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15.09.07 / Ein Erbe der Eiszeit / Die Holsteinische Schweiz: Nicht nur für Radler das Paradies hoch im deutschen Norden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Ein Erbe der Eiszeit
Die Holsteinische Schweiz: Nicht nur für Radler das Paradies hoch im deutschen Norden
von Elke Gersmann

Sanft geschwungen zieht sich die Birkenallee durch die hügelige Landschaft im Nordosten Schleswig-Holsteins. Durch das hellgrüne Dach blinzelt die Sonne hindurch, Blätter schaukeln millionenfach wie kleine Fähnchen im Wind. Rechts und links der schmalen Landstraße breiten sich Felder aus, unterbrochen von Wallhecken aus Holunder, Weißdorn und Hainbuchen. Kleine ökologische Kostbarkeiten, die Tieren Nahrung und Unterschlupf bieten. Diese Knicks genannten Feldabgrenzungen sind keine neue Erfindung. Die meisten wurden vor über 200 Jahren angelegt – wenn auch nicht ganz freiwillig: Ein Gesetz verpflichtete Bauern und Gutsherren, ihr Land mit „lebendem Pathwerk“ einzugrenzen. Und so prägen sie das Gesicht der Holsteinischen Schweiz bis heute.

Wer sich über den Namen der Region amüsiert, sei gewarnt: Plattes Land wird hier niemand vorfinden. Denn viele Jahrtausende vor den Bauern hat die letzte Eiszeit diese Landschaft modelliert und einige beachtliche Hügel zurückgelassen, vor denen sich ahnungslose Radler verwundert die Augen reiben werden. Die höchste Erhebung Schleswig-Holsteins ist der Bungsberg mit stolzen 167 Metern. Hier zeigt sich auch, wie ernst es den Nordlichtern mit ihren Bergen ist: Er ist zwar nur selten in Betrieb, aber es gibt sogar einen Skilift.

Doch von der Eiszeit sind nicht nur Hügel geblieben: Über 200 Seen glitzern in der Holsteinischen Schweiz. Der größte ist der Große Plöner See. Dorthin führt auch die Birkenallee, in das schöne Dorf Bosau. Zu Zeiten Heinrich des Löwen war es ein Bischofssitz. Wobei Vicelin, der Apostel der Holsten, jedoch ein bescheidener Bischof gewesen sein muß: Er ließ sich Mitte des 12. Jahrhunderts mit der St.-Petri-Kirche den kleinsten Bischofsdom der Welt erbauen.

Weniger bescheiden wirkt das Plöner Schloß, das weithin sichtbar am gegenüberliegenden Ufer des Sees thront. Doch der weiße Renaissancebau paßt wunderbar in diese idyllische Seenlandschaft, in der kleine Segelboote zwischen winzigen Inseln kreuzen. Eine Schar Wildgänse, die laut schnatternd auf der Wasserfläche landet, macht das Bild perfekt. In und um Bosau müssen sich Schafe und Rinder ihre Wiese mit dem graszupfenden Federvieh teilen.

Zwischen dem Plöner und dem Vierer See geht es mit dem Rad weiter Richtung Plön durch wasserreiche Erlenbruchwälder, Buchenwälder und bunte Feuchtwiesen, auf denen noch Sumpfdotterblumen, Kuckuckslichtnelken und seltene Orchideen wachsen. Duftende Heckenrosen säumen den Pfad, Wildgänse recken ihre Hälse, um die Vorbeifahrenden zu beäugen, wuschelige Highland-Rinder stehen bis zum Bauch im Wasser und beobachten gelassen das Geschehen.

Auch den Menschen hält es bald nicht mehr an Land – denn das glasklare Wasser lädt zum Baden ein. Gelegenheiten gibt es genug in Form von kleinen und größeren Badebuchten mit nahezu perfekten Sandstränden. Und weil das Wasser flach abfällt, können auch Kinder ausgiebig plantschen.

In Plön bleibt man für eine Stadtführung am besten auf dem Rad. Denn diese führt dann auch zur idyllischen Prinzeninsel.

Erst geht es jedoch durch die Altstadt mit ihren schmalen Twieten hinauf auf den Schloßberg. Die Aussicht ist fantastisch und es ist keine Frage, warum Herzog Joachim Ernst im Jahre 1633 sein Schloß genau hier bauen ließ.

Mit ein bißchen Glück kann man seit einigen Jahren über dem See einen anderen Herrscher beobachten: den König der Lüfte. Seeadler ziehen in der Holsteinischen Schweiz wieder ihre Kreise.

Hochherrschaftlich geht es auch weiter: Das Prinzenhaus wurde Mitte des 18. Jahrhunderts als Gartenschloß errichtet. Seinen heutigen Namen bekam es durch die sechs Söhne Kaiser Wilhelms II. Sie wurden hier erzogen, denn das Schloß war zu dieser Zeit eine Kadettenanstalt. Auch die Prinzeninsel, ein kleines Naturparadies, bekam so ihren Namen.

Nicht alle wählen für ihre Entdeckungstour nur das Fahrrad. Viele zieht es auch auf das Wasser. Schließlich liegt Plön zwischen 16 Seen, die alle miteinander verbunden sind und wunderbar per Kanu erkundet werden können. Ganz bis nach Eutin ist es jedoch zum Paddeln etwas weit. Die ehemalige Bischofsresidenz war damals auch der Musenhof der gesamten Region.

Als kulturelles Zentrum Schleswig-Holsteins wurde Eutin deshalb als Weimar des Nordens bekannt. Carl Maria von Weber ist der bekannteste Sohn der Stadt, und jedes Jahr werden ihm zu Ehren im Schloßgarten Festspiele veranstaltet.

Festspiele ganz anderer Art, mit Indianergeheul und knallenden Gewehren gibt es in der nahegelegenen Kreisstadt Bad Segeberg, dem südlichen Tor zur Holsteinischen Schweiz.

Jedes Jahr aufs neue reitet Winnetou zwischen den Felsen des 91 Meter hohen Kalkberges.

Eine geologische Besonderheit, die außerdem einen grandiosen Rundumblick über die Wälder und Seen der Holsteinischen Schweiz bietet.

Die eigentlichen Hausherren lassen sich von den Besuchern meist nicht stören: Die Mitglieder der Fledermauskolonie kommen erst in der Dämmerung aus ihrer Höhle heraus.

Die pelzigen Flieger gehören zu den bedrohten Arten und sind streng geschützt. Im spannenden Fledermaus-Zentrum Noctalis kann man viel über sie erfahren – und einigen von ihnen sogar begegnen.

Foto: Das Plöner Schloß: Das Prinzenschloß war Kadettenanstalt für die Söhne von Kaiser Wilhelm II.


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