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15.09.07 / Ost-Deutsch (32): Hochstapler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Ost-Deutsch (32):
Hochstapler
von Wolf Oschlies

Bei der Sommerschule für makedonische Sprache und Literatur habe ich einmal einen Lektor angepumpt und das prompt vergessen. Als ich ihm, sehr verspätet, das Geld zurückgab, grinste er nur: „Vakvi hohstapleri ima i kaj nas“ (Solche Hochstapler gibt’s bei uns auch). Das war meine erste Begegnung mit diesem deutschen Wort in südslawischer Umgebung, der viele folgten.

Das heißt: So deutsch ist das Wort auch wieder nicht. Es entstammt dem „Rotwelsch“, der Gaunersprache, in der „stap(p)eln, stabeln“ betteln bedeutet. Im „Liber Vagatorum“ (Herumtreiber-Buch) von 1509 sind erstmals Bettler als „stabulere“ vermerkt. „Hoch“ war im norddeutschen Rotwelsch eine Verstärkung, während es im Süden „vornehm tun“ bedeutete. In der Variante – „Hochstapler“ gleich Angeber, Trickser, Vortäuscher etc. – wurde das Wort Gemeingut. Nicht immer unsympathisch, wie Thomas Manns Roman „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ von 1954 beweist. Exakt so hält es ganz Osteuropa.

Er sei ein „cirkusant, manipulant i hohstapler“, wurde Kroatiens Staatspräsident Mesic schon 2000 von politischen Gegnern beschimpft, und diesen Schimpf muß man nicht übersetzen. Ähnlich drastisch meinen’s die Slowenen, wenn sie jemanden als „nadut (aufgeblasenen) hohstapler“ verdammen, oder die Bosnier, die kürzlich einen bekannten Regisseur als „nepismeni lazov i hohstapler“ niedermachten, als „analphabetischen Lügner und Hochstapler“. Bei den Serben erscheint „hohstapler“ oft als Zwilling des (auch deutschen) „streber“, bei Polen ist „hochsztapler“ ein Synonym für „oszust“ (in dem ich den deutschen „Ausschuß“ erkenne). Vor Jahrhunderten war „stapler“ bei Polen ein anderes Wort für „zebrak“ (Bettler) – heute nennt „Gazeta Wyborcza“ Andrzej Lepper, den Führer der populistischen Bewegung „Samoobrona“ (Selbstverteidigung), einen „hochsztapler“, der sich sogar seinen Ehrendoktor der Kiewer Universität erschlichen hat.

Hochstapelei ist bei uns kein Straftatsbestand, aber eine vernichtende Charakterisierung, ganz wie im Osten: Für die serbische Schriftstellerin Ljiljana Habjanovic sind Literaturpreise „hohstapleraj“, für den makedonischen Kritiker Osmanli gibt es in der Kultur zu viel „civilizaciski hohstapleraj“.


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