zur gewohnten Kommunikation zu sein, das berührt die persönliche Würde und ebnet den Weg in die Isolation. Zwar stellt sich manchmal nach einem Schlaganfall, der zu einem teilweisen oder völligen Verlust der Sprachkompetenz führt, eine Besserung spontan wieder ein, da Funktionen der geschädigten Hirnregionen durch andere Areale ganz oder teilweise übernommen werden. „Die Bereiche nämlich, die im Hirn neben dem geschädigten Areal liegen, sind zwar anfänglich in ihrer Funktion beeinträchtigt, regenerieren sich aber nach einer bestimmten Zeit“, erklärt Marcus Meinzer, klinischer Psychologe an der Uni Konstanz. Werden diese Areale dann aber nicht genutzt, verkümmern sie und der Patient lernt, diese Bereiche nicht mehr zu gebrauchen. Intensive Sprachtherapien „zwingen“ deshalb diese ungenutzten Bereiche zur Aktivität. Selbst Jahre nach einem Schlaganfall kann eine solche Behandlung noch die Sprachfähigkeiten verbessern, hatte Meinzer schon vor wenigen Jahren mit eigenen Untersuchungen bestätigen können. Sprache ist ein hochkomplexer Prozeß, auf den offenbar die linke Gehirnhälfte spezialisiert ist. „Um besser zu verstehen, wie einzelne Sprachprozesse im Gehirn ablaufen und welche Hirnareale beteiligt sind, sind zunächst Untersuchungen an Gesunden notwendig“, erklärt Prof. Henning Scheich, Direktor des Magdeburger Leibniz-Institutes für Neurobiologie (IfN), denn inzwischen sei klar, daß die frühere Unterteilung der Sprachverluste (zum Beispiel Broca-Aphasie, Wernicke-Aphasie) nicht für eine differenzierte Behandlung ausreiche. Ein Forschungsprojekt, das im IfN bearbeitet wird, hat sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRI) die verschiedenen Stufen von der Wahrnehmung akustisch dargebotener Objekte bis hin zu deren Benennung aufzuklären. Zu diesen Stufen gehören neben der korrekten Verarbeitung des eingehenden Reizes der Abruf der Bedeutung (vier Beine, bellt) und Wortform („Hund“ nicht „Katze“ oder „Hand“) des Objektes, der Abruf und die kurzzeitige Speicherung der im Wort enthaltenen Laute sowie die Planung und Umsetzung der artikulatorischen Bewegungen. Also eine ganze Reihe von Prozessen, die nach einem Schlaganfall individuell betroffen sein können. „Das Problem hierbei ist natürlich, daß bei Ausfall einer dieser Prozesse der gesamte Wortabruf fehlschlagen kann. Das heißt, zur Therapie benötigt man Informationen, bei welchem dieser Teilschritte eine Störung vorliegt“, erklärt Dr. André Bechermann aus der Arbeitsgruppe Akustik, Lernen, Sprechen. Erste Ergebnisse von fMRI-Studien zu diesem komplexen Problem des Wortabrufs zeigen, daß wesentlich mehr Hirnareale sehr spezifisch an der Problemlösung beteiligt sind, als bisher angenommen wurde. Dies könne zum Teil daran liegen, daß die Mehrzahl bisheriger Untersuchungen visuelle und keine akustischen Reize verwendet hat, vermuten die Magdeburger Neurobiologen. Ein weiterer Hauptbefund der Studie war, daß die Stärke der Aktivität der identifizierten Hirnregionen kritisch davon abhängt, ob ein Objekt überhaupt identifiziert werden konnte, wenn ja, wie schnell es benannt wurde oder ob eine Wortabrufblockade auftrat. „Der Vergleich dieser Ergebnisse, die an gesunden Probanden gewonnen wurden, mit Untersuchungen an Aphasie-Patienten wird zeigen, ob es mit Hilfe der fMRI möglich ist, zu unterscheiden, ob der Patient Probleme hat, die Bedeutung eines Objektes zu erkennen, oder nur den entsprechenden Namen nicht abrufen kann. Dieses Wissen ist für die Art einer frühzeitigen Rehabilitationsmaßnahme entscheidend, weil jeweils völlig unterschiedliche Fähigkeiten trainiert werden müssen“, sagt Scheich. |
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