20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.09.07 / Grünes Licht für Großmoschee / Auch in Frankreich gibt es immer mehr muslimische Gotteshäuser – Die Bevölkerung ist gespalten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Grünes Licht für Großmoschee
Auch in Frankreich gibt es immer mehr muslimische Gotteshäuser – Die Bevölkerung ist gespalten
von Jean-Paul Picaper

Im Dezember wird der liberal-konservative Bürgermeister von Marseille, Jean-Luc Gaudin, dem Vorsitzenden des Regionalen Moslemrates seiner Stadt, Aderrahmane Ghul, die Schlüssel der ehemaligen Saint-Louis-Schlachthöfe mit großem Pomp überreichen, damit dessen Glaubensgenossen dort die größte Moschee Frankreichs einrichten können. Die Umbauten sollen 30 Monate dauern. Der bereits recht ansehnliche Bau wird eine Kuppel und zwei Minarette von 25 Metern Höhe erhalten. Dieser „mohammedanische Dom“, wie man ihn bereits nennt, wird auf 2550 Quadratmetern abgedeckter Fläche Platz für 5000 Gläubige und auf dem Vorhof im Freien für sehr viel mehr Menschen bieten, denn das Gelände ist insgesamt 8600 Quadratmeter groß. Anläßlich des großen Aidfestes hatten die Moslems bisher immer die große Ausstellungshalle der Stadt gemietet und dort 10000 Gläubige versammelt. 

Unter den alteingesessenen Bürgern der Hafenstadt am Mittelmeer gibt es kaum Proteste und keine Demonstrationen gegen das Vorhaben, anders als in Berlin oder Köln, ja sogar 54 Prozent der Bevölkerung bejahen die Errichtung dieses Monumentes des Islams. 45 Prozent waren es, als Gaudin sich 2001 dafür entschied, den Wünschen der Moslems nachzugeben. Gaudin ist nicht immer für die Moschee gewesen. Während seiner ersten Amtszeit 1995 bis 2001, als er noch der liberalen Partei UDF angehörte, hatte er sich von dem Moscheeprojekt distanziert, das Soheib Benscheikh, ein Sohn des Rektors der Pariser Moschee, vorantrieb. Sein sozialistischer Widersacher, René Olmetta, sprach sich im Wahlkampf 2001 für das Moscheebauprojekt aus. Gaudin, der die rechtsextremen Wähler der Nationalen Front umwarb, schwieg offiziell, ließ aber durchsickern, daß er die Moschee bauen würde, falls er wiedergewählt würde.

Und so geschah es. Die Stadt zählt 200000 Einwohner moslemischen Glaubens, ein Viertel ihrer Bevölkerung, von denen die meisten die französische Staatsangehörigkeit und damit das Wahlrecht besitzen. Am 4. Oktober 2002 trat im Rathaus ein Gremium zusammen, in welchem Vertreter der Moslems saßen, um über den Umbauplan und die Konditionen zu verhandeln. Sie erwirkten am

21. April 2006 eine Entscheidung zugunsten ihrer Kultstätte. Die ultrarechten Parteien, die derzeit eine winzige Minderheit im 101 Volksvertreter starken Gemeinderat bilden, reichten eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein, das ihnen im April 2007 recht gab.

Die Gegner des Baus argumentierten, daß das Vereinsgesetz vom Jahre 1905 verhöhnt würde, weil die Moslems gegenüber anderen Konfessionen bevorzugt würden. Sie sollten für das Gelände einen Mietvertrag von 90 Jahren zu dem lächerlichen Mietpreis von 300 Euro jährlich bekommen. Indessen stritten die Moslems untereinander heftig darüber, welche von ihren Gruppierungen die Kontrolle über die Moschee ausüben würde.

Daraufhin verkürzte der Gemeinderat den Mietvertrag auf 50 Jahre und erhöhte die Miete auf jährliche 24000 Euro und gab Mitte Juli grünes Licht für die Großmoschee. Die Gegner haben eine neue Beschwerde eingereicht, die diesmal jedoch wenig Chancen hat, angenommen zu werden. „Ich bin gerührt“, sagte Nurredin Scheikh, der Vorsitzende des Vereins „Marseiller Moschee“, als der Gemeinderat diese „historische“ Entscheidung bekanntgab. Gaudin, dessen Partei UDF mit den Neogaullisten zur UMP fusionierte, die Nicolas Sarkozy unterstützt, ist inzwischen Feuer und Flamme für die Großmoschee. Das Projekt fügt sich nahtlos in die staatlich geförderte Integrationspolitik ein. Von „Anerkennung“, „Integration“, „Akzeptanz“, „Toleranz“, „Verankerung“ ist in den engagierten moslemischen Kreisen der Stadt gegenüber den Ungläubigen die Rede, um die Moschee zu rechtfertigen. Der Regionalvertreter der Union islamischer Organisationen Frankreichs, Mohsen Ngazu, begrüßt „die Dynamik, die sich aus einem so schönem Bau ergeben wird“, für seine Gemeinschaft. Die ehemaligen Migranten beherrschen zumindest das politische Vokabular der Demokratie, die sie umgibt.

Wenn die Mehrheit der Bürger von Marseille auch dafür ist, so heißt das nicht, daß sie auch begeistert ist. Sie können das Schauspiel der auf offener Straße betenden Massen von Gläubigen nur nicht mehr ertragen, von denen die meisten auf einem Stück Pappe als Gebetsteppich knien und viele das Wasser für ihre rituellen Waschungen aus Wasserlachen schöpfen. Jeden Freitag zur Stunde des großen Gebetes wird die Mission-de-la-France-Straße, eine der wichtigsten Verkehrsadern, für die Autos gesperrt. Hunderte von Moslems versammeln sich dort, weil der kleine Gebetsraum des Vereins Nur-al-Huda im Erdgeschoß eines Gebäudes dieser Straße zu klein für sie ist. Manche vermuten, daß diese Versammlungen auf offener Straße das Ziel verfolgen, den Druck auf die Stadtväter zu verstärken. Die Stadt hat bisher 62 moslemische Kultstätten von jeweils weniger als 250 Quadratmetern Fläche, die Platz für 13000 Gläubige bieten, und sechs große Moscheen, darunter die neu eröffnete Dau-Moschee in der Stadtmitte.

Was die künftige Großmoschee angeht, sind sich die Moslems keineswegs einig. Nassurdine Haidari, der Imam der Gemeinschaft der Komoren, der an Zahl zweitgrößten nach den Algeriern, befürchtet in diesem Riesenzentrum aller Moslems von den anderen geschluckt zu werden. „Die Leute wollen einen Islam in der Nähe ihres Hauses“, meint er. Abderramane Ghul ist in der Tat dafür, die kleinen Moscheen freitags zu schließen, damit die Menschen zu der Großmoschee pilgern. Andere Gruppen wittern im Angebot des Bürgermeisters eine Falle, sie befürchten, daß eine Großmoschee wie in Paris oder Lyon, die „im Sog der französischen Politik“ stehen wird, und in der die Imams in zwei Sprachen, Arabisch und Französisch, predigen müssen, leichter zu beaufsichtigen sein werde.

Immerhin hat Nurredine Scheikh eingewilligt, daß die Gaben aus Algerien, Marokko und Tunesien nicht 40 Prozent des Gesamtbetrages für den Moscheebau übersteigen werden. Der Rest der erforderlichen 8,6 Millionen Euro wird von den französischen Moslems zugeschossen. Wer kann aber kontrollieren, woher die Spenden stammen? Zudem: Moscheen größeren Formats schießen in Frankreich wie Pilze aus dem Boden. Marseille ist nur ein Beispiel.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren