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15.09.07 / Er schenkte Bayern gute Jahre / Ministerpräsident Edmund Stoiber scheidet – nicht ganz freiwillig – aus seinen Ämtern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Er schenkte Bayern gute Jahre
Ministerpräsident Edmund Stoiber scheidet – nicht ganz freiwillig – aus seinen Ämtern
von Wilfried Böhm

Am bevorstehenden 30. September wird Edmund Stoiber aus dem Amt des bayerischen Ministerpräsidenten scheiden, das er seit 14 Jahren als Nachfolger von Max Streibl innehat. Seinen Rücktritt hatte Stoiber am 18. Januar 2007 angekündigt. Ebenfalls wird Stoiber für den Parteivorsitz der CSU beim bevorstehenden Parteitag nicht wieder kandidieren. Erster Mann seiner Partei war Stoiber seit sieben Jahren, als er als Parteivorsitzender Nachfolger des ehemaligen Bundesfinanzministers Theo Waigel wurde.

Der christlich-konservative Politiker Stoiber hat ein ausgesprochen stark entwickeltes Gefühl für soziale Gerechtigkeit und genießt weit über die Grenzen Bayerns hinaus Respekt und Anerkennung – und das nicht nur bei seinen politischen Freunden, sondern auch darüber hinaus.

Kein Wunder, daß sein soziales Empfinden ihn mit Sorge feststellen läßt, über 70 Prozent der Menschen in Deutschland hätten das Gefühl, „daß es in unserem Land nicht gerecht zugehe“. Nach Stoibers Ansicht ist eine solche Stimmung eine Gefahr für die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft. Darum müsse der gegenwärtige Wirtschaftsaufschwung „auch wirklich beim Bürger ankommen“. Stoiber tritt für den Investivlohn ein, um die Arbeitnehmer am Gewinn ihres Unternehmens zu beteiligen. Schließlich hätten sich die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften mit den Forderungen nach Lohnerhöhungen sehr zurückgehalten. Auch die Vorstände müßten Maß halten, wenn sie für die Belegschaft Vorbild sein wollten. Die in diesen Worten deutlich werdende sozial engagierte Haltung Stoibers findet natürlich Beifall und spiegelt die Einstellung wider, die die CSU zu einer wirklichen Volkspartei in Bayern hat werden lassen.

Hinzu kommt die perfekte Selbstdarstellung der CSU als Volkspartei in Stadt und Land. Der mit einiger Spannung erwartete Parteitag wird im hypermodernen und für das moderne Bayern sinnbildhaften Internationalen Congress Center in München am 28. September beginnen. Das ist – sicher nicht ganz zufällig – der 66. Geburtstag  Stoibers, des Noch-Ministerpräsidenten und Noch-Vorsitzenden. Gute Regie beginnt eben bei Auswahl von Ort und Termin.

Wie wir von Udo Jürgens wissen, ist bekanntlich „mit 66 noch lange nicht Schluß“. Vielmehr fange „mit 66 Jahren das Leben erst an“ und mit 66 habe „man Spaß daran“. Sibyllinisch meinte dann auch der scheidende Ministerpräsident des Freistaates Bayern kürzlich zur „Bild“-Zeitung, er „freue sich auf den neuen Lebensabschnitt“, um sogleich die neugierig „nach neuen Aufgaben“ fragenden Journalisten zu vertrösten und zugleich auf die Folter zu spannen: „Vielleicht sagen Sie Ende des Jahres: Hätten wir gar nicht geglaubt.“

Immer wieder hatte Stoiber nach höheren politischen Ämtern gestrebt und das geschickt wie von selbst geschehen lassen. Seit 1974 ist er Abgeordneter des Bayerischen Landtags. Unter dem Parteivorsitzenden Franz Josef Strauß war er – in diesem Fall für ihn selbst überraschend – von diesem zum Generalsekretär der CSU berufen worden und übte dieses Amt von 1978 bis 1983 aus. Sein politischer Spitzname „blondes Fallbeil“ stammt aus dieser Zeit.

Nach seiner Zeit als Staatssekretär und Leiter der Bayerischen Staatskanzlei wurde er in dieser Funktion Staatsminister und schließlich Bayerischer Staatsminister des Inneren. Sein weiterer Weg führte den akribischen Arbeiter und „Aktenfresser“, wie er mehr respektvoll als bösartig benannt wurde, in das Amt des Ministerpräsidenten. Als solcher war er von 1995 bis 1996 ein Jahr Präsident des Bundesrates.

Er verteidigte die absolute Mehrheit der CSU 1994 und 1998  jeweils mit fast 53 Prozent der abgegebenen Stimmen und erzielte bei der letzten Landtagswahl 2003 sogar 60,7 Prozent, bei der allerdings sehr geringen Wahlbeteiligung von nur 57,3 Prozent. Die Zweidrittelmehrheit, die die CSU damit bei den Mandaten im Bayerischen Landtag erzielte, ist der höchste Wahlsieg einer Partei bei Landtagswahlen im Nachkriegsdeutschland.

Ein Jahr vorher beging er, wie er selbst sagte, „seinen größten Fehler, der darin bestand, die Bundestagswahl 2002 nicht gewonnen zu haben“. Er hatte sich gegenüber Angela Merkel nach dem legendären „Wolfratshausener Frühstück“ als gemeinsamer Kanzlerkandidat von CDU und CSU durchsetzen können. In dem hauptsächlich von wirtschafts- und sozialpolitischen Themen beherrschten Wahlkampf schaffte Stoiber wohl einen Zugewinn von 3,4 Prozent, aber die insgesamt 38,5 Prozent reichten trotz SPD-Verlusten von 2,4 Prozent und ebenfalls 38,5 Prozent nicht für eine gemeinsame Mandatsmehrheit von CDU, CSU und FDP. Die SPD lag in der dramatischen Wahlnacht mit insgesamt 6027 Stimmen, das waren 0.01 Prozent! vor den Unionsparteien, stellte aber aufgrund von Überhangmandaten die stärkste Bundestagsfraktion. Doch Kanzler Gerhard Schröder warf in dieser Legislaturperiode das Handtuch.  

Wenn es um wichtige politische Positionen ging, war Stoiber immer wieder schon „im Gespräch“. So wurde ihm 2004 von Jacques Chirac mit Zustimmung  des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission angetragen, „gehandelt“ wurde er auch, noch bevor die Kandidatur von Horst Köhler bekanntgegeben wurde, als möglicher Anwärter für das Amt des Bundespräsidenten. Auch hier winkte er ab. Ebenso entschied er sich nach der letzten Bundestagswahl 2005 gegen die Position des Bundeswirtschaftsministers im Bundeskabinett von Kanzlerin Angela Merkel, nicht zuletzt, weil er seine Pläne für eine Art „Superministerium“ nicht umsetzen konnte.

Fest steht: Stoiber hatte sich seinen Abschied aus den Ämtern in Landesregierung und Partei anders vorgestellt, denn „seine „Lebensplanung war anders“, wie er selbst sagt. Gern wäre er noch „zwei, drei Jahre geblieben“ um dann den Generationswechsel in der CSU einzuleiten“. Gemessen an seinen Leistungen für den Freistaat wäre das auch zu rechtfertigen gewesen, denn die Leistungsbilanz unter seiner Regierungs- und Parteiführung kann sich sehen lassen. Fest steht: Für die CSU ist auch unter seiner Führung der Spagat gelungen, nicht nur die bayerische Politik zu prägen, sondern auch die deutschlandweite Politik erfolgreich mitzugestalten.

Zu Stoiber paßt das Wort von Franz Josef Strauß: „Konservativ sein“, heißt, „an der Spitze des Fortschritts zu marschieren“. Stoiber hat dieses Wort verinnerlicht. Die Familie ist für ihn der Kern der Gesellschaft, Deutschland soll ein „tolerantes Land sein“, aber er will nicht, „daß die Moscheen größer werden als die Kirchen“. Für ihn ist es gut, daß die Deutschen ihre nationalsozialistische Vergangenheit „klar aufgearbeitet haben“, aber nun müßten auch die ehemaligen kommunistischen DDR-Kader „sich ihrer Vergangenheit stellen“.

Der bevorstehende CSU-Parteitag wird dafür die Weichen stellen. Die Stoiber-Jahre waren gute Jahre für Bayern. Selbstbewußt stellt Stoiber am Ende seiner Amtszeit fest: „Bayern ist heute das Land, an dem sich andere messen lassen müssen.“

Es ist zu erwarten, daß der Parteitag nicht zum „Komödiantenstadl“ wird, wie manche unken. Er wird eine für ganz Deutschland wichtige Veranstaltung werden und mit der Verabschiedung des Grundsatzprogramms und den Neuwahlen Maßstäbe für die Zukunft einer Partei setzen, die für ganz Deutschland wichtig ist und bleiben wird.

Foto: Stoiber muß den Dirigentenstab abgeben: Beckstein (Mitte) soll übernehmen.


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