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15.09.07 / Die vergiftete Barbie / Immer mehr Unternehmen, die in China produzieren lassen, müssen minderwertige Ware zurückrufen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Die vergiftete Barbie
Immer mehr Unternehmen, die in China produzieren lassen, müssen minderwertige Ware zurückrufen
von Albrecht Rothacher

Auch Menschenopfer konnten die erzürnten westlichen Götter nicht gnädig stimmen. Zheng Xiaoyu (62), der Chef der chinesischen Lebens- und Arzneimittelagentur wurde nach dem Tod von elf Patienten, die nach der Einnahme ungeprüft zugelassener Antibiotika gestorben waren, zum Tode verurteilt und im Juli erschossen. Zhang Shuhong, Leiter der Lee-Spielzeugfabrik, erhängte sich im August, nachdem Mattel, der in Kalifornien beheimatete, weltgrößte Spielzeughersteller, für den er bisher eine Million Sesamstraßenfiguren hergestellt hatte, Bleifarben gefunden, die Lohnfertigung annulliert und seine Firma damit ruiniert hatte. Seit Anfang August mußte Mattel in drei teuren Rückholaktionen 20 Millionen weltweit verkaufte, potentiell gefährliche Spielzeuge zurückrufen.

Rapex, das Schnellwarnsystem der EU, mußte im Jahr 2006 über 1000 Produkte wegen Gefährlichkeit vom Markt nehmen lassen. Die Hälfte davon kam aus China. Am stärksten betroffen waren Spielwaren, Elektrogeräte und Werkzeuge. Es drohten Verletzungen, Stromschlag, Feuer oder chemische Risiken. Laut TÜV ist der Anteil chinesischer Produkte mit gefährlichen Sicherheitsmängeln in den letzten Jahren stark gestiegen. Zum einen machen die Importe aus China mittlerweile einen Anteil von 14 Prozent an den EU-Gesamtimporten aus. Zum anderen wird bei Chinaprodukten jetzt genauer hingeschaut. An die für wenige Euro auf den Wühltischen der Discounter erstandenen Werkzeuge, die sich bei der ersten Benutzung verbogen, und an Turnschuhe, deren Sohlen sich bei Regen ablösten, hat sich der leidgeprüfte Verbraucher längst gewöhnt. Doch jüngst gab es in den USA Todesfälle. Im Frühjahr starben dort Tausende Hunde und Katzen einen rätselhaften Tod. Bald fand man als Ursache Trockenfutter heraus, das aus China stammende Weizenkleber mit einer Überdosis des Düngemittels Melamin enthielt. Im Sommer starb ein Kleinkind, das sich an einem in China gefertigten Blei-Armband vergiftete, das der Sportkleidungshersteller Reebok seinen Kunden als Werbegeschenk verehrt hatte. Darauf wurden die Prüfungen gründlicher, und man wurde sehr schnell fündig.

In Neuseeland wurden Überdosen von Formaldehyd in Kinderschlafanzügen gefunden. In Spanien wurden 100000 Tuben Billigzahnpaste, die Patienten zum Beginn ihrer Klinikaufenthalte in Waschbeuteln geschenkt bekamen, zurückgezogen. Sie enthielt die Industriechemikalie Diethylenglykol, deren Benutzung in Panama für den Tod Dutzender verantwortlich gemacht worden ist. In Deutschland fand man Haarföne, die in Brand gerieten, Kettensägen, die sich nicht abschalten ließen, und Skibindungen, die sich nicht lösten. Unter den Accessoirs von Barbiepuppen enthielten Plastiktiere, Handtaschen und Spielzeugmöbel verbotene Bleifarben, die beim Draufbeißen Vergiftungen auslösen.

Für Mattel, das 70 Prozent seiner Waren – von Barbiepuppen bis zu Fisher-Price-Kleinkinderspielzeug – im Perlflußdelta im Hinterland von Hongkong, dem neuen Weltzentrum der Spielzeugindustrie, herstellen läßt, war deshalb wegen des nahenden Weihnachtsgeschäfts Feuer unterm Dach. Nach neuerlichen Kontrollen jagte eine Rückholaktion die nächste.

Als ursächlich für die Sicherheitsprobleme chinesischer Produkte gilt der hohe Preisdruck, dem sich die chinesischen Lieferanten von ihren Großkunden – darunter Giganten wie Mattel und WalMart – ausgesetzt sehen. Um Aufträge zu erhalten, zählt in China zunächst der Preis, nicht die Qualität. Um nach ihren Dumpingofferten noch Gewinne zu machen, wird dann an Personalkosten, Produktionsprozessen und Materialien gespart. Geprüfte Baumuster werden durch minderwertige Bestandteile ersetzt oder ganze Bauteile weggelassen.

Ohnehin gibt es auf dem chinesischen Binnenmark, wo Umwelt-, Arbeitsschutz- und Sozialnormen keine Rolle spielen, auch keinen nennenswerten Verbraucherschutz. Die Partei duldet keine unabhängigen Konsumentenschützer und keine mißliebigen Medienberichte. Die amtlichen Kontrolleure werden von städtischen Behörden ernannt. Sie malträtieren nur Kleinbetriebe, die ohne politische Protektion operieren, oder Ausländer. Für entsprechende Zuwendungen und Bewirtungen schließen sie dann die Augen. In der Zentrale der nach US-Vorbild geschaffenen Arznei- und Lebensmittelagentur herrschte seit ihren Anfängen acht Jahre lang der bewußte Zheng, der bis zu seiner Absetzung und Hinrichtung seine Pfründe nutzte, um Verwandte und Freunde mit Pöstchen zu versorgen, und gegen eine Gebühr zwischen 1000 und 10000 Euro alljährlich mehr als 10000 Arzneimittel zuließ. Zum Vergleich: Die USA ließen 2004 gerade einmal 148 neue Medikamente zu.

Handelsminister Bo Xilai verkündete: 99,9 Prozent der chinesischen Exporte seien sicher. Die westlichen Abnehmer wie Mattel hätten durch ihren Preisdruck und fehlende Kontrollen die Probleme selbst verursacht. Die westlichen Rückrufaktionen entsprächen nur protektionistischen Interessen. Nicht zimperlich bei Vergeltungsaktionen fand der chinesische Zoll Salmonellen in amerikanischem Geflügel und illegale Futterzusätze in US-Schweinefleisch.

Mittlerweile dämmert es den Verantwortlichen in Peking, daß die Häufung von Skandalen im Export Gegenmaßnahmen nötig macht. Die Erschießung von Zheng, des ersten höheren Parteifunktionärs seit 2004, soll niedrigeren Chargen klarmachen, daß Schlamperei und Korruption in diesem Sektor nicht mehr toleriert werden. Das Ansehen Chinas und der Erfolg der Olympischen Spiele stehen auf dem Spiel. Athleten und Besucher sollen sich sicher ernähren können. Deshalb wurde ein neues Lebensmittellabor für 800 Millionen Euro beschlossen.

Foto: Gefahr für unsere Kinder: Gerade Spielzeug aus China entspricht nicht den westlichen Standards.


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