28.03.2024

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08.09.07 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

Sensibel / Wie wir Beck trösten, was der Herr Deuse sich eigentlich denkt, und wo Mügeln herzeigbare Nazis buchen könnte
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Irgendwann war mal Schluß: Kurt Beck konnte die Hänseleien seiner Parteifreunde nicht mehr ab und heulte sich den Kummer laut von der Seele. „So einen Scheiß lasse ich mir nicht mehr bieten“, flennte er den Obersozis giftig ins Gesicht, die sich dann doch ein bißchen schämten.

Nun eilen sie herbei und streicheln dem armen Kurt übers Bürstenhaar: „Oooch, war doch gar nicht so gemeint. Von jetzt ab sind wir ganz doll lieb zu dir, mein Kuddel“, versprechen die Genossen. Alle sind zum Kuddel-Knuddeln angetreten und muntern den armen Kerl auf: Er könne schon fast so bärig „Basta!“ sagen wie der Schröder. Das ist doch was!

Zum Glück für die Genossen haben sie praktisch alle mitgemacht beim Piesacken ihres Chefs. Da kann jetzt keiner auf den anderen zeigen und ihm „mangelnde Sensibilität“ vorhalten. Statt dessen werden rundum Persilscheine getauscht, man spricht von lauter „wichtigen Beiträgen zur innerparteilichen Debatte“ (gemeint ist der „Scheiß“ ebenso wie Becks Reaktion darauf) – ein Phrasenteppich, unter dem jede Gemeinheit Platz hat.

Mangelnde Sensibilität wird nämlich nicht geduldet in Deutschland. Mügelns Bürgermeister Deuse behauptet immer noch, es gebe keine  rechtsradikalen Strukturen in seiner 4700-Seelen-Gemeinde. Die Auseinandersetzung mit den Indern sei eine ausgeartete Bierzeltschlägerei, in deren Verlauf es in aufgeheizter Stimmung zu Landfriedensbruch, Körperverletzung und rassistischen Sprüchen gekommen sei. Was denkt der Mann sich eigentlich? Der Bürgermeister finde die „im politischen Alltag notwendige Sensibilität nicht“, urteilt eine Zeitungskommentatorin.

Dem können einsichtige Beobachter nur zustimmen. Liest der Herr Deuse keine Zeitung? Dort hätte er die weltpolitische Bedeutung der über 20 Meter langen Hetzjagd studieren und lernen können, daß der Vorfall eine Art Pogrom war. Darauf hätte er ein umfangreiches Programm „Mügeln gegen Rechts“ auflegen müssen. Und wenn er wirklich keine echten Nazis in seiner Gemeinde findet? Nur diese gewalttätigen Dumpfbacken mit ihrem besoffenen „Ausländer raus“-Gegröhle? Die reichen tatsächlich nicht, um die Gefahr für die Demokratie in Mügeln sichtbar zu machen, eher schon, um den allgemeinen Verfall von Respekt, Manieren und Gesetzestreue zu beklagen – das jedoch tun ja immer die Konservativen, weshalb eine solche Debatte im „Kampf gegen Rechts“ nun wirklich nichts zu suchen hat.  Doch kein Problem: Mit ernstzunehmenden Nazis wird der sächsische Verfassungsschutz den Mügelnern bestimmt gern aushelfen. Die Verfassungsschützer haben genug eigene im Markt. Darunter auch solche, die womöglich schon in naher Zukunft dringend eine neue Aufgabe suchen.

Wenn Kurt Beck mit seinem neuerlichen Vorstoß fürs NPD-Verbot durchkommt, müssen nämlich einige staatlich bestallte Parteibräunlinge aus der NPD-Spitze abgezogen werden, damit die Sache nicht noch einmal über  „V-Männer“ stolpert. Der letzte Anlauf zum NPD-Verbot war bekanntlich daran gescheitert, daß sich in der Partei dermaßen viele staatliche Agenten tummelten, daß die Richter keine Möglichkeit sahen herauszufinden, wer dort ein echter Extremist ist und wer als Bundeskostümnazi nur so tut. Deshalb sollen sich die V-Leute im Falle eines neuen Verbotsantrages zurückziehen, heißt es.

Die so aus der NPD verschwundenen Amtsnazis wären dann frei zur weiteren Verwendung und könnten in Mügeln so richtig was losmachen. Angenehmer Nebeneffekt: Linke Gruppen würden daraufhin ebenfalls mehr Mittel zum „Kampf gegen Rechts“ bewilligt bekommen (aber bitte, der Sensibilität wegen, aus einem anderen Budgetposten als dem, aus dem die Amtsnazis besoldet werden). Bürgermeister Deuse schließlich könnte der Öffentlichkeit eindrucksvoll vorführen, „daß endlich etwas getan wird“.

 Müßte, würde, könnte … Leider wird es wohl weder zu einem neuen NPD-Verfahren kommen noch will sich der Mügelner Bürgermeister von der verharmlosenden Beschreibung der Vorgänge in seiner Kleinstadt lossagen.  Immerhin gibt es jetzt ein Ermittlungsergebnis von Polizei und Staatsanwaltschaft, aus dem hervorgeht, daß es sich bei der Auseinandersetzung mit den Indern um eine ausgeartete Bierzeltschlägerei gehandelt hat, in deren Verlauf es in aufgeheizter Stimmung zu Landfriedensbruch, Körperverletzung und rassistischen Sprüchen gekommen ist.

Damit ist der Fall Mügeln noch lange nicht abgeschlossen. Jetzt geht es darum, dafür zu sorgen, daß wir aus den Vorfällen auch etwas lernen und sensibler werden. Hier können durchaus schon Fortschritte ausgemacht werden: Mit lange nicht mehr genossener Betroffenheit meldeten die Medien entsetzt: „Mügelns Bürgermeister ist stolz, Deutscher zu sein!“ In den guten alten 90ern hätte er sich mit dieser Aussage das Genick gebrochen. Aber in der dunklen Zwischenzeit? Wer unter uns leidet nicht noch immer unter dem WM-Trauma, als uns ganz Deutschland seinen fröhlichen „Stolz“ ins entsetzte Gesicht lächelte und die gesamte unsensibilisierte Welt lustig mittanzte? Die wache Reaktion der Medien auf die skandalöse Stolz-Bekundung des Herrn Deuse gibt zu erkennen, daß wir die furchtbare patriotische Unbefangenheit langsam wieder ablegen.

Sogar die Sebnitz-Pleite überwinden wir Schritt für Schritt. Die oben genannte Kommentatorin hat die Affäre umgedreht und ein finsteres „Sebnitz-Syndrom“ bei den Deutschen entlarvt. Das besteht darin, daß die Leute sich regelrecht freuen, wenn sich ein angeblich gezielter Nazi-Übergriff im Nachhinein „nur“ als widerliche Prügelei mit rassistischen Beschimpfungen (wie in Mügeln) oder tragisches Unglück (wie in Sebnitz) entpuppt. Diese Haltung sei ein Zeichen der Verdrängung der NS-Verbrechen.

Was soll heißen, da kommen Sie nicht mit? Auch Sie sind eher erleichtert, wenn herauskommt, daß es keine organisierten Nazis waren, die wieder durch Deutschland ziehen und morden und prügeln, sondern bloß ordinärer Pöbel? Dann haben auch Sie das „Sebnitz-Syndrom“.

Erstes äußeres Anzeichen des Syndroms ist der Wunsch, nach den ersten Meldungen über eine Nazi-Attacke zu erfahren, ob die Sache denn überhaupt bewiesen sei. Wer so etwas fragt, weigert sich einzusehen, daß jedes Verdachtsmoment ausreicht, um dringend „ein Zeichen gegen Rechts setzen zu müssen“.

Das Ziel der Zeichensetzerei ist erst erreicht, wenn sie von den Anlässen vollkommen unabhängig geworden ist. Das ist gar nicht so schwer: Wenn nach jedem Anlaß schon ein „Zeichen“ gesetzt wird, bevor erforscht ist, was wirklich geschah, entsteht von selbst der Eindruck, daß es im Lande von marodierenden Nazibanden nur so wimmelt. Jedes Zeichen bildet den Hintergrund für das nächste und läßt es um so wichtiger erscheinen, wobei die Anlässe in der allgemeinen Wahrnehmung kaum noch eine Rolle spielen. Wenn doch jemand auf sie zu sprechen kommt, lassen wir das Beil sausen: „Sebnitz-Syndrom!“

Dabei müssen wir natürlich darauf achten, daß die „Zeichen“ nicht mißbraucht werden. Kampf gegen Rassismus an sich ist eine heikle Sache, der kann schnell in die falsche Richtung gedreht werden. Verdrängungsdeutsche mit Sebnitz-Syndrom könnten auf die Idee kommen, antideutsche Pöbeleien von Migranten auch als „Rassismus“ zu benennen. Da hilft nur die präzise Wortwahl, weshalb es immer „Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ heißen muß. Klar ist es ein wenig merkwürdig, wenn wir ausgerechnet im Antirassismuskampf Deutsche, deren Hautfarbe nicht weiß ist, automatisch als „Fremde“ etikettieren. Aber was soll man machen, Sprache hat halt ihre Tücken. Daß „Antifaschisten“ heute noch von Deutschland als dem „Land Adolf Hitlers“ sprechen, würde ja auch niemanden mehr freuen als Hitler selbst.


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