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15.09.07 / Pseudo-Revolutionäre / Vier junge Unionspolitiker fordern, daß die Union zu ihren Wurzeln zurückkehrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Pseudo-Revolutionäre
Vier junge Unionspolitiker fordern, daß die Union zu ihren Wurzeln zurückkehrt
von Hans Heckel

Günther Beckstein tat das Unerhörte: Der designierte CSU-Chef meinte, auch „Rechte“ seien in der CSU ausdrücklich willkommen. Vor 20 Jahren wäre das eine Selbstverständlichkeit gewesen. Die Linken zur SPD und zu den Grünen, die Rechten zur Union – was sonst? Seit den 80er Jahren indes ist es der deutschen Linken gelungen, die Rechte per se in den Geruch des Extremen zu bringen, das Spektrum des Akzeptablen auf „Links“ und „Mitte“ zu beschränken. Ein in den Demokratien der Neuzeit wohl einmaliger Vorgang.

Die Union hat sich mitschuldig gemacht an der dramatischen Verschiebung des politischen Koordinatensystems, indem sie sich selbst stets nur als „Partei der Mitte“ profilierte und sich gar auf naive Weise an pauschalen Kampagnen „gegen Rechts“ beteiligte. Einer der Hauptinitiatoren dieser schleichenden Verwandlung der Union war Kohls früherer Generalsekretär Heiner Geißler. Er witterte denn auch Gefahr für sein Erbe und wetterte gegen Beckstein, man dürfe „nicht seine Seele verkaufen, um Rechtsradikale zu gewinnen“.

Immer mehr Unionsstrategen wird jedoch klar, daß diese Ineinssetzung von „rechts“ und „rechtsradikal“, die bedingungslose Beschränkung auf die „Mitte“ letztlich nur dem politischen Gegner genützt hat. Seit 1994 hat die Union bei Bundestagswahlen die 40-Prozent-Marke nicht mehr erreicht, seit 1983 geht es mit ihren Ergebnissen nahezu kontinuierlich bergab. Die strukturelle Mehrheit, die bis 1998 bei den Bürgerlichen lag (die SPD konnte nur regieren, wenn Union oder FDP es ihr ermöglichten), ist nach links gerutscht. Sobald die Linkspartei aus ihrer Quarantäne entlassen ist, werden alleinlinke Mehrheiten in Deutschland möglich.

Vier junge Unionspolitiker haben ausgemacht, wohin die einstigen Mehrheiten für die Union entschwunden sind. Nicht in die von allen umkämpfte Mitte, sondern in ein rechtes Nichtwählerlager. CSU-Generalsekretär Markus Söder, der Chef der baden-württembergischen CDU-Landtagsfraktion Stefan Mappus, Nordrhein-Westfalens CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst sowie JU-Chef Philipp Mißfelder erinnern in einem 17seitigen Memorandum daran, „warum die Union wieder mehr an ihre Wurzeln denken muß“, und fordern die Rückkehr zu einem „modernen bürgerlichen Konservatismus“.

Sie rufen auf zur Besinnung auf Werte wie Ehrlichkeit, Fleiß, Anstand, Respekt, Heimat, Patriotismus, Christentum – Werte, die dauerhafte Orientierung gäben und der „rot-grünen Beliebigkeit“ Einhalt gebieten sollen. Sie sind gegen Werteverlust, hedonistische Selbstverwirklichung, den Klimawandel, gegen Sozialneid und Technologiefeindlichkeit, gegen die rot-grüne Multikulti-Idee und mithin die Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU.

In der Mehrheit Dinge, die dem konservativen Leser ein beifälliges Nicken entlocken dürften, und doch bleibt ein fader Eindruck. In dem 17-Seiten-Papier scheint kaum mehr zu stehen als schon in dem neuen CDU-Grundsatzprogramm, nur daß die vier Autoren nicht vergessen, über alles das Etikett „bürgerlich-konservative Politik“ zu kleben. Von der klaren Akzentuierung eines „konservativen Manifests“ im Sinne einer Streitschrift, von der mancherorts zu lesen war, ist nichts zu spüren. Im Interview mit dem „Stern“ stellt JU-Chef Mißfelder denn auch heraus: „Ich unterstütze den Kurs der Öffnung der Union durch Angela Merkel und Generalsekretär Ronald Pofalla“, und läßt keinen Zweifel, wohin diese „Öffnung“ zu gehen habe: „in Richtung Mitte“.

Für die vier scheint letztlich alles mit allem zusammenzupassen. So wollen sie die Familie wieder mehr in den Mittelpunkt stellen, unterstützen nach Mißfelders Worten aber ebenso „nachhaltig“ die Politik von Familienministerin Ursula von der Leyen, in welcher konservative Kritiker viel zu viel linke Ideen von staatlicher statt familiärer Kinderbetreuung zu erkennen glauben.

Spontan erinnert die neue Konservatismus-Debatte an Helmut Kohls Ankündigung einer „geistig-moralischen Wende“ 1982. Die Deutschen rätseln heute noch, was er damit – praktisch – gemeint hat. Oder an die versprochene Patriotismusdebatte der Union, die nie geführt wurde, oder die Leitkulturdiskussion, die seltsam schal im Sande verlief.

Aufgeschreckt vom Ausfransen ihrer Stammklientel schleudern Unionspolitiker in unregelmäßigen Abständen durchaus anregende Schlagwörter in den deutschen Debattenraum.

Wenn es aber daran geht, die Wörter mit Inhalt zu füllen, sie zu überzeugenden, schlagkräftigen Begriffen zu formen, zerläuft alles in einem beflissenen Sowohl-als-auch.

Die enttäuschten rechtskonservativen (Nicht-) Wähler gewinnt die Union so kaum zurück – gut zu wissen für die Linke.

Foto: Aneinanderreihung von Beliebigkeiten: Mißfelder mit Angela Merkel

 

Zeitzeugen

Otto von Bismarck – „Der Eiserne Kanzler“(1815–1898), er wird als Gründer des Deutschen Reiches und als Vater der Sozialversicherung verehrt. Mit dem Sozialistengesetz von 1878 verbot er die Agitation der Sozialdemokraten, ohne jedoch die politische Arbeit der Mandatsträger anzutasten.

 

Heinrich Brüning – Der studierte Nationalökonom (1885–1970) wurde 1924 Mitglied im Deutschen Reichstag und war als Finanzpolitischer Sprecher der Zentrumspartei tätig. Durch seine konsequente Haushalts- und Sparpolitik machte er sich schnell einen Namen. Er wurde Nachfolger des sozialdemokratischen Reichskanzlers Hermann Müller. Im März 1930 wurde Brüning mit 44 jüngster deutscher Reichskanzler. Seine Sparpolitik brachte ihm den Namen „Hungerkanzler“ ein.

 

Alfred Dregger – „Freiheit statt Sozialismus“, diese Worte, die auf ihn zurückzuführen sind, wurden 1976 zum Wahlkampfmotto der CDU. Der 1920 in Münster geborene Dregger war von 1972 bis 1998 Mitglied im Bundestag. Er setzte bereits in den 70er Jahren als Oberbürgermeister von Fulda Sozialhifeempfänger zu gemeinnütziger Arbeit ein. Zu seinen politischen Forderungen gehörte die Schaffung einer europäischen Sicherheitsunion als Partner der Nato. Er trat gegen die Dämonisierung deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg ein. Alfred Dregger verstarb am 29. Juni 2002 in Fulda.

 

Franz Josef Strauß –  Der CSU-Politiker (1915–1988) gehörte 25 Jahre dem Parlament an. Legendäre Wortgefechte mit Herbert Wehner waren sein Markenzeichen. Umstritten waren seine Kontakte zu Regimen wie dem von Pinochet in Chile wie auch zur DDR, der er 1983 zu einem Milliardenkredit verhalf.

 

Udo di Fabio – Der 1954 geborene Bundesrichter habilitierte sich mit einer Arbeit über Risikoentscheidungen im Rechtsstaat. In seinem Buch „Die Kultur der Freiheit“ reflektiert di Fabio Status quo und künftige Entwicklungsperspektiven mit Blick auf die Leitwerte des Grundgesetzes und die Globalisierung. Konservative Wertschätzung wird ihm für seine Stellungnahme zugunsten der Familie mit Kindern als gesellschaftlichem Leitbild zu teil.


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