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15.09.07 / Von Ingenieurmangel keine Spur / Wirtschaft sucht vor allem billige Arbeitskräfte aus dem Ausland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Von Ingenieurmangel keine Spur
Wirtschaft sucht vor allem billige Arbeitskräfte aus dem Ausland
von Klaus D. Voss

Von wegen Ingenieurmangel – so leicht lassen sich die Experten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus Nürnberg nicht durch Klagerufe aus der Wirtschaft irritieren. Von einem allgemeinen Mangel kann keine Rede sein, belegen sie mit dem neuesten IAB-Bericht, es gebe nur Engpässe. Genau gesagt: „Derzeit scheint allenfalls ein Mangel an jungen männlichen Ingenieuren bestimmter Fachrichtungen zu bestehen.“ Auf der anderen Seite suchen mindestens 24000 Ingenieure eine Stelle. Mindestens, denn die genaue Zahl der arbeitslosen Ingenieure kennt auch die Bundesagentur für Arbeit nicht mehr. Seit der Umstellung auf Hartz IV im Januar 2005 werden die Berufsangaben der Arbeitslosengeld-II-Empfänger nicht mehr in die Statistik aufgenommen – ein Mangel an Übersicht.

Dennoch hat sich die Große Koalition auf ihrer jüngsten Tagung auf Schloß Meseberg verleiten lassen, die Zuwanderungsregeln für ausländische Ingenieure in den Branchen Maschinenbau und Elektrotechnik erheblich zu erleichtern. Die Berliner Koalitionäre hatten nicht den vollen Überblick über den Arbeitsmarkt für Ingenieure.

Die Arbeitsmarktlage ist in den einzelnen Ingenieurberufen sehr unterschiedlich, stellten die IAB-Forscher fest. Schwierig ist die Lage bei den Architekten und im Bergbau, allenfalls in den Disziplinen Maschinenbau und Elektrotechnik sowie bei den Wirtschaftsingenieuren gibt es Engpässe.

Und selbst das stimmt nicht so ganz, denn in erster Linie stehen sich die Unternehmen selbst im Wege: Ältere Ingenieure haben bei Bewerbungen kaum eine Chance – und, das erstaunt: Frauen erst recht nicht. Die Arbeitslosigkeit ist bei Ingenieurinnen doppelt so hoch wie bei den männlichen Kollegen. Selbst in den Sparten, in denen es echte Engpässe gibt, haben die Bewerberinnen nach den IAB-Angaben immer noch schlechte Karten. Auf jeden Fall müsse sich erst einmal die Unternehmenskultur in Deutschland ändern, so die IAB-Studie.

Das gilt auch in einem anderen Punkt: Von vorausschauender Personalplanung ist offenbar immer weniger die Rede. Die Stellenbesetzung bei Ingenieuren ist diffiziler als in anderen Berufen und hatte in den letzten Jahren (2000–2006) immer bei 120 bis 122 Tagen gelegen. Jetzt planen die Personalchefs durchschnittlich nur noch 58 Tage ein, bis „der Neue“ die Stelle antritt – da herrscht ein anderer Wind in den Unternehmen, eine Art „Ruck-Zuck-Personalpolitik“.

Schließlich kommen die Arbeitsmarktforscher zum Kern des Problems – gute Leute haben eben ihren Preis. Deutlich zugenommen hat die Praxis, Beschäftigte direkt aus anderen Unternehmen abzuwerben; das führt immer zu Gehaltssteigerungen. Wer also auf diesem Bewerber-Karussell nicht genug bietet, hat den Ingenieur-Mangel im Haus. Klar, warum manche deutschen Unternehmen so drängeln, billigere Fachkräfte aus dem Ausland zu bekommen.

Aber selbst in den drei Ingenieur-Gattungen, in denen Engpässe bestehen, könnten die deutschen Betriebe Fachkräfte im Inland rekrutieren. Im August 2007 suchten 5090 Maschinenbau-Ingenieure Arbeit, 4221 Elektroingenieure und 3743 Wirtschaftsingenieure.

Bei dieser Gelegenheit kippten die Arbeitsmarktforscher, die in einem unabhängigen, der Bundesagentur für Arbeit zugeordneten Institut arbeiten, eine andere Legende. Die jetzt vom Institut der Deutschen Wirtschaft veröffentlichte Abschätzung, wonach ein bereits akuter Fachkräftemangel schon zu einer Einbuße von einem Prozent des Bruttosozialproduktes führe, hält das IAB für „nicht plausibel“.

Eine solche Entwicklung konnte allenfalls eintreten, wenn die Unternehmen auf Arbeitskräfte-Engpässe weitgehend unflexibel reagierten. Das treffe aber nicht zu. Kurzfristige Knappheiten könnten immer durch Überstunden oder durch Aufträge an Subunternehmen ausgeglichen werden. Und selbst wenn ein einzelnes Unternehmen einen Auftrag nicht annehmen könne, dann hieße das noch lange nicht, das dieser Auftrag der deutschen Volkswirtschaft insgesamt verloren gehe.


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