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15.09.07 / Er setzte Maßstäbe / Ernst Abbe verkörperte konservative Ideale, er fühlte sich den ihm Anvertrauten verpflichtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Er setzte Maßstäbe
Ernst Abbe verkörperte konservative Ideale, er fühlte sich den ihm Anvertrauten verpflichtet
von Manuel Ruoff

Im Gegensatz zu heute kennt die Geschichte des deutschen Kaiserreiches diverse Unternehmerpersönlichkeiten, die dem konservativen Ideal entsprachen, sich den ihnen anvertrauten Mitarbeitern und Landsleuten sowie deren Familien verpflichtet fühlten. Einer von ihnen war der Optiker, Astronom, Physiker, Erfinder, Unternehmer und Sozialreformer Ernst Abbe. Der Sachse kam 1840 in Eisenach zur Welt. Er entstammte einfachen Verhältnissen. Daß er trotzdem die Realschule erster Ordnung, das spätere Realgymnasium, besuchen konnte, verdankte er dem Arbeitgeber seines Vaters, Julius von Eichel-Streiber, der ihn unterstützte. Der begnadete Naturwissenschaftler studierte Physik und Mathematik, promovierte, habilitierte sich und wurde Professor.

Nebenbei unterstützte er den Unternehmer Carl Zeiss mit seinen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Mit der von ihm entwickelte Theorie der Abbildung im Mikroskop, die nicht nur den Beginn der wissenschaftlichen Optik bedeutete, sondern auch die Produktion von Mikroskopen auf der Grundlage wissenschaftlicher Berechnungen ermöglichte, verschaffte er Zeiss einen derartigen technologischen Vorsprung, daß dieser ihn zu seinem Teilhaber machte und zu seinem Nachfolger in der Unternehmensführung bestimmte.

Nun in unternehmerischer Verantwortung, führte Abbe eine Vielzahl vorbildlicher sozialer Leistungen ein. 1875 gründete er die Betriebskrankenkasse bei Carl Zeiss. 1887 richtete er einen Fonds für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Beschäftigten ein. 1890 wurde die tägliche Arbeitszeit auf neun, 1900 gar auf acht Stunden beschränkt. 1896 wurden Minimallöhne, bezahlter Urlaub sowie die Mitarbeiterbeteiligung am Gewinn eingeführt. Des weiteren wurden in jenem Jahr die Lesehalle Jena geschaffen und neben einer Baugenossenschaft ein Lesehallenverein gegründet. Und 1903 wurde das Volkshaus Jena eröffnet. Mit der Schaffung einer Interessenvertretung der Mitarbeiter, die das Recht hatte, zu allen Betriebsfragen gehört zu werden, bezahltem Urlaub, Ertragsbeteiligung, einem verbrieften Recht auf Pensionszahlungen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie dem Neun- beziehungsweise Acht-Stunden-Tag wurde das Unternehmen unter Abbes Einfluß beziehungsweise Leitung zu einem Vorreiter der modernen Sozialgesetzgebung.

Um das Werk mit seinen vorbildlichen Sozialleistungen von seiner eigenen Person unabhängig zu machen und über sein eigenes Ableben im Jahre 1905 hinaus zu sichern, verfolgte Abbe als Leiter des Betriebes, der er nach dem Tode von Carl Zeiss im Jahre 1888 wurde, die Überführung in eine Stiftung. Wie sich der Geist dieser Stiftung von der heutigen Raffgier der „Nieten im Nadelstreifen“ absetzt, zeigt beispielhaft der Paragraph 94 des Stiftungsstatuts von 1896: „… Das höchste Jahreseinkommen, welches einem Beamten, die Mitglieder der Geschäftsleitungen eingeschlossen, für seine vertragsmäßige Dienstleistung gewährt wird, darf zur Zeit der Festsetzung nicht hinausgehen über das Zehnfache vom durchschnittlichen jährlichen Arbeitseinkommen der sämtlichen über 24 Jahre alten und mindestens drei Jahre im Betrieb tätigen, in gewöhnlichem Lohnverhältnis stehenden Arbeiter aller Stiftungsbetriebe, nach dem Durchschnitt der letztverflossenen drei Geschäftsjahre …“


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